Unzerfickbar: Klitclique im Porträt

Das Lo-Fi-Rap-Duo Klitclique feiert im Juni sein Albumdebüt. Über interdisziplinäre Back-up-Crews, Altersfreigaben auf Youtube und die Gretchenfrage nach dem Frauenanteil im Rap – auf ein Cola mit Klitclique.

© Elsa Okazaki

»Ich bin der Feminist, aber dann habe ich mir die Beine abrasiert und mir Coco Chanel ins Gesicht geschmiert und auf der Akademie studiert« – wenn Klitclique zum Rundumschlag ausholen, machen sie auch vor ihren eigenen Privilegien nicht halt. Im Musikvideo zu ihrer ersten Single »Der Feminist F€M1N1$T« zerlegen G-udit und $chwanger, die beide auf der Akademie der bildenden Künste in Wien studiert haben, mit perfekt sitzendem Lippenstift feministische Diskurse der letzten zwanzig Jahre.

Klitclique sind mehr als ein Rapperinnen-Kollektiv im deutschsprachigen, männerdominierten Hip-Hop-Dschungel. Angefangen hat alles zwischen Graffitikunst und Freestyle-Diss: Ab 2005 machten Klitclique die hiesige Rap-Battle-Szene unsicher – »to shake things up, a little bit«. Performances und Kunstinstallationen in Galerien, auf Partys, in Clubs und in Off-Spaces folgten, zwischen Publikumsbeschimpfung und der Vernebelung von Erwartungshaltungen lenkten die zwei Künstlerinnen, teilweise mit Masken verschleiert, die Aufmerksamkeit immer wieder auf sich. Irgendwann wurden schließlich auch feministische Institutionen wie das Frauencafé auf Klitclique aufmerksam. »Wir haben unsere Rolle eigentlich darin gesehen, als Graffiti-Weiber vor und mit Männern aufzutreten und diese dann zu beschimpfen. Am Anfang haben wir das zuerst gar nicht gecheckt, warum uns jetzt auf einmal Feministinnen cool finden.«

Seit den Sprayertagen in den Nullerjahren scheint das Klitclique-Performance-Portfolio zwischen Paris, Berlin, Stockholm und Wien alle Spaces abgegrast zu haben, die die urbane Kunstszene zu bieten hat. »Von White-Cube-Galerien bis zum Kindergeburtstag« lautet das Motto – auch am Donaufestival in Krems trifft man auf sie. 2016 erschien mit »Der Feminist F€M1N1$T« schließlich das erste Musikvideo, beim Popfest bespielten sie im Rahmen einer FM4-Session das Funkhaus Wien und supporteten im darauffolgenden Herbst Lit-Girl Stefanie Sargnagel bei ihrer deutschen Lesereise-Tour. Jetzt veröffentlichen die beiden ihr Debütalbum »Schlecht im Bett, gut im Rap«, das seit 1. Juni kostenlos via klitclique.com zum Download bereitsteht.

Klitclique © Elsa Okazaki

Gesamtkunstwerk, das (n.)

Mit dem Erstlingswerk betreten Klitclique Gefilde, die sie eigentlich nie am Schirm hatten, wie sie erzählen: »Das Debüt ist irgendwie eine Geschichte über seine eigene Entstehung – wir hatten ursprünglich nie ein Album geplant, weil wir auch aus dem Freestyle kommen. Es ist deshalb viel eher aus sich selbst gewachsen.« Das Album folgt dabei dem Prinzip des konzeptuellen Eklektizismus, hinter jedem Track steckt ein anderes Konzept: Mit »Maria« huldigen Klitclique in Cloud-Rap-Manier Maria Lassnig (»Karrierebitch mit 90 / sie malt nur sich / jeder Pinselstrich / überlebt dich / inhaltlich«), Songs wie »LSDAP« oder »NCNP« sind teilweise aus stundenlangen Freestyle-Mitschnitten entstanden.

Klitcliques meistgeklicktes Steckenpferd »Der Feminist F€M1N1$T« ist eine Hommage an DJ Vadims »The Terrorist«. $chwanger und G-udit bedienen sich nach Lust und Laune wie in einem Süßigkeitenladen, picken sich von jedem Genre, jedem Medium und jedem Raum das Beste heraus und fügen oben drauf noch ein bisschen Street-Cred hinzu. An internationalem Cloud-Rap als Inspirationsquelle gefällt den beiden Rapperinnen beispielsweise die Auflockerung der doch sehr sperrigen, formalen Traditionen im Hip-Hop. Ihren Sound beschreiben Klitclique übrigens mit dem Adjektiv lustig – »lustig und 1 Gesamtkunstwerk«.

