Mitte Mai diesen Jahres präsentierte der neue Wiener Bürgermeister Michael Ludwig sein Team, darunter die neue Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. Die Erwartungen aus der Kulturszene sind dementsprechend hoch – wie Kaup-Hasler diese erfüllen will, erzählt sie im Interview.
Die Stimmung im Stadtratsbüro im Wiener Rathaus ist gut, fast gelöst, die MitarbeiterInnen werden nicht müde, schon vor dem Interview ungefragt von einem »frischen Wind«, der hier nun wehen soll, zu erzählen. Das machen sie mit einer Begeisterung, die sich nur schwer spielen lässt. Veronica Kaup-Hasler kümmert sich wenig um gewohnte Strukturen, dafür, so scheint es, umso mehr um ihr Team.
Ihr Arbeitstempo überrascht zumindest intern den ein oder anderen. Die vorläufige Neubesetzung der Intendanz der Wiener Festwochen durch Christophe Slagmuylder nahm sie innerhalb weniger Wochen in die Hand, eine Ausschreibung der Stelle ab 2020 wurde ebenfalls kürzlich veröffentlicht. Dabei wirkt die ehemalige Intendantin des Steirischen Herbsts erstaunlich entspannt – auch, was die Erwartungshaltung von außen betrifft.
Wenn Sie auf die ersten, zum Teil durchaus intensiven eineinhalb Monate als Stadträtin zurückblicken: Gab es einen Moment, in dem sie bereut haben, diese Aufgabe übernommen zu haben?
Nein. (lacht) Ich bin hartes Arbeiten gewohnt, insofern hat sich die Intensität nicht maßgeblich erhöht. Mein Tag beginnt um halb acht und dann rauscht es durch. Und am Abend gibt es immer noch Veranstaltungen. Aber es geht natürlich auch darum, möglichst viel zu sehen. Das gibt mir einen unglaublichen Kick, weil ich ein neugieriger Mensch bin und weil ich bestimmte Zonen, die ich sonst beackert habe oder bereist habe, jetzt auch verlasse und andere Seiten von Wien kennenlerne, die ich vorher überhaupt nicht so wahrgenommen habe. Das ist für mich sehr spannend und eine Zeit des neuen Lernens. Ich bin extrem begeistert von dieser Fülle.
Was hat Sie hier im Rathaus bisher überrascht – positiv oder negativ?
Mich hat vor allem das Team sehr überrascht. Ich habe hier ein Team von jungen engagierten Leuten vorgefunden, die Veränderungen wollen und auch ein großes Wissen mitbringen. Man muss einfach gut zuhören. Ich spüre hier keinen Widerstand – ganz im Gegenteil – eigentlich hole ich die Menschen innerhalb dieses Teams mit offenen Armen ab, wo sie sind und wo auch so viele Ideen lauern, und bestärke sie, mutig zu sein und sich nicht mit Konventionen von Abläufen zufriedenzugeben. Hier herrscht eine Arbeitsweise vor, die wenig mit den Klischees zu tun hat, die man vielleicht im Kopf hat, wenn man außerhalb des Rathauses steht und an eine feste, fast kafkaeske Burg denkt.
Sie kommen aus dem Kulturbereich direkt in die Politik. Eine Besetzung wie diese haben sich viele Kulturschaffende immer gewünscht, gleichzeitig gibt es jetzt eine hohe Erwartungshaltung. Wie gehen Sie damit um?
Ich habe mich über die Aufgabe wahnsinnig gefreut. Ich weiß, dass meine Bestellung mit einer großen Erwartung verknüpft ist, aber viele Lorbeerkränze auf dem Kopf behindern den Blick. Die muss man schnell loswerden und arbeiten. Ich kann den Erwartenden eines finanziellen Füllhorns nur entgegenhalten: Ich bin nicht als Geldwäscherin engagiert worden. Mir ist es leider noch nicht gelungen, Geld zu drucken. (lacht) Aber ich werde selbstverständlich auch dafür kämpfen, dass die Kultur so finanziert ist, dass es dem Stellenwert, den die Kultur für diese Stadt hat, entspricht. Man darf nicht vergessen, dass 75 Prozent der Touristen sagen, sie kommen wegen Kunst und Kultur nach Wien. Diese Kultur muss aber in allen Bereichen gestärkt werden. Das umfasst klassische Institutionen im Bereich bildender Kunst, Musik, Theater und Tanz ebenso wie das breit gefächerte Filmschaffen. Und natürlich ebenso das Kunstschaffen der freien Szene in allen Bereichen. Auch avanciertes Kunstschaffen muss gefördert werden, weil es auch zur Tradition dieser Stadt gehört. Wir müssen schauen, wie wir ins 21. Jahrhundert kommen und wie wir zeitgenössisches Kunstschaffen möglich machen.
In Wien gibt es eine gewisse Kluft zwischen dem, was viele als »Hochkultur« bezeichnen und der freien Kulturszene. Wie geht man damit um?
Es gibt hier einen großen Gap. Mit dem Begriff der Hochkultur habe ich aber ein ganz großes Problem, weil es eine vertikale Struktur implementiert, die ich so nicht sehe. Ich finde, es gibt hochwertiges Kunstschaffen in allen Bereichen. Bestimmte Institutionen bringen es einfach mit sich, dass sie teurer sind. Ich kann bei einem Orchesterwerk nicht sagen: Es gibt erste Geigen und die zweiten können wir uns einsparen. Es gibt eine Summe an Orchestermitgliedern, die man einfach braucht und die ihre Verträge und ihre Gehaltsanpassungen haben und das sind natürlich Kosten. Je traditioneller Institutionen sind, umso mehr sind sie gefangen in dieser Kostenentwicklung. Ich halte diese Dialektik »freie Szene gegen Hochkultur« für nicht fruchtbar und nicht interessant. Wir können nicht jeden einzelnen, der sich selbst als Künstler oder Künstlerin sieht, fördern. Aber man kann strukturell Linien legen, damit möglichst viele und vor allem die Besten die Möglichkeit haben, ihr Tun auszuleben. In diesem Bereich zu arbeiten, ist schwieriger, auch weil diese KünstlerInnen ungeschützter sind. Daher liegt mein Augenmerk schon auch darauf: Was kann ich tun, damit deren Arbeitsbedingungen verbessert werden? Gibt es Möglichkeiten, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen oder müssen neue erfunden werden, damit dieses Schaffen auch möglich ist? Da bin ich aber gerade erst am Anfang auszuloten und zu sondieren, um zu sehen, welche Schritte auch möglich und nötig sind.
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