Ende Oktober feiert das Pioneers Festival zum zweiten Mal nicht nur den heimischen Unternehmergeist. Doch was bringen Events über ihre Dauer hinaus für den Standort?
Brigitte Jank – Branchenevents sind Erfolgsturbos für Start-ups
© Meinrad Hofer
In Wien hat sich der IKT-Sektor zu einem überdurchschnittlichen Wirtschaftsmotor mit hoher Wertschöpfung entwickelt. Mehr als acht Prozent der Wiener Unternehmen sind im IKT-Bereich tätig, sie beschäftigen insgesamt 60.000 Mitarbeiter und erzielen fast 20 Milliarden Euro Umsatz. Die Zahlen belegen eindrucksvoll, dass die IKT-Branche und die Creative Industries längst zu einem wichtigen Faktor für eine positive Zukunft des Wirtschaftsstandorts Wien geworden sind. Besondere Bedeutung kommt dabei zu, ob die Unternehmen auch auf internationalen Märkten erfolgreich agieren. Dafür müssen die Unternehmer laufend ihre Kontakte pflegen und Netzwerke ausweiten. Nirgendwo gelingt das in hochkonzentrierter Form besser als auf Messen und Konferenzen, wie beispielsweise dem Pioneers Festival in Wien. Während sich Start-ups primär durch Kreativität und Innovationskraft auszeichnen, bieten Events wie das Pioneers Festival – speziell der Investorentag – für diese jungen Unternehmen eine gute Gelegenheit, sich auch intensiv mit den Themen Führung und Unternehmerspirit auseinanderzusetzen. Darüber hinaus können die Jungunternehmer über neue Geschäftsmodelle und Beteiligungen mit privaten Investoren und Business Angels sprechen. Und das gilt es kontinuierlich auszubauen. Denn leider gehen viele gute Ideen verloren, weil in Österreich das Finanzierungsverständnis für innovative Start-ups noch nicht stark genug ausgeprägt ist. Für den Standort Wien ist das Pioneers Festival enorm wichtig: Weil es den Jungunternehmergeist beflügelt und Start-ups mit Investoren zusammenbringt. Brigitte Jank ist Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien.Harald Leitenmueller – Festivals sind Blitzlichter der IT-Szene
Sie beleuchten kurz, was man selten zu sehen bekommt und nur wenige kennen. Mit viel Wortgeschick wird das Abgelichtete erklärt, weil keiner glauben kann, dass es in Wien eine IT-Szene überhaupt gibt – oder ist traurig, weil man so wenig davon hört. Selten verirren sich diese Momentaufnahmen unserer IT-Kreativen in internationale IT-Communities. Schade, denn eigentlich würden wir gerne dazugehören – und es wäre auch angemessen. Immerhin hört man gelegentlich von possierlichen und innovativen Wiener Start-up-Pflänzchen, die gedeihen, solange man sie mit genügend Kapital rechtzeitig düngt. Man nimmt sie daher gern mit, steckt sie in gut gepflegte Start-up-Kulturgärten und erntet IT-Früchte im Überfluss – nur kaum hier daheim. Hier wird eher durch Jammern und Angst vorm Scheitern dem Entrepreneur der Mut und der notwenige Optimismus entzogen. Wenn wir den IT-Standort stärken wollen, brauchen wir mehr Risikofreudigkeit und eine gesellschaftliche Akzeptanz des Scheiterns. Ich hätte auch zusätzlich gerne eine lokale IT-Szene mit eigenem Festival, das man global kennt – ähnlich der SIME. Also eine Plattform, auf der dem man sich gerne über die Zukunft unserer Gesellschaft unterhält, man es als Ehre ansieht, dabei zu sein, keine Gastsprecher einkaufen muss, sondern einfach jeder dazugehören will. Harald Leitenmüller ist Chief Technology Officer bei Microsoft Österreich. Er unterstützt Unternehmen bei IT-Strategien, damit neue Technologien vorteilhaft genutzt werden können und die Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen IT Marktes steigt.
Hellmut Schneider – Die Smart City Vienna sehe ich nur auf Plakaten an der Stadtgrenze.
