Von Burnrate bis Burnout

Andreas Klinger, Co-Gründer von Lookk, über ein Thema, über das man nicht so gerne spricht: »Wie lange geht’s noch?«

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Startups sind ein wenig speziell, wenn es um Arbeitsleistung geht. Durch den eigenen Ehrgeiz getrieben, peitscht man sich selbst und hat früher oder später die Verantwortung über seine Mitarbeiter, diese nicht zuviel oder am besten gar nicht zu peitschen, während zeitgleich das Business durch die Decke oder den Boden geht. Der eigene Ehrgeiz bringt viele Leute dazu, das nur auf die harte Tour zu lernen – hier ein Crashkurs, wie man in 6 Schritten zum Burnout kommt.

Schritt 1 Die eigene Begeisterung steckt nicht nur Co-Founder, Mitarbeiter, Familienmitglieder und Investoren an, sondern funktioniert auch als scheinbar unerschöpfliche Energiequelle. Man will klarerweise die eigenen und externen Erwartungen erfüllen und sitzt nun als Workaholic wochenlang früh bis spät am Schreibtisch, Wochenende für Wochenende.

Schritt 2 Alltagsprobleme wie User Bugs, Steuerprobleme oder Community-Betreuung kommen hinzu, die Begeisterung hält, ist aber gefangen in Tätigkeiten, die erledigt werden müssen. Man schaukelt sich von einem Hoch durch das nächste Tief und rauf zum nächsten Hoch. Der nächste Kunde, der nächste Deal, der nächste Release. Man merkt, wie das Konto das Geld verliert als wäre es undicht und das erwartete nachkommende Geld bleibt dennoch aus.

Schritt 3 Man fokussiert wie verrückt auf Details, verliert das größere Bild, erkennt Prioritäten nicht mehr und blockiert trotzdem alle anderen. Auf einmal hat man für nichts mehr Zeit, ist permanent eingespannt und kann vor lauter Tunnelblick sich nicht mal mehr um Dinge kümmern, die die eigene Arbeit erleichtern oder effizienter machen würden.

Schritt 4 Dadurch, dass man nicht mehr die Nerven hat, klar zu kommunizieren, weil sich alles sowieso ständig ändert, arbeiten auch andere ineffizient und verlieren ihre Energie. Arbeit anderer bleibt liegen und man fängt an, diese auch noch zu erledigen. Auf einmal macht man ein Dutzend Dinge zusätzlich, die nichts mit der eigenen Aufgabe zu tun haben. Man übernimmt gerne, schließlich kann man die Tätigkeiten ja »am schnellsten« erledigen, obwohl man in Wirklichkeit so wenig Zeit hat, dass nun alles noch länger dauert.

Schritt 5 So wie eine Company hat auch eine Person eine Halbwertszeit, bis die eigene Begeisterung als endloser Strom von Energie erlischt. Die ersten Symptome können ohnmachtsähnliche Wochenenden sein, in denen man außer Fernsehen eigentlich nichts mehr macht und nach denen man genauso fertig ist wie davor. Das paart sich dann mit Tunnelblick vorm Laptop und der Tatsache, dass man sich nur noch am Computer subjektiv effizient fühlt. Permanente Entscheidungsschwäche bei allem, was nicht beruflich ist. Schnellstmögliche Überforderung durch kleinste Dinge. Das Privatleben, welches eine Balance geben sollte, kommt so lange zu kurz, bis es fast nicht mehr existiert und private Krisen kommen nun noch hinzu. Die Freundin weg – zu Recht.

Schritt 6 Wenn man dann mal ein längeres Wochenende zum Ausschlafen hat und zurückblickt und sich klar wird, wie zombieähnlich man eigentlich die letzten Wochen unterwegs war und wie wenig trotzdem vorangeht, wenn man nicht selbst wie irre dahinter bleibt. Man merkt auf einmal, wie wenig die eigene Arbeit eigentlich am Gesamtschicksal verändert und dann geht es auf einmal ziippp und man verliert den Sinn im Ganzen. Ziippp. Und es ist black. Lustlos und egal.

Burnout ist nicht schwarz/weiß und definitiv kann es noch schlimmer kommen als beschrieben, aber ich bin mir sicher, der eine oder andere Gründer findet sich in einzelnen dieser Schritte wieder. Falls ja sollte man die Notbremse ziehen.

Schritt 0 So kompliziert oder speziell wie man glaubt, ist dass eigene Projekt gar nicht, und niemand macht einem soviel Stress oder Druck wie der eigene Ehrgeiz. Erfolg misst sich nicht in Arbeitszeit, sondern in Arbeitsleistung. Und gute Arbeitsleistung kommt nur durch klaren Kopf, Arbeitsbalance im Team und Fokus. Alle Startups, mit denen ich gesprochen habe, haben spätestens im dritten Jahr von Dauersprint auf Marathon gewechselt und alle haben bemerkt, dass sie nicht langsamer geworden sind.

Lookk.com ist ein österreichisches Startup, das auf der internationalen Bühne die Modewelt verändern will. Andreas Klinger schreibt monatlich über Lessons Learned, Erfolge und andere schmerzhafte Erfahrungen.

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