Who's Bad?

Auf die Frage des elften Albums "Who’s Bad?" kann es nur eine Antwort geben: Die Goldenen Zitronen. Im Interview sprachen die Hamburger über die aktuelle Poplandschaft, den Verzicht auf Feindbilder und darüber, wie der Punk zum Krautrock kommt.

Findet ihr auch, dass es in der aktuellen Poplandschaft eine Entpolitisierung gibt?

Kamerun: Ich finde, dass da schon lange sehr wenig stattfindet. Man kann sagen, dass bei dieser Diskurs-Pop-Geschichte Anfang der Neunziger und darüber hinaus ein bisschen mehr Leute politischer waren. Das ist aber auch relativ. Tocotronic, sind die politisch oder nicht? Ich finde, ihre Themen sind klar politisch. Viele Leute haben sich abgekehrt vom Politischen, haben keine Lust mehr oder sind nur noch lustiger geworden. Da sind wir leider ein bisschen einsam.

Gaier: Ich fühle mich z.B. mit den Robotern (1000 Robota, Anm. d. A.) verwandt. Ich meine darin etwas zu sehen, was mit mir zu tun hat.

Reents: Die sind nach Wien ausgewandert.

Gaier: Mit Gustav fühle ich mich auch verwandt.

Kamerun: Ich mag Ja, Panik, auch als Leute. Die wohnen jetzt in Berlin.

Gaier: Sonst wurde die Platte sehr beeinflusst von britischen Szenen. Es ist halt nicht mehr so wie mit Blumfeld in den Neunzigern. Es ist normal, dass sich Bands bzw. Künstlerbiographien auseinander entwickeln und eher Solitäre entstehen.

Auf der letzten Platte gab es mit Silbermond sozusagen ein Feindbild…

Gaier: Eine Referenz!

Kamerun: Die Kollegen? Das war eine Partnerschaft.

Ihr habt an ihnen etwas entdeckt, das in euren Augen problematisch war. Gibt es gerade etwas Ähnliches, das ihr beobachtet?

Kamerun: Wir fanden Silbermond nicht komplett scheiße. Es ging um das Video.

Gaier: Es gibt dieses entpolitisierende Video (zu „Irgendwas bleibt“, Anm. d. A.), in dem die Sängerin auf einer Demo rumläuft und sich entfremdet fühlt. Es geht aber in dem Text um das persönliche Glück.

Kamerun: Das gibt es tausendfach, aber gerade keinen, den wir dieses Mal fertig machen wollen. Nach Silbermond wird man immer gefragt, obwohl sie nur Beispiel für etwas waren. Wir kennen das von "Am Tag als Thomas Anders starb", unserer ersten oder zweiten Single. Natürlich war das Populismus. Irgendwann fanden wir diese Methode auch falsch, ein bisschen langweilig und sehr einfach. Man muss sich das gut überlegen, sogar in Interviews.

Reents: In dem Moment, in dem ein Name fällt, überlagert das alles. Es macht nicht viel Sinn, weil nicht mehr über das Inhaltliche gesprochen wird.

Kamerun: Das passiert leider auch in der Politik. Da wird ein Politiker nach dem Inhalt gefragt und er schafft es innerhalb von allerkürzester Zeit die vermeintlich gegnerische Partei anzugreifen, zu sagen: Aber Frau Merkel hat ja…

Was treibt euch an – immer noch – politisch zu sein?

Kamerun: Die Schweine geben nicht auf und wir geben nicht auf. (lacht)

Gaier: Wir haben einfach Spaß, Sinn zu produzieren mit Äußerungen, v.a. wenn sich das auch noch in Einklang bringen lässt mit Aktionen oder Orten, wo man sie propagieren kann oder wo Leute das wertschätzen.

Kamerun: Ich verstehe gar nicht, wie man damit aufhören kann, wenn einen irgendwas bewegt. Das geht doch gar nicht.

Reents: Wenn man desillusioniert ist…

Genau. Entwickelt man keinen Frust?

Kamerun: Es ist erlaubt zu sagen: das bringt eh alles nichts. Aber das engagierte Denken hört doch zumindest nicht auf. Komischerweise passiert das wirklich bei vielen Künstlern. Oder sie wissen nicht genau, wie sie weitermachen sollen. Oder sie haben es am Anfang aus einem sehr spontanen Moment heraus gemacht, aus einer Art direkten Wut, haben sich dann aber etabliert und wieder davon entfernt, weil das Umfeld nicht mehr da war.

Gaier: Bei vielen Künstlern hat das mit dem Milieu zu tun, das der Erfolg bringt. Es gibt auch den Rückzug ins Private. Wenn du auf Vernissagen oder in der Paris Bar mit Wowereit sitzt, ist es generell nicht mehr so leicht deine Dissidenz aufrecht zu erhalten.

Kamerun: Vielleicht ist das auch ein Teilgrund, warum die Wut wegbricht: du wirst besser behandelt, wenn du erfolgreicher bist. Kann ja sein.

Gaier: Wir haben uns ja den Erfolg verboten und deswegen können wir uns das bewahren. Wir wollen gefälligst schlecht behandelt werden. (lacht)

Kamerun: Damit wir wütend bleiben.

"Who’s Bad?" von den Goldenen Zitronen erscheint am 27. September via Buback. Am 21. Oktober spielen sie im Brut Wien.

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