Der Fotokünstler Klaus Mähring hat einen 1974er Steyr Ikarus Bus zum mobilen Atelier umgebaut. Damit ist er in Rumänien, Bulgarien, der Ukraine oder in Georgien unterwegs – auf der Suche nach der „Aura des Originals“. Klaus Mähring lädt zur Werkschau in sein Atelier und spricht über seine Arbeit.
42 19 10.06 N 42 40 38.35 E (© Klaus Mähring)
Die Lagerstätten versinnbildlichen sehr viel von dieser Freiheit, die ich in diesen Ländern gefunden habe. Dass man irgendwo stehen, lagern und arbeiten kann. Wohnen kann, ganz einfach. Die Lagerstätten sind jeweils ein Blick zurück auf einen Platz, an dem wir länger waren. Mit dem Bus ein Stück weggefahren und vom Busdach herunter fotografiert. Teilweise sieht man die Spuren, die man dort hinterlässt, teilweise sind es freie Plätze. Die Titel sind die genauen Koordinaten der Plätze, auf den Zentimeter genau. Wenn ich so ein Bild in der Hand halte, dann weiß ich, es gibt einen Platz, wo ich weiß, ich kann jederzeit hin und dort bleiben, und zwar einen Tag oder drei Jahre. Das hat so eine „wenn man flüchten muss“ – Sache an sich.
48 17 56.13 N 31 30 32.20 E (© Klaus Mähring)
Lagerstätten
Wenn man um vier oder fünf am Nachmittag herumfährt und denkt, man braucht einen Platz, dann geht das der Nase nach. Ich habe eine sehr gute Intuition, wirklich gute Plätze zu finden. Dieses „Platz finden“ und „Platz haben“ ist beinahe wie eine Skulptur. Das Alles ist verarbeitet in der Serie Lagerstätten. Das hat sich in den Jahren entwickelt, was für eine große Sache es ist, diese Plätze zu finden. Ich habe dieses Talent, ich weiß ungefähr wohin.
49 34 37.55 N 31 28 20.83 E
Es ist für mich beruhigend, dass es solche Plätze gibt. Freiräume, die ready to use sind.
Around Ismail, Ukraine 2008 (© Klaus Mähring)
Landscapes
Die Landscapes sind hauptsächlich in der Ukraine entstanden. Ich bin erwartungsfrei losgefahren und hatte dann, in drei Wochen in denen wir unterwegs waren, eine equilibrische Ruhe. Ich habe gewartet auf den Impuls, der dann gekommen ist, und ich habe begonnen, Landschaften zu fotografieren. Es war dann wirklich so: Ich weiß nicht warum, aber das spricht mich an, da mache ich ein Bild davon. Ich finde, das ist etwas, das die Fotografie sehr gut kann. Da kommt das Unbewusste zum Zug und danach, wenn man die Bilder ansieht, kommt man drauf, aha, was verfolgt man da ganz unbewusst.
Around Kirovograd, Ukraine 2008 (© Klaus Mähring)
Ich war mir bei den Landschaften nicht ganz sicher: Wie viel ist da jetzt von mir drinnen? Inzwischen weiß ich: Da ist fast nur Ich drinnen. Es ist mir klar geworden, dass Fotografie wirklich in dieser Art eine Projektion des eigenen Ichs sein kann. Es liegt bei fast allen Bildern der Horizont immer ganz gleich, die Bilder sind entsprechend glaube ich der Stimmung sehr equilibrisch, sehr ausgewogen. Es ist wie wenn man aus sich heraus etwas malt oder etwas projiziert, nur dass man es bereits vorgefertigt findet.
Combinatul Siderurgic, Rumänien 2008 (© Klaus Mähring)
So ist eine Serie herausgekommen, die aus Einzelauflagen besteht. Bei der letzten
Ausstellung habe ich die Originale um 5.500 angeboten und die Nachprints um 200 Euro. Um zu sagen: Wenn Du nur das Bild magst, kein Problem. Wenn Du das Original und die Geschichte magst, na ja, da steht dann hinten drauf: „Printed on Lake Ogosta“ und „Printet in Chernyshy“. Die Leute haben stark darauf reagiert, dass diese Bilder direkt dort am See mit den Mücken und so weiter produziert wurde.
Eine Festung im Walde, Georgia 2008 (© Klaus Mähring)
Murals
Ich wollte an Wänden Fotoarbeiten machen, wo ich mit Schwarzweißemulsion arbeite. Mit der Schwarzweißemulsion kann man so zusagen jede Oberfläche in ein Fotopapier verwandeln, es muss nur dunkel sein. Wenn man das auf Wänden von Ruinen macht, dann ist das dort fix drauf.
Family, Sieyobidka, Ukraine 2005 (© Klaus Mähring)
Es ist extrem beeindruckend dass, wenn man sich unübersehbar aufbaut, die Leute kommen und kein Problem damit haben, sondern wir immer am selben oder am nächsten Tag auch noch Essen oder Milch geschenkt bekommen haben.
Friends, Gradiste, Moldova 2005 (© Klaus Mähring)
Normalerweise fährt man irgendwo hin, nimmt Bilder in seine schwarze Kiste auf und öffnet sie dann tausende Kilometer entfernt zuhause und schaut sich an, was man da gemacht hat. Es gibt dazu die Aussage, dass man den Menschen die Bilder stiehlt. Wenn man jedoch die Bilder vor Ort entwickelt und ihnen die Bilder gibt, gibt es mir das Gefühl, dass ich das Recht habe, die Bilder mitzunehmen. Weil man keine offenen Enden lässt. Ich finde es etwas anderes, wenn ich hier ein Bild herumzeige, das die Person am Bild nie gesehen hat. Das ist ganz anders, wenn die Person das Bild kennt.