Ich bin kein Digital Native. Ich bin zu einer Zeit aufgewachsen, in der die Welt der Bildschirme aus FS1 und FS2 bestand. Ich habe Lesen noch mit Büchern und Zeitungen gelernt. Und Schreiben mit Anzeigen und Flugblättern. Dass Kommunikation einmal aus Liken, Sharen, Reviewen und Tweeten bestehen – und dass die zweitgrößte Suchmaschine der Welt ein Videoportal sein würde, lag jenseits unserer Vorstellung. Deshalb habe ich vielleicht einen etwas anderen Blickwinkel – auch wenn ich mich jetzt als Unternehmer mit der Entwicklung von digitalen Medienformaten beschäftige. Wir fragen uns: Was davon macht Sinn? Und: Wem bringt es was? Ich erlaube mir die Frage, was der Boom an einschlägigen Konferenzen für Wien tatsächlich bringt. Macht das Wien zu einer Stadt, die als IT-Standort an Bedeutung gewinnt? (By the way: Ist das Silicon Valley ein »IT-Standort«? Ich habe das Gefühl, die machen was anderes dort …) Oder hilft das der Stadt Wien bloß, ihren Platz 1 im weltweiten Kongress-Ranking zu verteidigen? Was ja an sich nicht schlecht ist. Aber nichts damit zu tun hat, Ideen, Menschen, Unternehmen zu fördern und schon gar nicht, den Aufschwung einer bestimmten Branche zu initiieren. Man kann sich auch fragen, wer denn tatsächlich etwas davon hat, dass diese Konferenzen immer inflationärer stattfinden. Sind es die Teilnehmer, die Gäste, die Aussteller solcher Events? Oder sind es die Veranstalter, die sich im Lichte der Prominenz ihrer Speaker sonnen – und nebenbei Zugriff auf die Ideen junger »Unternehmer« bekommen? Wäre es das Erstere, dann müsste in Wien und Umgebung langsam das Entstehen einer neuen Forschungs-, Entwicklungs- und vor allem Investitions-Kultur zu beobachten sein. Ich erlebe nichts dergleichen. Die Smart City Vienna sehe ich nur auf Plakaten an der Stadtgrenze. Die Smart Brains verlassen in der Zwischenzeit die Stadt in Richtung München, Berlin, Amsterdam oder Stockholm. Hellmut Schneider ist Mitbegründer von FourMedia Digital Media Innovations und Consulting Partner der Schweizer Unternehmens-Beratung Accelerom. Er war Texter, Creative Director und Client Service Director bei internationalen Werbeagenturen.
Jutta Scheibelberger – Unmittelbare Auswirkungen sind eher ernüchternd.
In der wirtschaftspolitischen Einschätzung von Kongressen oder Festivals geht es immer auch um Fragen »Wie viele Arbeitsplätze werden geschaffen?«, »Wie viele Unternehmen werden gegründet?« oder »Wie viele davon überleben die Start-up-Phase?« – wobei die Beantwortung der letzten Frage oft vernachlässigt wird. All das wird insbesondere dann virulent, wenn die Wirtschaftspolitik Veranstaltungen aus öffentlichen Mitteln unterstützt. Die unmittelbaren Auswirkungen in diesem Zusammenhang sind in der Regel eher ernüchternd, abgesehen von der kniffligen Frage der Kausalität. Konferenzen und Festivals haben aber wichtige (schwer messbare) Funktionen und senden eine Vielzahl von Impulsen aus: sie sind Neuigkeiten- und Kontaktbörsen, neue Zielgruppen werden angesprochen und oft wird ausgezeichnete Vermittlungsarbeit geleistet. Konferenzen und Festivals bereichern beziehungsweise beleben den Ort und die Region, in denen sie stattfinden, maßgeblich. Letztendlich können sie die Identifikation mit dem Standort unterstützen. Im Übrigen ist es manchmal nicht konsistent, wenn von Festivalorganisatoren bzw. Besuchern Entstaatlichungsforderungen propagiert werden, welche aber genau dann nicht gelten, wenn es um öffentliche Unterstützungen für das nächste Festival oder den nächsten Kongress geht. Hier dürfen auch öffentliche Geldgeber verlangen, dass man sich dem Pitch des Wettbewerbs stellt. Jutta Scheibelberger ist für ZIT – Die Technologieagentur der Stadt Wien GmbH tätig. Sie hat u.a. die Leitung des Content Award Vienna seit 2009 inne. Zuvor war sie selbstständige Dramaturgin für deutsche und österreichische Produktionsfirmen sowie Film Program Consultant für das Zurich Film Festival.
Es müssen nicht immer London und Berlin sein. Auch in anderen europäischen Städten regt sich etwas im Spannungsfeld zwischen Creative Industries und technologiegetriebenen Unternehmen – im Bereich der nur mehr unscharf definierbaren Start-ups. Von Stockholm, hier wurde die SIME gegründet, und München, Heimat von Burdas DLD-Conference, erzählt etwa Martin Drexler: »Gegenüber Stockholm bleiben Oslo, Helsinki und Kopenhagen schlichtweg chancenlos. Und in München kam der schnelle Zuzug von internationalen Digital-Firmen, Inkubatoren etc. hinzu. Wenn man am Münchener Flughafen landet, wird man mit dem Statement begrüßt: ›Welcome in Munich, the Silicon Valley of the Alps‹. Der bayerische Staat investiert in den kommenden drei Jahren satte drei Milliarden Euro in den Wirtschaftsraum München, vornehmlich in Digital Automotive.«
Es scheint also durchaus möglich, mit Konferenzen nicht nur etwas für den Event-Standort und die ausrichtenden Unternehmen zu tun, sondern auch für die regional ansässigen Unternehmen. Noch beobachten aber einige Branchenmedien und unabhängige Kommentatoren eher einen »Brain Drain« aus Österreich weg: Einige in Wien gegründete Unternehmen verlassen das Land, weil ihnen die Strukturen und auch die Unterstützung der Privat-Wirtschaft fehlen. In Deutschland oder anderen Ländern werden manche von ihnen erfolgreich und verhelfen ihrer neuen Heimat zu einem Gewinn in Sachen Wirtschaft, aber auch Image und Außenwirkung. Wir haben einige Akteure der heimischen Digital- und IT-Wirtschaft um ein Statement zum Standort Wien gebeten.
Am 30. und 31. Oktober findet in Wien das zweite Pioneers Festival statt. www.pioneers.io