Parov Stelar hat sich für das neue Doppelalbum Zeit gelassen. Inzwischen wachsen die Fanscharen unaufhaltsam. »The Princess« wird das nicht ändern.
Parov Stelar ist ein Phänomen, Ausnahmekünstler und Aushängeschild. Als Marcus Füreder Anfang der Nullerjahre mit dem Projekt Parov Stelar und seinem Label Etage Noir anfing, konnte sich wohl keiner der Beteiligten die weitreichenden Folgen ausmalen. Die Liste der Erfolge liest sich zehn Jahre später beeindruckend: auf angeblich über 700 Compilations wurden Tracks von ihm lizenziert, ebenso wie für zahlreiche Werbe-Spots (Chrysler, Hofer, Fischer Bier, Cosmopolitan Hotel in Las Vegas etc.) und kein anderer Act aus Österreich kann einen derart dichten internationalen Tourplan vorweisen. Da wird er schon einmal als gleichrangig mit Acts wie Snow Patrol, den Flaming Lips, Digitalism oder Animal Collective geführt. Ablesen lässt sich die Beliebtheit von Parov Stelar aber auch an rohen Zahlen im Internet: Als wir uns vor weniger als einem Jahr (The Gap 118) österreichische Bands auf Last.fm und Facebook im Detail angesehen haben, führte Parov Stelar alle Kategorien eindeutig an. In der kurzen Zeit kamen jetzt noch einmal 90.000 Fans auf Facebook und 3.000.000 Plays auf Last.fm dazu. Zum Vergleich: vielfach gelobte Bands wie Elektro Guzzi oder Kreisky kommen auf 33.000 bzw. 74.000 Plays insgesamt.
Irgendetwas dürfte also passiert sein, und sei es nur die Folge langjähriger, konsequenter Arbeit. Der Artist Parov Stelar, das dazugehörige Label, sowie das Sublabel Etage Noir Special werden allesamt von Linz aus gemanagt, zum Teil von Füreder selbst bzw. einer kleinen, überschaubaren, aber umso effizienteren Mannschaft. Dabei entstand über die Jahre ein ganz eigener Sound zwischen House und Jazz, zwischen Gypsy und Swing. Auf Wikipedia verfestigte sich der Stil als Electro-Swing. Nun erscheint mit »The Princess« ein neues Album, wie auch schon das 2009er Album »Coco«, wieder ein Doppel-Album. Zwischen Melancholie und 20er/30er Jahre Swing-Chic bewegt sich Parov Stelar gekonnt auf bekanntem Boden. Die Songs sind wieder voll von dramatischen Akkordfolgen, soulig-gospeligen Vocals, gefühligen Pianos, zarten Streichern, rauen Bläsern und elektrischen Bässen. Man kann beide Teile des Albums durchhören als wäre nichts gewesen, wie ein zartes Nichts, wie Tracks von Moby oder Air, wie ein gutes Essen. Für die Musik von Parov Stelar stirbt man nicht, eher lebt man besser mit ihr.
Auf deinem neuen Doppel-Album ist die erste CD souliger und streckenweise nachdenklicher. Es sind fast ausschließlich jazzige Nummern, wie in deiner Anfangsphase, weniger leichte Swing-Tracks.
Also ich glaube, es sind bisher alle meine Alben, die auf CD erschienen sind, nicht wirklich in diesem Electro-Swing-Kleid gestrickt gewesen. Ich glaub, ein Künstler kann immer nur seine eigene Gemütsverfassung widerspiegeln und vielleicht nicht die ganze Welt. Das wäre ja bloß ein Versuch, etwas abzubilden was man selbst nicht ist. Ich mach’s so, wie ich mich fühle, so versuch ich zu produzieren und das kommt raus. Ich würde nicht sagen, dass es mir schlecht geht, aber ich habe momentan eine positive Melancholie in mir, nicht depressiv, aber es geht definitiv ein bisschen tiefer rein – genau das ist mir wichtig.
CD 2 ist mit einigen Tracks vergangener EPs dafür wieder gekonnte Electro-Swing-Kost. Hast du »The Princess« in den eigenen vier Wänden geschrieben?
Prinzipiell habe ich mir von Anfang an mehr Zeit genommen als bei den Vorgängeralben. Also es waren fast drei Jahre dazwischen, was für mich eigentlich sehr lang ist, weil ich wahnsinnig viel Zeit im Studio verbringe. Und ich wollte einfach auch verschiedene Phasen meines Lebens einfangen. Wenn du dir für ein Album ein halbes Jahr Zeit nimmst, ist das eine kurze Phase deines Lebens. Ich habe bewusst diese längere Zeitspanne gewählt. Und der Entstehungsprozess ist eigentlich wie immer gewesen. Wenn ich Lust gehabt habe, war ich im Studio und habe produziert wie ein Wilder. Im Unterschied zu den Vorgängeralben habe ich aber die Band, also meine Instrumentalisten, viel mehr eingebaut. Es ist sogar ein Song komplett auf Tour entstanden. »Millas Dream« haben wir im Tourbus geschrieben und in den Backstage-Räumen aufgenommen.
Es gibt auch diesmal wieder unzählige Kollaborationen. Gibt es jemand, mit dem du unbedingt noch zusammenarbeiten möchtest?
Mein persönlicher Traum wäre gewesen, nachdem ich ihre Karriere von Anfang an verfolgt habe, mit Amy Winehouse zu arbeiten. Sie war für mich eine außergewöhnliche Künstlerin, abseits ihrer persönlichen Eskapaden, und das wäre echt der Hammer gewesen. Wir hätten heuer eine Show gemeinsam gehabt, da hätte ich die Bühne mit ihr teilen dürfen, dazu ist es aber nicht mehr gekommen. Dieser Wunsch wird sich leider nicht mehr erfüllen. Aber es gibt auch jede Menge andere Vokalistinnen, zum Beispiel Adele finde ich großartig. Und Artie Shaw ist sowieso mein Held, aber der lebt leider auch nicht mehr. Also bleib ich vorerst bei der Sehnsucht, dass ist auch ein schönes Gefühl.
