Neue Austrian-Apparel-Sounds, um sich in den Club zu meditieren. Zur aktuellen Single hat uns das Electronic-Duo ein paar Fragen beantwortet.
Ja, die Autorin dieses Textes hat es geschafft, weder in der Überschrift, noch in der Einleitung einen Wortwitz über Wale zu machen. Denn das Tier, mit dem man so viel Buchstaben-Spaß haben kann, spielt eine prominente Rolle im Musikvideo zu »Hi Vis 5«. Viel wichtiger aber: Die Single ist einer der Vorboten für das kommende erste Album von Dominik Traun und Sebastian Wasner, das im Juni erscheint. Seit einigen Jahren sind die beiden als Austrian Apparel in diversen Clubs zu hören und vor allem für ihre Live-Sets bekannt. Ihre Songs spielen sie bei jeder Performance neu ein, wodurch sich Mood und Ausrichtung ihrer Musik stetig ändert – eine musikalische Kunstform, die unter Corona besonders leidet. Anlässlich ihrer ersten LP und dem wunderbaren Musikvideo zur dritten Single-Auskopplung haben wir mit ihnen über Inspiration und Club-Verbot geschrieben.
Eure Inspiration für »Hi Vis 5« war die Band Boards of Canada. Warum gerade sie?
Boards of Canada ist einer der wenigen Acts, die als reine Musik existieren. Es gibt keine Live-Auftritte, keine Online-Präsenz, keine Selfies und nur eine Handvoll Interviews. Niemand weiß eigentlich genau, wer sie sind oder wo sie genau wohnen. Auch dass sie eigentlich Brüder sind haben sie erst einige Jahre nach der Bandgründung beiläufig in einem dieser selten Interviews erwähnt. Genauso wie ihre mysteriöse öffentliche Darstellung erzeugt ihre Musik eine nostalgische Gefühlswelt, die nur schwer zu beschreiben ist. Wie als hätte man ein Déjà-vu einer Empfindung mit besonderer Wichtigkeit und Bedeutung. Eine Erinnerung an etwas Wunderschönes, das aber dennoch nie stattgefunden hat. Boards of Canada sind für uns einfach die Heroes der elektronischen Musik und dieser Track ist eine Hommage an sie. Der Grund dafür bleibt uns verschlossen und lebt als neu erschaffene Erinnerung, die nie stattgefunden hat weiter, in alle Ewigkeit. Hoffentlich …
Im Video dazu spielen Wale eine große Rolle. Haben sie eine besondere Bedeutung für euch?
Das Video wurde von @soupofbidet erschaffen, wir haben ihn über instagram »kennengelerent«. Er hat von uns keinerlei Vorgaben erhalten hinsichtlich der kreativen Gestaltung. Über Instagram waren wir schon lange Fans seiner Arbeit und haben ihm freie Hand gelassen. Das Resultat hat uns sofort überzeugt und es ergänzt unsere Bilder im Kopf, die uns beim Musikmachen so gut wie immer begleiten, perfekt. Außerdem lieben wir alle Tiere.
Euer Debütalbum »AAplus« beschreibt ihr anhand der Gegensätze Licht und Dunkelheit – Licht als Vertreterin von experimentelleren Ansätzen und Dunkelheit als klassischere Club-Umgebung. Sind alle Songs buchstäblich der einen oder anderen Seite zuzuordnen oder mischen sich beide durch die gesamte LP?
Die erste Hälfte »Light« bewegt sich ausschließlich in dem Bereich, der um Techno herum tänzelt, nimmt aber Abstand von dem Raster, den ein 4-to-the-floor-Bassdrum-Rythmus vorgibt und kann damit auch abseits vom Dancefloor »glänzen«. Wie zum Beispiel eben »Hi Vis 5«. Es sind irgendwie nicht einordbare, melodiöse Tracks die mit unvorhergesehenen Wendungen spielen, welche in elektronischer Musik selten zu finden sind.
Die zweite Hälfte »Dark« fügt sich der Nacht und lässt uns wegschwappen in die hypnotischen Zustände und die Hingebung der unausweichlichen Dynamik und maximalen Entschlossenheit der allmächtigen Bassdrum.
Alle Tracks dieser dunklen Seite haben wir mit unserm Livesetup in der leeren Grellen Forelle aufgenommen. Wir wollten diese Klänge fürs Album auch tatsächlich einfach an Ort und Stelle, wo dieser Sound unserer Meinung nach am besten hinpasst, entstehen lassen. Dass der Club dann zum Release tatsächlich leerstehen muss ist natürlich eine böse Ironie.
Es ist auf eine Art natürlich ein Konzept-Album, das nach diesen Vorgaben funktioniert. Wir wollten auch auch ein Statement gegen die vorherrschende »Single-Kultur« setzen und ein Werk abliefern, das unsere gesamte Sound-Bandbreite darstellt.
»AAplus« erscheint 3 Jahre nach eurer Debüt-EP »Planetary Magnitude«. Wie sehr hat sich euer Sound seither verändert?
Unser Sound war eigentlich schon damals geprägt vom Dialog zwischen einer sanften Melancholie und der harten, technoiden Soundwelt. Auf der einen Seite die Melodie und die Entfaltung einer Art Geschichte / Dramaturgie, und auf der anderen der erbarmungslose elektronische Rhythmus, der aber dieses zerbrechliche Gut schützend und umarmend ins Universum und in euere Ohren bringt. Außerdem haben wir in der Zwischenzeit ein paar neue Synthesizer ergattert …
Ihr seid ja hauptsächlich für eure einzigartigen Livesets bekannt. Wie sehr trifft euch die Zwangsschließung aller Clubs?
Es hat uns sehr hart getroffen, da wir natürlich zu einem sehr großen Teil davon gelebt haben. Die staatliche Unterstützung ist zwar vorhanden, reicht aber bei weitem nicht aus, um die latente Existenzangst, die sowieso immer da ist als Musiker, abzuschütteln. Wir haben uns entschlossen, das Album trotzdem rauszubringen, ganz einfach aus dem Grund, weil wir es mit unseren FreundInnen und Fans teilen und hören möchten und natürlich auch, weil wir es selber endlich hören wollen. Dafür ist Musik da, ein Ausdruck unserer tiefsten Empfindungen, die wir nicht in Worte fassen können. Als Musiker brauchen wir diesen Output, sonst geht es uns einfach nicht gut. Wir hoffen, es wird sich bald bessern.
Ein kleiner Lichtblick: Wir werden am 3. Juli, zwei Wochen nach dem eigentlichen Erscheinungsdatum, ein kleines Release-Fest in der Grellen Forelle feiern. Tickets werden da natürlich sehr limitiert sein, aber wir freuen uns natürlich über alle, die dabei sein können.
Austrian Apparel veröffentlichen mit »Hi 5 Vis« und dem dazugehörigen Musikvideo ihre dritte Single als Vorboten zum Album »AAplus«, das am 19. Juni erscheinen wird. Hier kann man es vorbestellen.