Wenn das Schlachten vorbei ist

Der amerikanische Erfolgsautor T.C. Boyle beehrt am 2. Mai den Wiener Rabenhof. Im Interview mit Juliane Fischer spricht er über seinen neuen Schmöker und den Kampf zwischen Natur und Mensch. Das reicht von der Marihuanafarm bis zum Tierschutz und beruht natürlich oft auf einer wahren Begebenheit.

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Ihr neuer Roman wirft einen negativ apokalyptischen Blick auf die Zukunft unserer Umwelt; zugleich schreiben Sie sehr realitätsnah. Was glauben Sie sind spezifische Auswirkungen des Klimawandels auf Kalifornien und versuchen Sie speziell Naturkatastrophen hervor zu streichen, wenn Sie über die Zukunft schreiben? Was wäre in diesem Fall ihre Hauptwarnung?

Ich bin es nicht gewohnt jemanden zu warnen. Ich bin ein Schriftsteller und engagiert in den unterschiedlichsten Gebieten, die mich interessieren. Dass sich ein Großteil meiner Bücher um die Beziehung zwischen dem Mensch und der Umwelt dreht, liegt daran, dass diese Themen für mich am lebendigsten wirken. Im Jahr 2000 habe ich “A Friend of the Earth“ (deutscher Titel: „Ein Freund der Erde“), ein Buch über die globale Erwärmung und Projekte in den nächsten 25 Jahren geschrieben um abzuschätzen was die Effekte um 2025 sein werden. Nun befürchte ich, dass ich mit der Einschätzung von 25 Jahren zu optimistisch war: Wir leben jetzt schon der meteorologischen Chaoszeit, wie sie das Buch beschreibt. Mein aktuelles Werk “When the Killing is over” (deutscher Titel: „Wenn das Schlachten vorbei ist“) beschäftigt sich mit einem weiteren ökologischen Thema – dem Umgang mit den anderen Lebewesen der Erde. Was Ihre Frage speziell auf Kalifornien bezieht: Schwer zu sagen, sicherlich werden die Küstengebiete zunehmend bedroht sein. Wir haben mittlerweile schon Zeichen, die vor der Tsunami-Zone entlang des Hafengebiets von Santa Barbara warnen.

Die Recherche zu “Wenn das Schlachten vorbei ist” stelle ich mir ziemlich abenteuerlich und spannend vor. Wie haben Sie das erlebt?

Dieses Buch spielt sich auf zwei der Kanalinseln an der Zentralküste Kaliforniens ab: Anacapa und Santa Cruz. Beide sind Teil des Channel-Island-Nationalparks, und die am wenigsten häufig besucht werden, da es so schwierig ist hinzugelangen; man muss mit dem Boot hinfahren. Und ja, die Recherche war abenteuerlich. Ich habe viel Zeit damit verbracht, diese wilden Plätze zu erkunden. Das habe ich gemeinsam mti den Biologen unternommen, die die seltenen Pflanzen- und Tierarten untersuchen, die es auf diesen Inseln, die man auch “die Galapagos Nordamerikas” nennt, gibt. Das Beste war es mit Rachel Wolstencroft unterwegs zu sein: Sie war zuständig für die Beobachtung der Füchse auf der Santa Cruz Insel, das sind Zwergfüchse so klein wie unsere Hauskatzen. Das erforderte, um 5 aufzustehen, sich dem Marinekorps anzuschließen, das bergige Gelände rauf und runter, sich durch Schluchten, die nicht breiter sind als deine Schultern, zu schlingen, munter und lebendig auf Erden. Tatsächlich sehr spannend also.

Es ist ein weiter Weg von den College-Hobbygärtnern in "Budding Prospects" zu "When the Killing is done". Was hat sich in diesen 30 Jahren verändert – und wie wirkte sich das auf den Autor aus?

Den Vergleich zwischen diesen beiden Büchern mag ich sehr. Ersteres ist eine Comicnovelle über eine gescheiterte Marihuanafarm in Nordkalifornien, das zweite Werk ist eine dramatische Geschichte darüber wie wir Tiere behandeln. Thema ist auch der Kampf um Land und Ressourcen unseres Planeten. Beide beinhalten –obwohl in ihrer Art so unterschiedlich – den Bezug zur Natur. Wir erinnern uns, dass es die Natur selbst ist – angefangen bei Bären bis hin zu brutalem Wetter und schlechten Bedingungen – die sich verteidigt gegen die ratlosen Marihuanagärtner in “Budding Prospects” (deutscher Titel: “Grün ist die Hoffnung”).

