Wie Trump ein Album zerstörte – Portugal. The Man im Interview

Portugal. The Man haben kürzlich ihr neuntes Studioalbum »Woodstock« veröffentlicht. Wir haben uns mit der Indie-Rock Band aus Alaska über ihren neuen Sound, dessen Entstehungsprozess, Trumps Einfluss, Oasis und die Tour mit Casper unterhalten.

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© Alex Gotter

Gab es einen Punkt bei dem ihr feststellen musstet, dass ihr euer geplantes Album so nicht fertigstellen könnt?

Kyle O’Quin: Der ganze Prozess hat sich über ein Jahr lang hingezogen und wir haben das damalige Album über einem recht langen Zeitraum aufgenommen. Wir haben mit Mike D von den Beastie Boys zusammengearbeitet und hatten zum Schluss extrem viele und extrem gute Songs. Dann kam der Präsidentschaftswahlkampf und mit Trump hat sich alles schlagartig verändert. Lyrics sind uns sehr wichtig und wir wussten, dass die Lyrics des Albums in diesem Kontext nicht mehr funktionieren würden. Mit all den politischen Dingen die um uns herum geschahen, war klar, dass wir ein anderes Album aufnehmen müssen, um eine dementsprechende Message senden zu können.

In einem Interview mit »Diffus« habt ihr gesagt, dass ihr immer ein Ziel braucht, um ein Projekt abzuschließen. Hat sich mit dem neuen Album und dessen Entstehungsprozess der Arbeitsfluss verändert?

Kyle O’Quin: Ja, absolut. Wir entwickeln unseren Arbeitsprozess immer weiter. Wenn wir ein Album machen und die ersten fünf Songs eingespielt sind, wirkt sich das immer auf die Songs aus, die neu eingespielt werden. Das kann extrem schwierig sein, wenn man versucht ein konzeptionelles Album wie »Woodstock« zu erstellen. Die Songs müssen auf verschiedenen Ebenen zusammenpassen und ein Gesamtbild ergeben.

Jason Sechrist: Ich persönlich denke, dass wir das mit dem aktuellen Album auf jeden Fall geschafft und einen sehr guten Job gemacht haben. Wir wollten, dass sich das Album anhört, wie es jetzt klingt: Ein Zusammenspiel aus verschiedenen Musikrichtungen, wie bei einem Festival. Von Elektro über Country bis hin zu Rock.

 Gibt es heutzutage ein vergleichbares Festival zu »Woodstock«?

Kyle O’Quin: Ich denke nicht.

Jason Sechrist: Nein, nicht so, wie es damals war. Der Gründe Festivals heutzutage stattfinden, haben sich geändert. Heute dreht sich alles um Unterhaltung und viel Geld. Woodstock war einfach dieses Hippie-Statement gegen Krieg und für Frieden.

Kyle O’Quin: Man kann natürlich die Vergangenheit nicht rekonstruieren. Man muss verstehen, warum es damals so ein epischer Erfolg war und warum dieser Moment auch Geschichte ist. Ich denke nicht, dass es jemals etwas Vergleichbares geben wird.

Wie groß ist der Einfluss eurer Produzenten eures aktuellen Albums?

Kyle O’Quin: Wir werden natürlich immer auf eine gewisse Art und Weise von den Leuten mit denen wir zusammenarbeiten beeinflusst. In unseren Anfängen haben wir gleichzeitig an ungefähr 48 Songs geschrieben und von Beginn an mit Mike D. und Danger Mouse gearbeitet. Bei diesem Album wollten wir Dinge allerdings anders machen als bisher. Ich glaube, dass es die richtige Entscheidung war, für dieses Album viele unterschiedliche Produzenten heranzuziehen, da die musikalischen Einflüsse und Richtungen auch sehr unterschiedlich sind.

Ist es leichter, mit unterschiedlichen Personen zu produzieren?

Jason Sechrist: Es kommt wirklich darauf an. Manchmal ist es schon sehr mühsam einen Song fertigzustellen und manchmal könnte man mit der gleichen Person zehn Songs am Stück fertig produzieren. Es ist auf jeden Fall wichtig, eine Person im Team zu haben, der man vertraut und die ein letztes Mal über den Song drüber schaut. Bei manchen Produzenten ist es schwer, den Song final abzuschließen, weil immer noch was verbessert werden kann: Eine Kleinigkeit hier, eine andere da. Bei uns sagt zum Glück immer jemand im richtigen Moment: »Jetzt ist der Song fertig. Er ist gut. Er ist wirklich gut, vertrau mir. Hört auf zu arbeiten.« Das ist wirklich Gold wert.

Kyle O’Quin: Ich muss auch wirklich sagen, dass ich teilweise sehr erleichtert war, wenn wir endlich zu einem Schluss gekommen sind.

Ihr sagt »Woodstock« ist ein politisches Album, würdet euch aber persönlich nicht als politisch bezeichnen. Wie passt das zusammen?

Kyle O’Quin: Viele Dinge, die wir im Album ansprechen sind eindeutig einem bestimmten Thema zuzuordnen. Wir sprechen etwa Rassimus oder Genderthematiken an.  Die Aussage ist dabei vor allem eine: »Sei kein verdammtes Arschloch!« Das hat nicht unbedingt etwas mit Politik zu tun, aber mit Menschenrechten.

