We Found Love In A Hopeless Place

Online "nur zum Schauen", für einen One-Night-Stand oder die große Liebe. Internet-Dating ist so vielschichtig wie seine Nutzer. Von Selbsterkenntnis und -inszenierung über Algorithmen bis zu Romantik.

Entschleunigung

Wir kennen es von Projekten wie This is My Jam, einer Seite, deren User pro Tag nur ein Lied posten dürfen – ein krasser Gegensatz zu den unendlichen, musikalischen Weiten von Spotify u.ä.: Aufs Überangebot folgt Reduktion und Entschleunigung. So auch bei Fixzsam.at. Über die Schreibweise des Wortes besteht genausoviel Kontroverse wie darüber, ob die neue Website von Catherine Hazotte und Maximilian Mauracher ein dreister Klau des deutschen Projekts Imgegenteil.de sei. Das erste Problem werden wir wohl nicht klären können, das zweite ist insofern keines, als Im Gegenteil Singles in Berlin und Hamburg verkuppelt, Fixzsam in Wien. Selbst wenn die beiden Schmusevermittler abgeschaut hätten, besteht immer noch ein großer Unterschied zwischen Plagiat und Adaption.

Die etablierten Blogger portraitieren nur zwei Singles pro Woche und versuchen so, den Daten- und Fleischmengen, die andere Seiten und Apps liefern, Qualität und Tiefe entgegenzusetzen. Auch wenn das ganze eine gewisse Hipster-Optik hat, betonen die Macher, niemanden abweisen zu wollen: "Wer sich meldet, wird auch vorgestellt."

Irreplaceable Mingles?

Der Wunsch nach persönlicheren Plattformen würden Hobbypsychologen vermutlich als Gegenkonzept zum postulierten Mingle-Mindset erklären, das von Dating Apps und Internet Dating im Allgemeinen mit dem schier unendlich wirkenden Quell potenzieller Partner unterstützt wird.

Trendforscher (wer sonst?) haben sich nämlich mal wieder eine Bezeichnung für Menschen, die sich nicht fixieren wollen, schnell bereit sind den Partner zu wechseln oder gleich mehrspurig zu fahren, ausgedacht: Mingles eben. Die Neuschöpfung ist eine Mischung der beiden Worte mixed und singles und spielt auch mit der Bedeutung vom englischen to mingle – "sich unter Leute mischen". Außerdem reimt sich Mingle auf Schlingel – was will man mehr.

Menschen legen sich nicht mehr fest, aus Sorge etwas Besseres zu verpassen, wollen andere und sich nicht in Beziehungen einengen, die mitunter schon als armes, fades Gefängnis fürs Ich gelten, heißt es. Die Fear of Missing Out, kurz und gerne auch mit Hashtag #fomo genannt, ist die Urangst des Mingles. Auch Menschen, die in monogamen Beziehungen leben, fürchten sich vor der Mingle-Keule, weil sie durch Online-Dating einen Partner gefunden haben. So berichtet ein Bekannter, nur sehr guten Freunden zu erzählen, dass er seinen Partner auf GayRomeo (jetzt: PlanetRomeo) kennengelernt hat. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Beziehungen, die via Internet zustande gekommen sind, oft nicht ernstgenommen werden, nicht als "echt" gelten.

Dich kauf ich mir

Denn auch wenn Online-Dating in seinem Facettenreichtum mittlerweile nicht mehr das Stigma des letzten Strohhalms anhaftet, stehen der Sache immer noch viele Leute – und unter ihnen auch Digital Natives – kritisch gegenüber. Zu unpersönlich, zu oberflächlich, zu mühsam und wie gesagt: nicht "echt".

Wir verbringen aber nun mal immer mehr Zeit im Internet. Warum also nicht dort, wo man ohnehin ist, jemanden kennenlernen. Das größere Problem ist die Angst, dass Menschen durch Online-Dating zu Konsumgütern verkommen. Dass die Nachricht an eine attraktive Person ein emotionsloser Vorgang gleich dem Kauf einer attraktiven Hose wird.

Das sind berechtigte Zweifel, und noch ist nicht abschätzbar, wie Dating Apps und Internet-Services das Beziehungsverhalten der Zukunft prägen werden. Doch eröffnet das Dating im Netz auch neue Möglichkeiten: Eine Freundin, nennen wir sie Sophie, schickte einmal einem Chatpartner ein Foto von sich beim Handstand, weil er ein Lied gut fand, in dem das Wort "Handstand" vorkam. In einem persönlichen Gespräch hätte sie nicht angefangen zu turnen. "Ich finde das Internet kann sehr romantisch sein", sagt sie.

Illustrationen: Sophie Gogl macht gern Dinge in Paint. Besonders mit OKCupid-Profilen. Foto: Thomas Wieflingseder.

Bild(er) © Thomas Wieflingseder, Sophie Gogl
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