Ich habe gelesen, dass Sie vor ein paar Jahren über Philip Roth sagten, er würde leben wie ein Mönch, sie könnten sich ihre Zukunft auch so vorstellen. Wie würden Sie ihren Lebenstil jetzt beschreiben?


Was ich damit sagen wollte, ist dass ich Roths Hingabe zu seinem Handwerk sehr bewundere: Er ist ein Vorbild. Sollte es mir von den unterschiedlichen Kräften des Universums in meinen späten Jahren vergönnt sein wie er zu werden – umso besser. Was meine aktuelle Lage angeht, ist alles gut. Ich habe eine Frau, die mich beschäftigt (auch in dem ich hinter ihr alles wegräumen muss), ich bin weiterhin produktiv und entdecke neue Themen und Schreibmethoden und ich habe eine Katze, die mich je mehr sie in die Jahre kommt, langsam auch toleriert.

Was wäre die Musik hinter “Wenn das Schlachen vorbei ist”?

Mozarts Requiem.

Das Buch ist eine Bibelstelle vorangestellt (Das erste Buch Mose 1,28), die Teil der Schöpfungsgeschichte ist. Was macht für sie den Reiz aus sich mit der Kraft von Religion und dem Handlungsspielraum der Menschheit zu befassen? Wenn die Zukunft vorherbestimmt ist, was macht uns so besonders neugierig darauf?

Ich hoffe, dass auch der Leser versteht, dass man die Bibelstelle auch ironisch lesen kann. In der westlichen Zivilisation wurde uns der Text gegeben, der unsere Existenz erklären soll und uns zeigen soll, wie wir zu leben haben. Ich stelle mir die Frage, ob es unser Recht ist, “ über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht” zu dominieren. Gerade wenn man das Ganze au seiner rationellen und atheistischen Sicht sieht, fragt man sich: Wer gab uns dieses Recht? Yahweh? Darwin? Und ist ein kategorischer Imperativ damit verbunden?

Einer ihrer ersten großen Texte befasste sich mit Mungo Park und seinem Versuch "Timbuktu" zu erreichen. Timbuktu war in der englischsprachigen Literatur immer eine Art "Utopia". War dies ein Grund, gleich mit einem solch fundamentalen Thema (und mit Mungo Parks Scheitern) zu beginnen? Anders formuliert: Sind wir alle auf der Suche und ist die entscheidende Frage dabei, wie wir mit dem Scheitern unserer Bemühungen umgehen?

Das Buch “Water Music” (deutscher Titel: „Wassermusik“), auf das Sie sich hier beziehen, windet sich um die “Entdeckung” des Niger Rivers, das zur Erklärung zusätzlich. Aber zu Ihrer Frage: Kurzgesagt Ja! Wir tun heroische Dinge, bilden Kulturen und zerstören gleichzeitig welche, wir sind glorreich und reflektierend, aber vergessen wir nie: Wir sind Lebewesen wie auch Tiere es sind und als solche dem Tod geweiht. Damit meine ich jetzt nicht individuell, aber kollektiv als Spezie Mensch gesehen. Dazu fällt mir Percy Bysshe Shelleys “Ozymandias” ein, wo eine Ahnung beschrieben wird, darüber was übrig bleiben wird von unseren grandiosen Gesellschaften.

Wie war das Feedback zu “Wenn das Schlachten vorbei ist” speziell in Ihrer kalifornischen Heimat, wo sich die Geschichte auch tatsächlich so abgespielt hat?

Zuerst verbrannten sie mich symbolisch, dann, als sie mich tatsächlich gefangen hatten, teerten und federten sie mich. Aber nachdem mir das nicht zum ersten Mal passierte, hatte ich einen kleinen Trick im Ärmel: Wenn man den kompletten Körper mit Vaseline einreibt, haftet das Teer nicht.

Das speichere ich ab unter "bewährte Tricks routinierter Schriftsteller" … Danke dafür!

"Wenn das Schlachten vorbei ist" von T.C. Boyle ist bereits erschienen. Am 2. Mai gastiert er im Rabenhof Theater Wien.

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