Weißes Gold

Wenn Hip Hop am Ende einer Entwicklung von geschätzten 40 Jahren steht, und diese ursprünglich aus New York lärmende Musik im Lauf der Zeit so viele Gefühlsspektren wie Kleidungsstile durchgemacht hat, darf man sich fragen: Wie geht es? Durchaus gut. Freddie Gibbs und Pusha T zeigen Wege zwischen hart und weich.

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Vielfalt im Rap ist nichts Neues. Seit Mitte der Neunziger ist das (politische) Gewissen stetiger Begleiter vieler Geschichtenerzähler. Conscious Rap hieß das damals, war seit damals mal mehr, mal weniger aktuell. Heute ist ist ein lyrisch sanftes Textbild – im Vergleich zu gerappten Krimi- und Drogenanekdoten – ganz klar auch wieder businesstechnisch durchaus umzusetzen. Und doch zeiht sich ein Spalt zwischen diese zwei Welten. Auf der einen Seite gibt es moderne Soulpoeten wie Kendrick Lamar, die zwar auch aus dem Ghetto kommen, aber ihre Geschichte mit Finesse und Charme erzählen. Auf der anderen lauern derweil junge Rapper wie Chief Keef, die mit ihrer Glorifizierung von Gewalt, Drogen und Geld den Hörer sowohl oral als auch aural auf die Probe stellen.

Irgendwo in der Mitte

…liegt Pusha T. Auch hier sind Drogen ein Thema, aber Pusha ist smart, gewitzt. Kommt vielleicht aus der gleichen Gegend, aber hat nicht das gleiche Mindset. Hart wie Beton, glänzend, unbeschwert, oldschool: so ähnlich lassen sich die zwölf neuen Nummern vom neuen Album „My Name Is My Name“ beschreiben. Der Albumtitel passt, vielleicht auch nur zufällig, sind das doch auch eine der letzten Worte von Marlo Stanfield, Baltimores Gangsterboss in "The Wire", einer Serie, die wie keine zweite Fiktion und harte Straße episch zusammendenkt.

Mit Clipse begründete der mittlerweile 36-jährige Pusha T. sein Hip Hop-Vermächtnis, das waren Ausnahme-Alben wie „Hell Hath No Fury“. Damals hauten Tracks wie „Mr. Me Too“ oder „Ride Around Shining“ einem mit der minimalistischen Produktion der Neptunes die Trommelfelle um die Ohren. Der Weg seither verlief ohne große Überraschung. Dennoch, Pusha T wirkt überzeugt, entflammt, voller Leben. Der Flow ist bestimmt, man versteht jede Silbe, keine Spur von Hangover. Drogen gehören zwar zum Business, professionell wirkt das alles trotzdem. Anscheinend kein Widerspruch.

Namen machen Leute

Klar sind Drogenraps nichts Neues: überall lauern Molly, Cocaine, Blunts, Pills. Pusha T schafft es allerdings, die Thematik anders zu verpacken. Auf „My Name Is My Name“ wird das alles mit subtiler Instrumentation, intelligenten Vergleichen und smarter Präsentation rübergebracht. Mit dem Mann kann man wohl gleichermaßen gut über die Mona Lisa wie über die beste Methode Kokain aus Mexico zu importieren plaudern. Es ist diese Mischung, die Pusha T aus dem Strom ähnlicher Rapper heraushebt. Gleichermaßen Mensch wie auch Straße und Dekadenz. Und ganz klar trieft diese Musik vor Überheblichkeit. Aber das macht sie auch so reizvoll. Es ist und bleibt hochklassiges Entertainment, und fühlt sich ein bißchen an wie ein Theaterstück über Midas.

Madgibbs = Freddie Gibbs und Madlib

Rap muss heute längst nicht mehr schwarz oder weiß sein. Das beweisen Leute wie Madlib – Jazz-Fanatiker, DJ, Produzent. Er arbeitete unter anderem mit J Dilla und bewies sich so als Mischung aus New- und Oldschool. Mit MF Doom stellte Madlib eines der besten Alben der 00er Jahre ins Hip Hop-Museum: Mit „Madvillainy“ überzeugten sie als Madvillain mit psychedelischen Grooves. Derzeit arbeitet der Produzent, der auch DJ und Rapper ist, mit dem aus Indiana kommenden Freddie Gibbs.

Der Gangster-Rap von Freddie Gibbs ist hart und direkt. Auf seiner neuen Solo-LP „ESGN“ sind die Beats oft nicht eigenständig genug. Der 808 Trap-Bass ist derzeit hoch im Kurs in Amerika. Doch Freddie Gibbs kann eines: rappen. Und das besser und gewitzter als die meisten Konsorten in der Hemisphäre des Pistolen-Hip Hop. Anfang des nächsten Jahres veröffentlichen Madgibbs ihr erstes Album heraus, „Piñata“.

Er rennt nicht mehr weg

Nicht jeder schafft es, mit der einzigartigen Produktion von Madlib zu harmonieren. Doch wenn es klappt, klappt es richtig. „Nigga ain’t runnin no more“ heißt es am Anfang von „Thuggin’“. Und es scheint irgendwie zur Nummer zu passen, die 2011 der erste Vorbote der Zusammenarbeit ist. Gibbs rappt über den Riffbeat von Madlib mit einer rauhen Bestimmtheit, die so etwas wie sein Markenzeichen geworden ist. Er erzählt vom Drogenbusiness neben dem Rapbusiness. Und wenn er betont dass er einen „fuck about your feedback“ gibt, fühlt man sich als Zuhörer gleichzeitig überrascht wie auch berührt.

Wie oft ziehen sich hier die Gegensätze regelrecht zu einer musikalischen Balance zusammen: das Instrumental schwebt in einer anderen Sphäre, während die Raps bodenständig rausgeworfen werden. Und diese Gegensätze machen die Zusammenarbeit zwischen den zwei Figuren auch so interessant. Mit der EP „Deeper“ wird das Publikum nochmal auf den kommenden Schlag vorbereitet. Man kann sich schon ungefähr denken, in welche Richtung das geht. Dennoch: bei Madlib weiß man nie, was aus der Plattenkiste herausgeholt wird.

Zwar erscheint die Kollaboration erst Anfang nächsten Jahres; es gibt jedoch viel, worauf man sich freuen darf. Bestätigte Gäste sind bis jetzt Raekwon, Mac Miller, Earl Sweatshirt, und noch mehr.

Pusha T’s erstes Soloalbum, „My Name Is My Name“, erscheint am 8. Oktober bei Good Music/Def Jam.

Madgibbs – das sind Madlib und Freddie Gibbs – veröffentlichten bereits 3 EPs, die letzte, „Deeper EP“, erscheinte am 24. September bei Madlib Invazion. Das Album „Piñata“ erscheint am 4. Februar des kommenden Jahres, ebenfalls auf Madlib Invazion.

Bild(er) © © Pusha-T.com, stonesthrow.com
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