Warum Rae Spoon auf »Love Is A Hunter« sein heißgeliebtes Banjo an den Nagel hing und was es mit Gender im Pop auf sich hat, haben wir aus dem kanadischen Singer/Songwriter im Interview herausgekitzelt.
1980 in der kanadischen Einöde als Mädchen geboren, zieht Rae Spoon seit seinen frühen 20ern als queerer Countrysänger durch die Lande. Über die Jahre wechseln die Instrumente vom Banjo zur Akustik- und schließlich zur E-Gitarre, der musikalische Einschlag geht vom Cowboy-Folk mit Punk-Einschlag in Richtung moderner Folktronica. Persönliche Geschichten vom Aufwachsen in Alberta als Transgender in einer erz-christlichen Familie durchziehen die Songs ebenso wie eine melancholische Schwere, die die kanadische Prärie ihren Bewohnern dann wohl einhaucht.
Seine Balladen voll Wortwitz und Existenzialismen trägt Rae Spoon mit zerbrechlicher Stimme vor und räumt darin Gefühlswallungen unter der Discokugel, Hoffnung und der eigenen Identität mit all ihren Widersprüchlichkeiten den nötigen Platz ein. Vor allem Letzteres ist ein wichtiges Thema für den Musiker. Das machen auch diverse mit Akustik-Gitarre instrumentierte LoFi-Cover-Versionen deutlich, die Rae Spoon auf seinem Youtube-Channel versammelt hat, etwa die von Beyoncés »If I Were A Boy«, das die verletzliche Position der Frau im heute weiterdenkt und aus Spoons Warte zum Manifest für Transgender-Personen und sexuell alternativ Orientierte wird.
Dieses Thema ist auch auf dem zuletzt erschienenen Album »Love Is A Hunter« zentral. Was die Instrumentierung betrifft, beschreitet Rae Spoon aber neue Wege und macht sich – geprägt durch einen längeren Aufenthalt in Berlin – zunehmend mit Electronica und Pop vertraut. Ein ungewöhnlicher, aber interessanter Mix aus Beichtstuhl-Lyrics und tanzbarem Elektro-Pop ist das Resultat. Die einfach gehaltenen Songstrukturen spiegeln zwar immer noch Rae Spoons Background als gitarrenzupfender Folkie wider, Songs wie »You Can Dance« und »dangerdangerdanger« vermengen aber Retro-Pop-Melodien mit tanzbaren Grooves, die nur darauf warten, vom richtigen DJ auf den Plattenteller gepackt zu werden.
Der Titel deines letzten Albums lautet „Love Is A Hunter“. Was meinst du damit? Ist Liebe nicht eigentlich etwas, dem viel zu oft nachgejagt wird?
Ich habe das Album so genannt, weil ich das Thema Liebe als etwas erforschen wollte, das sich manchmal schwer vermeiden lässt. Da spielt klarerweise auch das Thema des Nach-Liebe-Suchens hinein und vielleicht auch jenes des Gejagt-Werdens, wenn man queer ist. Und natürlich die Spannungen zwischen diesen beiden Themen, die die Art von Liebe, nach der man sucht, zu etwas Gefährlichem machen.
Anderes Thema: Wie hast du dich eigentlich in die Musik verliebt? Würdest du das Ganze mehr als Affäre sehen, oder als etwas, das darüber hinaus geht?
Ich habe angefangen Musik zu machen, als ich noch sehr jung war. Das war immer Teil der Kirchengemeinde, in der ich aufwuchs. Angefangen, mich wirklich für Musik zu begeistern, habe ich aber wahrscheinlich erst, als ich begann, meine eigenen Songs zu schreiben. In der High School wusste ich dann, dass ich später von Musik leben wollen würde.
Dein neues Album deutet ja einen Umschwung von den traditionellen Folktönen deiner Heimat zu elektronisch Beeinflusstem an. Wie kam es dazu? In welchem Musikgenre fühlst du dich mehr zuhause?
Ich bin vom Folk zur elektronischen Musik gekommen, als ich in Berlin gelebt habe. Dort war ich einfach ständig mit diesem Genre konfrontiert und das hat mich dann dazu inspiriert, selbst zu lernen, wie man einen Computer zum Instrument macht. Heute fühle ich mich in beiden Genres gleichermaßen wohl.
Nächstes Jahr bringst du ein neues Album heraus. Darf man da wieder etwas ganz Neues erwarten?
Das neue Album bleibt der elektronischen Schiene treu. Ich sehe es als weitere Station auf meiner Reise ins Land der elektronischen Musik an. Es wird „I can’t keep all of our secrets“ heißen und sich mit dem Thema Trauer auseinandersetzen.
Welche Botschaft willst du mit deiner Musik vermitteln?
Ich suche gern nach Kernthemen für meine Alben. Die Songs sollen aber immer offen für die Interpretation durch den Zuhörer sein.
Bei der Internetrecherche bin ich immer wieder auf Artikel gestoßen, die thematisieren, dass du Transgender bist. Findest du, dass das Geschlecht eines Musikers zerpflückt werden sollte oder ist das etwas, das nur vom eigentlichen Schaffen ablenkt?
Ich denke, dass das Geschlecht eines Künstlers für das Publikum sehr wohl gewisse Dinge in einen größeren Kontext stellt. Ich für meinen Teil finde es besser, wenn die Leute wissen, dass ich Transgender bin. Viele meiner Texte basieren auf dieser Erfahrung und ohne dieses Wissen würden sie weniger Sinn ergeben.
Jetzt im November spielst du ja am Blue Bird Festival in Wien. Freust du dich schon darauf? Was erwartest du dir davon?
Ich bin schon richtig aus dem Häuschen. Ich interessiere mich sehr für Songwriter und glaube, die Veranstalter haben ihre Sache gut gemacht und viele verschiedene Ansätze eingebunden. Es sollte wirklich großartig werden!
Gibt es da ein paar Acts, auf die du dich besonders freust?
Ich weiß, dass eine Menge großartiger kanadischer Musiker spielen werden, wie Woodpidgeon und Wendy McNeil. Mika Vember werde ich mir bestimmt auch ansehen.
Rae Spoon tourt Ende November durch Österreich und macht vor seinem Auftritt beim Blue Bird Festival im Wiener Porgy & Bess (26.11.) auch Station in den Bundesländern:
23.11. Kufstein / Kufa
24.11. St. Pölten / Cinema Paradiso
25.11. Salzburg / ARGEkultur