Open Culture jetzt real-politisch: Günther Friesinger, Kurator des Paraflows, im Interview über die Bedeutung der Open Culture, die Selbstermächtigung der Bürger und die Angst der Politiker…
In welchen gesellschaftlichen Bereichen fehlt das Konzept der Open Culture, wo werden Individuen daran gehindert, selbst mächtig an wichtigen Entscheidungen in der realen Umgebung mit zu wirken?
In der Politik; in Österreich wurde z.B. sehr lange über ein "Demokratiepaket" verhandelt, das Volksbefragungen und -abstimmungen initiieren sollte. Es wurde – „leider Gottes“ – wieder verschoben, was bei vielen Menschen große Frustration auslöste – sie fühlten sich ohnmächtig, wie ein kleines Rädchen in der großen Maschine Staat. Die Politik muss handeln, statt Lippenbekenntnisse zu machen und ganz aktiv Menschen mit gestalten lassen. Gerade eben – direkt vor der nächsten Wahl – herrscht wieder spürbar großes Interesse bei den Menschen, sich zu engagieren. Es gibt aktuell wieder extrem viele Kleinparteien, die um Stimmen werben und sie finden auch Zulauf – das zeigt doch, dass da etwas schlummert in unserer Bevölkerung. Es gibt viele, die etwas tun möchten, wenn man sie nur lässt.
Was die Politik hier zu Lande leider immer öfter macht; sich nur für sehr populistische Dinge ein zu setzen. In der ganzen Geschichte Österreichs wurde das Instrument der Volksabstimmungen nur zweimal eingesetzt und verliert damit große politische Wirkung. Einmal gab es die Abstimmung über das AKW Zwentendorf in den 70er Jahren, dann in den 90er Jahren zum EU Beitritt und nur eine Volksbefragung zum Bundesheer im Jänner 2013.
Aber eigentlich hat die Politik eher Angst vor den Bürgern. Sie muss sich öffnen. Die Politik ist ein sehr sehr geschlossenes System mit sehr definierten Spielregeln, die für viele nicht durchschaubar sind. Dieser Aspekt ist Dreh- und Angelpunkt der Problematik und auch das, was die Politik in der Hand hat. Wenn sie aber nichts dagegen tut, werden die Menschen immer frustrierter – immer weniger gehen zu Wahlen, fühlen sich betrogen. Wenn Politik aktiver wäre, könnte man dieses Bild auch abbauen. Es gibt nämlich einige Politiker, die gerne dahingehend etwas tun würden, aber zwischen dem politischen System und der Bevölkerung ‚zerrieben‘ werden.
Sie verstehen Open Culture als „kapitalistische Verjüngungskur“?
Ich glaube, dass freies Wissen, Zugang zu Informationen, zu Ideen und Erfindungen die Motoren unserer Gesellschaft sind und unsere Chance, diese Gesellschaft weiter zu entwickeln. Nehmen wir das Beispiel des Musik Sharing; verschiedene Plattformen wie Napster wurden anfangs von der Industrie bekämpft bis sie endlich erkannte, dass deren Nutzerinnen bereit wären, für Musik Geld zu bezahlen. Aber das wäre nicht passiert, wenn die User letztendlich nicht revoltiert hätten und gesagt: das ist unsere Lebensnormalität!
Paraflows 8 – Festival für Digitale Kunst und Kulturen vom 12. September bis 13. Oktober in Das Weisse Haus.
Programm im Überblick: Eröffnung am 12. September; Ausstellung vom 13. September bis 13. Oktober; Symposium vom 13. bis 15. September; Workshops vom 16. bis 20. September und Konzertreihe vom 19. bis 22. September