150 Ausgaben The Gap – das bedeutet 149 Momentaufnahmen im endlosen Stream, aber vor allem auch 149 Reflexionen über Pop und Kultur, über Kreatives und Berichtenswertes aus Wien und Umgebung, sprich: Österreich. "Wunder" sind in all den Jahren keine passiert.
Die Geschichte von The Gap ist eine Geschichte voller, nein, nicht Missverständnisse, sondern voller Beharrlichkeit. Was freilich nichts daran ändert, dass manch einer Beharrlichkeit mit Wundern gleichsetzt – oder gar verwechselt. Aktuelle Beispiele gibt es immer wieder. Bilderbuch etwa, und Wanda. Oder Ogris Debris. Oder Soap & Skin. Auch den Nino aus Wien, Parov Stelar und viele andere könnte man nennen.
Wunder kommen und gehen
"Es is‘ jo‘ grod Wiener Pop-Wunder", machte sich der Musiker Ernst Molden dieser Tage bei einer Buchpräsentation darüber lustig, dass er Nämliches derzeit jede Woche irgendeinem Feuilletonfuzzi aus Deutschland erläutern müsse. Einer wie Molden kann darüber klarerweise nur lachen. Er selbst, kurz nach der Jahrtausendwende eine Zeit lang übrigens auch als regelmäßiger Autor für The Gap aktiv, ist bald fünfzig und gehört, nach langen Jahren auf den Off-Bühnen, im Schatten – früher hätte man wohl "im Underground" gesagt – plötzlich irgendwie zum sympathischen Stadtinventar. Womöglich hätte man das früher sogar "Establishment" genannt. Mittlerweile sind diese dummen Vorbehalte vergessen und wir alle froh über jeden Künstler und Kulturmenschen, der von seinem Schaffen halbwegs leben kann. Einer wie Molden, der weiß, dass die Wunder kommen und gehen.
Die Beharrlichkeit überholt den Hype
Wien erlebt also wieder einmal einen Hype. Und sogar der Falter, einer der wenigen verlässlichen Pop-Begleiter im "Land mit dem A" (Rainer Krispel), schreibt am Cover von einem "Wunder". Nur weil sich plötzlich auch außerhalb der Probekeller und dem erweiterten Freundeskreis der ortsansässigen Bands jemand für Musik aus Wien interessiert. Doch genau dieser Terminus, Wunder, der trügt und glänzt darüber hinweg, dass dahinter natürlich Strukturen und Know-how stecken, und – wie immer – auch ganz schön viel Glück. Und eben Beharrlichkeit. Nix da also mit "Wunder".
Das war auch damals, 1998, nicht anders, als in der mittlerweile gentrifizierten Wiener Grundsteingasse auf G-Stone Recordings die legendären "K&D Sessions" von Peter Kruder und Richard Dorfmeister erschienen, die kurz darauf als Wegbereiter des "Vienna Sound" weltweit gefeiert wurden. Nur ein paar Monate später – ja, es ist verdammt hart, der Coolste und den Hinterherhechelnden ein paar Atemzüge voraus zu sein – hörten dann plötzlich auch die Proleten Kruder & Dorfmeister. Wanda und Bilderbuch wird es wahrscheinlich nicht anders ergeben. Aber egal. Sollte der Erfolg bleiben oder gar ausgebaut werden können, dann steckt dahinter Beharrlichkeit. Eben jene Eigenschaft, die – vor allem – auch The Gap auszeichnet, das kurz davor, 1997, gegründet wurde.
Zwischen Normalität und Aufgeregtheit
Die Geschichte von The Gap ist also genau genommen auch die Geschichte der Normalität zwischen der Aufgeregtheit; die Geschichte zwischen zwei Hypes. Begeistern haben wir uns auch für dazwischen aufgetauchte und wieder untergegangene Künstler und Kreative können – weit über die weltabgewandte Musikblase hinaus. Auch wenn – vielleicht unser Versagen punkto Positionierung – The Gap auch 2015 noch, zuletzt in einem Insert in der Zeit im Bild, als "Musikmagazin" bezeichnet wird. Das waren wir vielleicht 1997, als Fanzine. Nie aber waren wir weiter davon entfernt als 2015. Wie eh und je featuren wir Themen und Dinge, von denen wir meinen, dass sie – oftmals noch – zu wenig Aufmerksamkeit bekommen.
Als in The Gap das erste Mal ein gewisser Thomas Glavinic vorgestellt wurde, hatte der gerade in einem kleinen ehemaligen DDR-Verlag seinen Roman "Der Kameramörder" veröffentlicht. Heute gehört Glavinic zu den wenigen zeitgenössischen Bestsellerautoren des Landes und schickt sich – ebenfalls Stadtinventar – an, in die Rolle des prosaischen Wiedergängers von Wolfgang Bauer zu schlüpfen. Ja, früher hätte man "Establishment" gesagt. Vea Kaiser war 2012 sogar am Cover von The Gap bevor irgendjemand eine Ahnung hatte, was Blasmusik plötzlich mit Pop zu tun haben sollte.
Was bleibt ist Glamour und Diskurs
Irgendwann war dann aus dem "Magazin für Popkultur" (unser alter Claim) die "Plattform für Glamour und Diskurs" geworden. Für Pop brauchst schließlich a G’spür. Und Wissen. Von "Wundern" wollen wir deshalb auch künftig nicht sprechen, am allerwenigsten vom "Wiener Pop-Wunder". Denn das ist natürlich unglaublich kariert, kleingeistig und komplexbehaftet. Schließlich wäre beim ersten Erfolg der Sportfreunde Stiller damals – völlig zu Recht! – auch kein Mensch auf die Idee gekommen, formelhaft von "Münchner Wunderknaben" zu fantasieren. Genau: Glamour und Diskurs.
Und was kommt als nächstes? – Keine Ahnung. Aber jedenfalls mal lesenswerte Ausgaben und Artikel.
Thomas Weber, Herausgeber, @th_weber