Ein in Alu gehülltes Mysterium singt gegen verquere Körpernormen und die daraus resultierende Verachtung an. Das sitzt und macht Spaß.
Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen, sagt man sich gern. Da wird der Aluhut schon mal gerne zum Vollvisierhelm umfunktioniert und sowieso der gesamte künstlerische Auftritt zu einer durchdringenden Performance. So macht es zumindest der neu in Erscheinung tretende matt leuchtende Folienstern am österreichischen Pop-Himmel Hari Viderci. Not another Künstlernamen-Pun, aber der ist dann halt irgendwie doch gut.
Wer hinter der Traum-Aufmachung aller Verschwörungsgläubigen steckt, erfahren wir heute übrigens nicht. Ist aber auch egal, gibt es an dieser Stelle doch viel Wichtigeres zu besprechen. Zum Beispiel, dass bei Hari Viderci schon die ankündigende PR-Mail ein Kunstwerk für sich war. Zitat: »Der Beat ist vielleicht ein bisschen dünn geraten, der Bass wirkt dafür recht breit um die Hüfte, die Stimme kommt eher knochig daher, und überhaupt ist alles einfach irgendwie doch Geschmackssache. Abgekackter Kackscheiß!« Ja, so stand das dort. Noch Fragen?
Ernst zu sein kann auch Spaß machen
Doch hinter der klamaukigen Schale der ernsthaften Unterhaltungsmusik steckt ein wenig lachhafter Kern. Die Thematik: Bodyshaming, obviously. Die Erklärung zum durch den Wiener Prater tänzelnden Stück: »Körpernormen sind per se schon menschenverachtend, denn erstens haben sich diese im Laufe der Geschichte schon oft geändert und zweitens kommt es stark auf den jeweiligen Kulturkreis an. Darüber hinaus sind diese Körpernormen tendenziell von weißen Männern mit Geld diktiert. Es winkt gewohnt das #Patriarchat.« Agreed.
Haris persönliche Betroffenheit von dem Thema gipfelt in einer strangen Anmoderation bei einem Konzert. Als Gastmusiker wird er mit den Worten »Sein größter Feind: das Kanalgitter« angekündigt – an zwei Auftrittstagen hintereinander. So lustig, dass direkt ein Strohballen durchs Bild rollt. Hari war natürlich verletzt, eine schlagfertige Reaktion blieb vor Ort aufgrund von Überforderung aus. Verständlich, aber von der nachgelegten Reaktion in Track-Form haben wir nun immerhin alle etwas.
Zusammenfassend hat »Dünn« also den Charakter von Katharsis und Memo in einem. Oder wie es der Künstler beschreibt: »Ein Denkzettel an mich und an alle, die mit dem Lauf der Dinge auch nicht einverstanden sind. Ein Stoppschild. Nach und nach immer weniger, und irgendwann ist dieses Thema einfach kein Thema mehr. Bitte, Bussi! Denn der einzige Faktor, der zählen soll, ist, wie wir uns fühlen.«
Die Videosingle »Dünn« von Hari Viderci ist heute, also am 23. April 2021, bei Kats Records erschienen. Weitere Releases sind vage angekündigt.