White Trash Hype

Kultisch empfohlene Musikvideos im Netz, maschinengewehrartige Raps zu 90er-Techno-Kitsch, macho-prollige Gangsta-Optik und Bad-Boy-Texte in Afrikaans – Das Internet-Phänomen Die Antwoord aus Kapstadt gibt der Popwelt Rätsel auf.

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Alles, was man über Die Antwoord aus Kapstadt wirklich weiß ist, dass sie aus einer platinblonden Sängerin in goldenen Leggins, einem nerdigen DJ und einem dürren, weißen MC mit Bürstenhaarschnitt namens Ninja besteht. Die Informationslücke rund um das virale Internet-Phänomen wurde in den letzten Wochen nicht wirklich geschlossen, ein Phänomen, das sich mit einer Handvoll Musikvideos eines bis dahin völlig unbekannten Ghetto-Rave-Trios aus Kapstadt in kürzester Zeit und ohne jegliche Promotion auf mehr als zehn Mio. Klicks katapultierte.

MC Ninja, Yo-Landi Visser und Beatmaster DJ Hi-Tek nennen sich Die Antwoord. Ihre Sounds erinnern an Vanilla Ice und Scooter, unterlegt mit der Vocoder-Kinderstimme von Horror-Barbie. Gerappt wird auf Englisch und Afrikaans, der südafrikanischen Landessprache, die Texte sind teilweise so deftig, dass sie in Südafrika erst ab 22 Uhr im Radio gespielt werden dürfen. Ihren Style bezeichnet Ninja in Interviews als „Zef“, was soviel wie Proll bedeutet und den Lebenstil der weißen Arbeiterklasse in den südafrikanischen Suburbs bezeichnet. Für seine Knast-Tätowierungen hat Ninja angeblich schon Morddrohungen aus den Cape Flats bekommen, jenen in den 70er Jahren auf den Ruinen des District 6 errichteten Wohnslums, aus denen die meisten Gangs des Western Cape kommen – vor allem die Slums Nummer 26, 27 und 28, deren Codes er mit seinen Tattoos ironisiert.

In seiner letzten Band nannte sich Waddy Jones – so heißt Ninja im bürgerlichen Leben – Max Normal und trug Anzüge. Lokalen Medienberichten zufolge kommen Ninja und Yolandi aus einem gebildeten Haus, wohnen gemeinsam mit ihrer vierjährigen Tochter in Kapstadt und sind seit 15 Jahren aus diversen HipHop- und medialen Crossover-Projekten in Südafrika bekannt. Gestartet ist Waddy Jones 1994 in Johannesburg mit der leicht jazzigen Funkrock-Band The Original Evergreens, mit denen er zwei mäßige Alben auf Sony veröffentlichte. Ende der 90er erfand er sich mit dem Underground-HipHop-Projekt Max Normal neu, erhielt schnell über die Johannesburger Szene hinaus Beachtung und übersiedelte 2001 gänzlich nach Kapstadt. Dort begegnete er Jolandi Visser und legte gemeinsam mit DJ Hi Tek als Maxnormal.tv mit einem Media-Kollektiv los, das eine Art Soap Opera als Powerpoint-Präsentation bei ihren Electro-HipHop-Auftritten im Hintergrund laufen ließ. Daraus hat sich konsequenterweise die Idee zu Die Antwoord entwickelt, mit denen das Trio erstmals beim südafrikanischen Ramfest Festival im Februar 2009 aufgetreten ist.

Die Antwoord also nicht mehr als nur ein weiterer cleverer Media-Fake? Ja – und nein, denn darum geht es im Jahr 2010 nicht mehr: Authentizität ist längst aus der Popverkleidungskiste ausgemustert worden, die Genie-Ästhetik des Independent war gestern. Die Antwoord nutzen mit ihren Referenzquerschlägern lediglich die zeitgemäßen Inszenierungsmechanismen des Pop, und das auf ziemlich geniale Weise: Sie überzeichnen Vorurteile und schaffen damit maximale Irritierung bei ihrem Publikum. Entsprechend heftig wird in den Blog-Kommentaren über ihre Echtheit gestritten, werden Vergleiche mit scheinbar „realen“ Gangsta-Rappern wie 50 Cent bemüht.

„Meine Hauptinspiration sind Taxis. Hier in Südafrika spielen alle Taxis Rave. Wenn ein Taxi vorbeikommt, hörst du „doom doom doom“, sie spielen diese Rap-Rave-Mega-Mixes, die sich wie ein ganzer fahrender Nachtclub anhören. Unser ganzes Album basiert auf dem Sound, der aus diesen Taxis kommt – dieser High Energy Shit, den man mit nichts vergleichen kann“, sagt Ninja, angesprochen auf die eher schrägen Techno- und Euro-Dance-Elemente der Rap-Tracks auf „$O$“. Was bedeutet es für ihn, in seinen Texten Englisch mit der Sprache der sogenannten Afrikander, der weißen burenstämmigen Minderheit, zu mischen, deren Musik bisher eher konservativ geprägt war und die Apartheid glorifiziert hat?

„Hier in Südafrika hat man so viele verschiedene Einflüsse – Weiße, Farbige, Afrikaans, Xhosa, Zulu. Ich bin eine Mischung all dieser Dinge, all dieser verschiedenen Stämme, zusammengefickt in eine Person.“ Aha. Auf jeden Fall aber geben Die Antwoord mit ihren Texten und Flüchen in Afrikaans dem Ärger unzufriedener Jugendlicher in Südafrika Ausdruck, die sich von den politischen Verhältnissen benachteiligt fühlt. Die englischen Kolonial-Nachfahren in Südafrika erleben ihren Alltag beispielsweise inzwischen mit dem Gefühl von Fremdheit in dem Land, in dem sie geboren wurden, während sich die Buren-Nachkommen andrerseits immer noch stark auf ihre Sprache und Traditionen konzentrieren und diese mit einiger konservativer Grundhaltung pflegen.

Wie lange man vom „Next Level Shit“-Hype Die Antwoord noch hören wird, ist schwer zu sagen. Möglicherweise sind sie als Phänomen auch schon längst wieder vorbei und köcheln bereits an ihrer nächsten Style-Schmelze. Einen Plattenvertrag mit Cherrytree Records (dem Label von Lady Gaga) haben sie jedenfalls in der Tasche, für den Sommer sind Festival-Gigs in Europa und den USA geplant. Trotz des perfekten Hypes bleibt aber eines klar: Sie sind nicht die einzige Band in Südafrika, die aus Afrikaans, Ghetto-Kultur und Zef-Style einen spannenden Mix bastelt. Wie derzeit viele andere Acts vermischen gezielt weiße und schwarze Stilmittel und geben so ein vitales Lebenszeichen von einer neuen Musikszene in Südafrika.

Das Debütalbum „$O$“ erscheint auf Interscope/Universal (VÖ in Österreich steht dzt. noch nicht fest). Das gesamte Album gibt’s im kostenlosen Stream auf

www.dieantwoord.com

Am 18. August ist Die Antwoord in der Pratersauna in Wien zu Gast. VVK-Tickets gibt’s bei der Jugendinfo.

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