Hexenhaus, Bulgarien 2008 (© Klaus Mähring)
Einmal habe ich in der Kühlkammer einer Freundin meine Dunkelkammer aufgestellt gehabt, einmal habe ich am See mit halbdreckigen Seewasser meine Chemie angesetzt und die Sachen gewässert. Das sind Kontakte, die größenmäßig limitiert sind, sie sind aber die allerbeste Qualität, die man bekommen kann. Das Negativ liegt mit dem Papier zusammen. Damit hast Du 100% Information vom Negativ zum Print. Das mit den Unikaten, da ist etwas, das etwas Haptisches bekommt.
Jula, Paschewa, Ukraine 2007 (© Klaus Mähring)
Ich habe in der Fotografie von Anfang an mit Falschentwicklungen gearbeitet. In diesem Fall sind es Diafilme, die als Negative entwickelt wurden. Einer der Gründe warum ich nicht digital arbeite ist, dass ich genau mit diesem Filmmaterial meine Farbwelt für diese Portraits gefunden habe.
Mural about the Nomadic Village, Bulgaria 2009 (© Klaus Mähring)
Der Prozess ist: Ich finde eine Wand und gehe hin und male sie weiß aus. Dann gibt es einen Moment, der für Fotografen ungewöhnlich ist, man steht vor dem weißen Canvas. Das kennt der Maler sehr gut, aber nicht der Fotograf. Für mich war das ein total irrer Moment. Dann lässt man das einen Tag trocknen. Am nächsten Tag bringt man dort Gelatine als Trägerschicht auf, das ist Tag 2, dann muss das auch trocknen. Dann baue ich drum herum ein Dunkelzelt auf, lasse das so abdunkeln, dass es zumindest in der Nacht zappenduster ist. Dann wartet man, bis es dunkel genug ist, bringt diese Emulsion auf, die muss gut durchtrocknen, obwohl die drei Tage hat man nicht, weil man nur eine Nacht hat. Im Normalfall bringt man die um 9 oder 10 Uhr auf, steht dann um 5 Uhr auf und belichtet das Negativ drauf und entwickelt dann mit Pinseln, Entwickler, Wasser, Fixierer, Wasser, Wasser, Wasser. Dann hat man da ein Ding an der Wand, das hält 100 Jahre und mehr. Das ist ziemlich für die Ewigkeit.
Nela, Paschewa, Ukraine 2007 (© Klaus Mähring)
Wenn man sich frei die Route wählen kann, dann kommt man auch in entlegene kleine Dörfer. Wir waren in der Ukraine, sind links abgebogen, weil da eine schöne Ruine war, und daneben war ein Dorf mit 100 Einwohnern. Dort habe ich ein Portraitstudio aufgestellt und dann zwei Tage lang Leute, die vorbei kommen gefragt, ob ich sie fotografieren kann. Dann zwei bis drei Tage dort bleiben, die Bilder entwickeln, und den Leuten auch die Bilder geben oder eine kleine Ausstellung machen, was den Kreis schließt, der in der Fotografie üblicherweise offen bleibt.
Old Man, Moldova 2005 (© Klaus Mähring)
Slavko, Paschewa, Ukraine 2007 (© Klaus Mähring)
Porträts
Ich finde Bilder, die ich suche und das bedeutet, ich finde Menschen, die ich suche. Ich habe dabei keinen dokumentarischen Ansatz. Es ist alles sehr ikonenhaft. Es sind Ikonen jenseits der uns bekannten Welt.
So Far, Ukraine 2008 (© Klaus Mähring)
Ich habe in der mobilen Dunkelkammer die ganzen Bilder on the road geprintet, unter wie immer sehr improvisierten Bedingungen. Da bekommen die Bilder auch eine eigene Farbwelt, werden zum Teil dreckiger und so. Das ist eine Serie, die auch nicht mehr nachzuprinten ist, denn diese Bedingungen kann man nicht nachstellen.
Young Man, Paschewa, Ukraine 2007 (© Klaus Mähring)
Ich mache pro Person nur ein Negativ, nur einmal abdrücken. Ich beeinflusse die Leute wenig. Mit der Großformatkamera, mit der ich arbeite ist es ja so, die Leute stellen sich auf eine Linie, und dann muss man scharf stellen, den Film rein tun, und die Leute müssen eine Zeit ruhig stehen, und dann sage ich: So, jetzt bitte zum Objektiv schauen. Bei Porträts ist es einfach essentiell, wie der Augenkontakt ist. Man hat das schwarze Tuch über den Kopf, das Ganze ist ein Ritual, das den Leuten sehr sympathisch ist. Es ist den Leuten etwas wert, wenn man so archaisch arbeitet. Die Leute reagieren anders, wenn sie etwas sehen, etwas, das sie aus ihrer Kindheit aus den Schwarzweiß-Filmen kennen, wenn der Fotograf mit dem Tuch über dem Kopf und dieser Ziehharmonika arbeitet.
Werkschau Klaus Mähring
„10 Jahre On The Road“
08. bis 10. April, 14.00 bis 20.00 Uhr
12. bis 16. April, nach Vereinbarung
Atelier On The Road Productions
3., Ungargasse 25, Wien
Terminvereinbarungen:
0699/10316027