Denn wer bei Klitclique über den musikalischen Tellerrand blickt, wird neben fetten Rhymes schnell auf die Breitbandpalette an künstlerischen Output stoßen, in den sich der Klit-Sound einbettet. Das Medium Musikvideo nimmt dabei einen besonderen Stellenwert im Repertoire der Wiener Künstlerinnen ein: In ihm kommen neben Art-Performances auch die bis ins kleinste Detail durchgestaltete Requisiten zur Geltung, wie beispielsweise das DIY-Mischpult Menstruator PMS 2000 aus lackiertem Karton. G-udit hat außerdem eine textile Schmuckkollektion zum goldigen Vulva-Größenvergleich entworfen.

Zusätzlich zur visuellen Komponente ist das Klitclique-Gesamtkunstwerk außerdem von einem Bildungsauftrag der beiden Masterminds durchzogen, der in der Rezeption oft unter dem Stempel »Provokation« rangiert. Klitclique selbst würden ihre Kunst zwar als »nicht leicht verdaulich« bezeichnen, »provokativ finde ich es aber nicht«, wie MC $chwanger meint. »Es fällt einfach immer noch extrem stark auf, wenn Künstlerinnen Performances machen, die zwar irgendwie nach Pop klingen, aber inhaltlich dann etwas anderes vermitteln.« Dies trifft nicht nur auf die Musikszene zu, sondern vor allem auch auf den österreichischen Kunstbetrieb und seine marktorientierten Hierarchien, die Klitclique in ihren Performances immer wieder in die Mangel nehmen, wie im Track »D1G 1RG€NDWA$«: »Dein Galerist / ist er am Klo / und zieht 1 Line / ist er am Klo / und speibt ganz allein / zwölf Flaschen Wein.«

Community, die (w.)

Neben dem interdisziplinären Ansatz und dem eigenen multimedialen Verständnis von Kunstvermittlung wird im Klitclique-Kosmos noch ein weiterer Aspekt großgeschrieben, nämlich die eigene Community. »Wir sind die ganze Zeit von extrem genialen Leuten umgeben.« Zur Klitclique-Gefolge-Gang zählen beispielsweise die Performance-Künstlerinnen Florentina Holzinger und Lilly Pfalzer (in den Musikvideos zu »Der Feminist F€M1N1$T« oder »M« zu sehen), die Videokünstlerin und Regisseurin Jessyca R. Hauser oder Hyperreality-Kuratorin Marlene Engel.

Gepusht von der eigenen Crew, die in den letzten Jahren um Klitclique gewachsen ist, sind sie nicht nur Fans von Off-Spaces, sondern auch von Open Stages in jeder erdenklichen Form. »Es ist ganz egal, ob das Beatboxen, ein Rap-Battle oder eine Impro-Jazz-Session ist«, erklärt G-udit im Interview. »Es geht viel mehr um den Vibe dahinter.«

Feminismus, der (m.)

Bei Künstlerinnen wie Klitclique, die mit goldenen Vagina-Blingblings in Musikvideos mit Altersbeschränkung über Feminismus kontern, stellt sich – leider immer noch – die Gretchenfrage nach der Frauenquote im Rap. Quoten-Bookings haben die zwei Rapperinnen immerhin selbst oft genug erlebt, wie bei der Geburtstagsparty von Erwin Wurm im Volksgarten, bei der Klitclique nach den ersten Minuten allerdings abgedreht wurden – sie würden die ganzen »schönen Damen« auf der Party verschrecken. Dabei wollten sie doch nur über einen Britney-Spears-Beat freestylen.

$chwanger und G-udit beantworten die Frage nach den Frauen im Rap mit einem Plädoyer für gegenseitigen Support abseits heteronomer Konkurrenzkämpfe zwischen Künstlerinnen und für Selbstbestimmung mit ganz viel »Scheiß drauf«-Attitüde. »Wie wir alle wissen, darf es in dieser Gesellschaft nur eine Queen Bee geben. Aber nur eine!« Jeglichem Selbstzweifel zum Trotz, der laut Klitclique viele Frauen daran hindere, ihre »Gusch endlich aufzukriegen« und sich selbst auf die Bühne zu stellen – so wie sie sich selbst, einst in den glorreichen Nullerjahren auf die Wiener Freestyle-Bühnen. »Die Dudes, die sich damals bei Battles über uns und unsere Inhalte aufgeregt haben oder gemeint haben, wir hätten zu wenige Doppelreime, arbeiten jetzt im Endeffekt im Turnschuhverkauf. In der Zwischenzeit machen wir gemütlich unser erstes Album.«

»Schlecht im Bett, gut im Rap« von Klitclique ist am 1. Juni 2018 auf dem Eigenlabel Bad In Bed Records erschienen. Am 16. Juni wird der Release gemeinsam mit Bliss in der Nordbahnhalle in Wien gefeiert.

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