Jason Sechrist: Es ist wichtig, sich als Band klar zu positionieren und das wollen wir auch in unseren Lyrics.

Kyle O’Quin: Natürlich sagen wir den Leuten nicht, was sie wählen sollen. Das ist jedem selbst überlassen. Aber wir sagen beispielsweise ganz klar »Geht wählen!«

Ihr habt kürzlich gemeinsam mit Spotify Live Singles veröffentlich. Eine davon ist »Don’t Look back in Anger« von Oasis. Wie kam es zu diesem Cover?

Jason Sechrist: Dafür gab es mehrere Gründe.

Kyle O’Quin: Oasis ist sehr wichtig für uns als Band. Wir kommen aus Alaska, also Mitten im Nirgendwo. Dort hört man viele Oldies und Klassiker. Klar haben wir auch Dinge wie die Stones oder die Beatles gehört, aber uns hat bei diesen 70er- und 80er-Jahre-Bands der Bezug zum Jetzt gefehlt. Wir waren lange auf der Suche nach etwas Zeitgemäßem. Dann kamen Nirvana und Oasis und wir mussten feststellen, dass es noch immer möglich ist, so geniale Songs wie damals zu schreiben. Oasis nimmt dich in zwei Minuten und zwölf Sekunden mit auf eine Reise.

Jason Sechrist: Wir haben bei dem Oasis Cover auch an die Attentate in Manchester im Mai gedacht und wollten auf diese Art und Weise unseren Tribut zollen.

Kyle O’Quin: Wir waren zu dieser Zeit in England, zwar nicht in Manchester, aber es hat uns auf jeden Fall sehr bewegt und mitgenommen. Das war ebenfalls ein Grund, warum wir den Coversong aufgenommen haben.

Ihr seid konstant auf Tour. Was macht ihr, wenn ihr mal nicht unterwegs seid?

Kyle O’Quin: Wir besuchen unsere Familien. Wir sind ja wirklich nicht oft zuhause und haben nur wenig Zeit. Ich versuche auch wirklich etwas Zeit für mich zu haben.

Jason Sechrist: Ich persönlich versuche in meiner Freizeit so etwas wie ein normales Leben zu führen. Ich denke über Dinge nach, etwa, was ich am Abend kochen werde. Ich gehe in der Nachbarschaft spazieren, ich mache Dinge, für die ich normalerweise keine Zeit habe. Und natürlich verbringe ich sehr viel Zeit mit Freunden und mit meiner Familie, um sicherzugehen, dass wir uns noch immer verstehen – und dann geht es eigentlich auch schon wieder auf Tour.

Und was macht ihr auf keinen Fall, wenn ihr zuhause seid?

Kyle O’Quin: Was wir nicht tun?

Jason Sechrist: Ich gehe nie auf Konzerte. Für meine Freunde und meine Familie sind Konzerte etwas Besonderes, aber für mich ist es das einzige, was ich nie mache.

Wo würdet ihr gerne einmal auftreten?

Kyle O’Quin: Ich finde historische Orte sehr spannend. Pompej wäre sicherlich mal cool.

Jason Sechrist: Ja, das wäre sicherlich cool, aber es geht ja nicht nur darum, an einem Ort zu spielen, sondern diesen Ort auch für andere zugänglich zu machen. Man kann ja grundsätzlich überall spielen – beispielsweise auf einer winzigen kleinen Insel, umgeben von Wasser, oder in der Wüste vor den Pyramiden.

Kyle O’Quin: Das wäre alles ziemlich nice!

Gibt es eine Location die euch besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Kyle O’Quin:  Ja, Red Rocks.  Das war wirklich einmalig und alle sind extra gekommen, nur um uns spielen zu sehen.

Casper hat vor kurzem sein drittes Album ‘Lang lebe der Tod’ veröffentlicht und ein Snipped von euch verwendet.

Kyle O’Quin: Ich habe den Song schon gehört und er ist großartig. Ich liebe generell alle Remixes von »Feel It Still«. Es ist cool zu sehen, was andere Künstler mit deinen eigenen Ideen machen und wie sie diese weiterentwickeln. Es ist extrem spannend, wie aus dem gleichen Material etwas so Unterschiedliches entstehen kann.

Wie war es mit Casper in den Staaten auf Tour zu gehen?

Kyle O’Quin: Er hat einige Konzerte mit uns gespielt und alle waren ausverkauft. Es ist sicherlich schwer für einen deutschen Künstler in den Staaten auf der Bühne zu performen. Aber nicht für Casper. Er hat zu uns gesagt: »Wisst ihr was? Ich werde einfach meine deutschen Songs performen. Auch wenn sie niemand versteht.« Und er hat es einfach durchgezogen und es kam wirklich sehr gut an. Ich denke es war einmalig.

Wie hat sich diese Tour von der deutschen Tour vor einigen Jahren unterschieden?

Kyle O’Quin: Er hat uns damals mitgenommen, um vor mindestens 10.000 Leuten zu spielen. Wir hatten eine viel kleinere Tour mit Kapazitäten von 500 Personen. Das ist schon eine ganz andere Dimension.

Portugal. The Man veröffentlichten am 26. Juni ihr Album »Woodstock« auf Atlantic Records. Das Interview entstand im Rahmen ihres Wien-Gigs im Wiener Gasometer am 17. September.

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