ORF vs Popmusik

Das Engagement des ORF für heimische Popmusik ist seit heute eines: vernichtend.

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Der ORF beteiligt sich nicht länger am Österreichischen Musikfonds (siehe Kasten links), also Geld, das ganz unmittelbar Musikern zu Gute kommt, keinen Labels, keinen Plattenbossen, nein, den Künstlern. Für die jämmerliche Arbeit von Musikern kann das den Unterschied zwischen Weitermachen und Aufhören bedeuten. Der Musikfonds ermöglicht Alben, die ohne dieses Geld gefährdet sind. Ja, klar gibt es auch Musik, die daheim am Laptop gemacht wird, Liedermacher mit Gitarre, aber selbst die brauchen einen Produzenten, ein Cover, Mastering, vielleicht ein Logo. Popmusiker haben heute eh nur noch sehr selten das Ziel sich eine Villa zu kaufen. Aber zumindest verschulden sollte man sich nicht müssen. Denn wer heute bei Trost ist und die Gesellschaft verändern will, macht ohnehin eher eine App, Kunst oder ein Game.

Wir haben Musik noch nicht ganz aufgegeben. Sie ist doch immerhin Teil der Sieben Künste. Daran kann auch der ORF nichts ändern. Dass seine Einsparungen nun doch wieder zuerst Popmusik und die Künstler selbst treffen, ist leider bezeichnend.

Hi Brow vs Pop

Lange wurde spekuliert wo der ORF sparen sollte, von FM4 war die Rede, vom Radiosymphonieorchester, ein einziger Musikantenstadl weniger würde eine Million Euro bringen – jedenfalls sollte abseits der Kernaufgaben gespart werden, dem Programm. Und das erfüllt ja bekanntermaßen einen Auftrag, einen gesetzlichen Auftrag, nämlich unter anderem „die Vermittlung und Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft“ und „die angemessene Berücksichtigung und Förderung der österreichischen künstlerischen und kreativen Produktion“. Nun, solange „die Darbietung von Unterhaltung“ gesichert ist, scheint das nicht so tragisch. Denn gleichzeitig wurde verkündet wie super Olympia in Sotchi wird, dass Vera Russwurm eine Show am Samstagabend bekommt und Übertragungen von den Bregenzer Festspielen und Grafenegg kein Problem sind. Popmusik ist verzichtbar, korrigiere, verzichtbarer.

So wie Beatrix Karl

Auf die Kritik an der Streichung reagiert der ORF beinahe so armselig wie Ministerin Beatrix Karl letztens auf die Vorwürfe es könnte etwas im Jugendstrafvollzug nicht stimmen, mit allgemeinen Floskeln, die nett klingen, aber halt an den Fakten vorbeigehen. Der ORF hat im Fernsehen Popmusik aufgegeben (Die Grosse Chance, ZiB24 Berichte über Livekonzerte und ein Beitrag pro Monat im Kulturmontag sind nicht einmal ein Strohhalm). Es gibt eine Quote für Musik aus Österreich im Radio, aber die ist freiwillig. Bleibt das gallische Dorf FM4, das natürlich enorm wichtig ist und hervorragende Arbeit leistet, im Hauptprogramm und nachts. Aber FM4 deckt nur ein Segment ab. FM4 reicht nicht. ORF III reicht nicht. Selbst bei seiner sinkenden Bedeutung und einem Marktanteil von unter zehn Prozent für ORF Eins wäre der ORF immer noch der wichtigste Förderer. Da tun die 100.000 Euro besonders weh. Weil sonst zu wenig passiert.

Der ORF muss sparen

Nun ist es leicht zu jammern. Der ORF muss sparen, denn er wird weiter Marktanteile verlieren. Inhalte sind heute global verfügbar, als Streams und auf Youtube, Medien werden zu Kuratoren und Rückkopplern. Für diesen kulturellen Umbruch scheint der ORF keine passende Vision und keine Strategie zu haben, dafür, was es bedeutet ein öffentlich-rechtliches Interesse zu vertreten – also alle Menschen in einem Gebiet zu versorgen und nicht einfach nur ihren kleinsten gemeinsamen Nenner. Der ORF wird nun die Vielfalt seiner Aufgaben immer schlechter erfüllen können. Dass nun zuerst an Popmusik gespart wird, direkt an den Künstlern, verheißt für die Zukunft nichts Gutes.

Auf der anderen Seite ist Musik in Österreich in den letzten zwölf Jahren um mehr als zwei Drittel geschrumpft. Wiederhole, zwei Drittel, puff, weg. Genauer gesagt ist die Musikindustrie geschrumpft. Hätte nun österreichische Popmusik eine bessere Lobby – eine wie die von Pensionisten oder Bauern beispielsweise und nicht diese gestrigen Bürokraten von jetzt gerade – würden bei dieser dramatischen Gesamtsituation zumindest die schlimmsten Folgen von der Politik abgefangen werden, sei es mit einer Verlängerung der Leerkassettenabgabe, indem man die Urheberrechtsgesellschaften reformiert, den Österreich-Schwerpunkt beim Eurosonic ausreichend fördert oder einfach die vergleichsweise kümmerlichen Gelder des Musikfonds aufstockt. Ja natürlich lässt sich große Kunst nicht einfach erzeugen, indem man ein paar hunderttausend Euro nach ihr wirft. Aber dann könnte man ja genau so gut den Wiener Philharmoniker ihre 2,2 Mio Euro wegnehmen und sagen, spielt doch, für die Kunst.

Die flimmern immerhin einmal am Jahresanfang über Millionen von Bildschirmen. Österreichische Popmusik hat dagegen – im Unterschied zu Film und Kunst – in den letzten Jahren keine internationalen Preise produziert oder herzeigbare Fotos von Festivaleröffnungen und Galas. Ohne die 100.000 Euro des ORF wird erst einmal so bleiben.

Eine Petition gegen die Einstellung kann man hier unterschreiben. Eventuell liest ORF-Chef Alexander Wrabetz aber auch selbst die an ihn adressierten Tweets.

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