Gibt es so etwas wie einen »Studiomodus«, der sich zum Beispiel durch ein bestimmtes Verhalten äußert, welches du sonst nicht an den Tag legst?
Also die Kaffeemaschine ist schon im Dauereinsatz, und wahrscheinlich rauche ich ein wenig mehr. Nachdem ich aufgehört habe, rauche ich zwar nur mehr Zigarillos, aber in der heißen Phase im Studio sicher mehr. Und wahrscheinlich ist man ein wenig mehr in sich gekehrt, die sozialen Kontakte leiden mit Sicherheit, gerade während der letzten drei, vier Monate der Albumproduktion. Aber nachdem ich ohnehin sowieso immer in der Produktion stecke, sozusagen ein dauerschwangerer Musiker bin, merk ich nicht wirklich Unterschiede. (lacht)
Auf Last.fm wurden über 14,5 Mio. Tracks von dir gescrobbelt und Parov Stelar ist somit der erfolgreichste österreichische Artist auf Last.fm. Erfüllt einem das mit Stolz oder bekommt man das bei so einem dichten Zeitplan zwischen Studio, Promo und Gigs sowieso nicht mehr mit?
Da muss ich kurz in mich hineinhören, weil ich es bis vor 30 Sekunden nicht gewusst habe. (atmet kurz durch) Natürlich hat jeder Musiker das Bedürfnis, irgendetwas von sich zu veröffentlichen, rauszugeben und das ist meistens etwas sehr Persönliches. Wenn du dann natürlich so viele Menschen findest oder so viele Menschen dich finden, die das dann auch noch cool finden, erfüllt einem das mit Stolz und auch mit Freude, ganz klar. Auf so etwas arbeitet man natürlich auch hin und sagt sich: »Meine Arbeit wird gehört«. Das ist das Schönste, das es gibt. Im Endeffekt muss ich jetzt 14 Millionen Mal »Danke« sagen.
Auch auf Facebook hast du über 290.000 Fans, welchen Stellenwert gibst du dem Social Media-Paket generell?
Ich glaube, gerade in unserem Bereich, im Independent-Bereich, ist das ein ganz mächtiges und auch sehr wichtiges Werkzeug. Vor allem erreicht man punktgenau seine Fans, weil es wird ja keiner einfach Fan, weil er sich zufällig irgendwo eingetragen hat, die gehen dann ohnehin wieder weg. Im Endeffekt sind das direkt die Leute, die deinen Style, deine Arbeit und deine Musik schätzen und mit einem Mausklick bist du sofort bei denen. Ich finde es eigentlich eine sehr ehrliche und sehr wichtige Geschichte. Facebook funktioniert dann, wenn dein Produkt oder das was du machst, funktioniert.
Also sowohl für das Label, als auch für den Künstler?
Für beide ist es enorm wichtig. Wahrscheinlich für den Künstler noch um einiges wichtiger als für das Label selbst. Das Label ist breit gefächert, da gibt’s verschiedene Einflüsse und verschiedene Bands, aber der Künstler hat direkt seine Fans auf der Leitung.
Vor dir liegt wieder eine lange Europatour, gibt es eine bestimmte Venue oder Stadt, in die du besonders gerne zurückkehrst?
Da gibt es einige. Zum einen spiele ich wahnsinnig gerne zu Hause, ob das jetzt Wien oder Linz ist, also einfach Österreich. Dazu muss ich aber sagen, dass ich in Österreich auch am meisten aufgeregt bin, wenn ich auf die Bühne gehe. Das ist mir im Ausland um einiges mehr egal. Aber auch Sofia ist eine unglaubliche Stadt. In Paris war ich als DJ schon zweimal und jetzt kommt das erste Mal mit der Band, dort ist immer eine wahnsinnige Energie. Aber prinzipiell ist es so wie mit Kindern, wenn man fünf hat, kann man auch nicht eines raussuchen. (lacht)
Stört es dich manchmal, dass in Österreich nicht so viel zurückkommt wie an anderen Orten?
Ich sag wie es ist, vor fünf Jahren hat es mich wahnsinnig aufgeregt, anfangs habe ich es als irrsinnig komisch und schwierig empfunden. Es ist schon einmal schwer als österreichischer Künstler international zu bestehen, aber als Linzer und »Nicht-Wiener« in Österreich zu bestehen, ist mindestens genauso schwer. Aber mit der Zeit lernt man damit umzugehen und wird auch gelassener, was dieses Thema anbelangt. Leicht ist es auf keinen Fall als österreichischer Künstler in Österreich und da stehe ich sicher nicht alleine da.
Noch einige abschließende Fragen zur anstehenden Tour. Was darf in deinem Tourgepäck nie fehlen?
Ganz wichtig ist mir mein iPod, weil da sind meine Hörbücher drauf. Das Schönste ist es, dem ganzen Tourwahnsinn zumindest für eine Stunde zu entfliehen – Ohrstöpsel rein, Audiobook an und weg bin ich.
Und was auf deinem Rider?
Das Bier sollten nicht ausgehen, das wär mir ganz wichtig. Und der Tisch sollte die Höhe haben, die drinnen steht.
»The Princess« von Parov Stelar erscheint am 20. April via Etage Noir. Am 31. März spielt Parov Stelar in Innsbruck, am 2. Juni in Linz, am 18. August beim Frequency Festival in St. Pölten.