Wiener Clubs im Interview: Flex

Die Wiener Clublandschaft floriert. Wiener Clubs genießen mittlerweile einen guten internationalen Ruf bei Acts, Bookern und – vor allem – dem Publikum. The Gap sieht genauer hin und trifft einige Clubmacher zum Interview. Heute: die Betreiber des gut lange und gut etablierten Flex.

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Das Flex war uns schon im Feber 2004 eine Coverstory wert. Damals konnte man noch sein mitgebrachtes Dosenbier an den Securities vorbei in die Halle reinnehmen, schon wenig später war das nicht einmal mehr im Bereich davor erlaubt. Das Flex war trotzdem laufend voll, wurde ständig aus- und umgebaut. Dort eine Videowall, da Bonbon-verkleidete Wände, eine neue Bar, ein Imbiss. International und national ist kaum ein Club so bekannt wie das Flex. Studierende und Touristen strömen deshalb laufend in das Flex. Langjährige Wiener immer seltener. Fragt man rum, herrscht auch Unmut. "Keine Linie, keine Konzerte, keine euphorischen Parties" war häufig der Tenor. Sieht man sich das aktuelle Flex-Programm an, gibt es dazu gar nicht viel Anlass. Denn welcher Club hat sonst ein so dichtes Konzertprogramm und schafft es auch zwei bis vier Tage die Woche ein solides bis sehr gutes Cluprogramm zu bieten? Bei fast schon legendärem Sound.

Fast so legendär ist dafür auch schon die Sperrstundenfalle, in der das Lokal seit fast schon zwei Jahren steckt. Die Sperrstunde gilt natürlich auch für andere Clubs, aber aus diversen Gründen nimmt das Polizei manchmal nicht so genau. Beim Flex waren da zuerst in der Nähe ein paar Dealer, Sicherheitsmaßnahmen, dann nahm das trotzdem überhand, die Politik mischte sich ein und seither hagelt es Anzeigen, sobald die Musik länger als vier Uhr läuft. Die Gegen-Devise für die Besucher und Fans des Flex‘ könnte lauten: "Don’t shit where you eat" oder: "Leute, kauft eure Drogen am Schwedenplatz oder bestellt sie im Internet."

Die Fragen zu Gegenwart und Zukunft des Flex‘ haben Rudi Wrany (Kopf hinter dem Club Crazy) und Peter Schachinger (Geschäftsführer und Obmann) beantwortet:

Seit wann seid ihr selbst dabei?

Rudi Wrany: Peter seit den Neunzigern, kurz nach der eigentlichen Eröffnung, ich war damals als freier Veranstalter dabei, dann ab 2001 fix als Programm-Mitgestalter.

Eine rot-grüne Regierung in Wien und der Absturz von Frau Stenzl nützt dem Flex höchstwahrscheinlich – Wann gibt es endlich die Sperrstundenverlängerung für das Flex?

Eine Frage, die wir uns selbst stellen, es gibt in diesen Wochen Gespräche mit der Stadt, dann wird wohl hoffentlich Bewegung in die Sache kommen.

Im Zuge des U2-Ausbaus hätte das Flex fast verschwinden müssen. Angeblich hat Michael Häupl damals gesagt: „Das Flex bleibt.“ Wisst ihr Näheres dazu?

Ja, das war damals so. Die ÖVP wollte uns wegprojektieren. Allerdings war damals vor allem Marie Ringler von den Grünen diejenige, welche dieses Problem als dringliche Anfrage einbrachte, danach hat die SPÖ dem Flex die Garantie gegeben.

Sonntags ist seit dem Ende des Soft Egg Cafés meistens geschlossen, Montags musste der Dub Club vor gut zwei Jahren schließen. Wie kommt man an neue Club-Institutionen? Und was macht das Crazy richtig?

Es ist für Clubs unter der Woche grundsätzlich schwerer geworden. Das Angebot an den Wochenenden ist zu groß, auch gibt es im Vergleich zu den Neunzigern viel, viel mehr Bars und Clubs, auch hat sich wohl das Weggehverhalten der Leute geändert, das Crazy gibt es seit 9 Jahren, die Interessierten wissen, dass sie ein gutes Programm für günstiges Geld bekommen, auch kommen die Artists gerne ins Flex, einzig die Sperrstunde stört ein wenig.

Der Dub Club hatte nach einigen Jahren vielleicht nicht mehr die Anziehungskraft für die jungen Leute, die Älteren blieben aber vermehrt zuhause, gleiches gilt für Soft Egg, das damals halt wirklich ganz speziell war und es gab Mitte der Neunziger auch diesen Schlagerboom.

Im Flex war das Publikum lange sehr bunt und extrem durchmischt. Ist das Flex nach 15 Jahren am Donaukanal mittlerweile ein etablierter Ort für Touristen und Studenten in den unteren Semestern?

Ja, kann man so sagen. Touristen kommen im Sommer und zu Weihnachten wirklich viele. Auch sind natürlich die Drum and Bass-Veranstaltungen und auch das Wicked hauptsächlich für junge Leute interessant. Doch zu Crazy und zu den Konzerten kommen auch ältere Semester. Und im Sommer sitzen Menschen aller Altersstufen draußen.

DJ Bookings bedeuten finanziell weit weniger Risiko als Band Bookings – Leute bleiben länger im Club, trinken mehr; trotzdem sind Konzerte für den Ruf eines Clubs unerlässlich. Wie versucht das Flex da Linie reinzubringen?

Ist das so? Da kennt Ihr die Gagenstrukturen schlecht. Aber Konzerte sind eben Konzerte, die Band live zu erleben, bedeutet für viele einen höheren Anspruch.

Das Flex versucht, so viele Konzerte wie möglich an Land zu ziehen, sie sind ja meist early shows.

Das Flex geriet vor cirka fünf Jahren wegen der Türpolitik in die Kritik – wie so viele andere Clubs. Gibt es einen sinnvollen Umgang an der Tür, eine Art Best Practice? Wie viel kann und muss man sich die Ausbildung einer guten Tür kosten lassen?

Mehr als man denkt. Zur Zeit gibt es diese Probleme nicht, aber wir müssen ja auch schon um 4 Uhr schließen. Gewalt darf einfach nie ein Thema sein!

Hat das Flex Fehler im Umgang mit dem Thema Drogen gemacht?

Mag sein, dass hier im Nachhinein früher was gegen die Dealer auf der Augartenbrücke passieren hätte müssen. Im Lokal, und das attestiert uns ja auch die Polizei, gibt es kein Problem. Meine Meinung ist, dass es eigentlich das Problem der Polizei gewesen wäre, hier früher einzuschreiten. Stattdessen hat die Polizei gewartet, bis die Front gegen das Flex seitens Stenzel und Anwalt aufgebaut war und uns dann quasi „bestraft“. Möglicherweise – meine Meinung wie gesagt – hätten wir hier früher gegensteuern können. Doch oben Securities hinzustellen war extrem aufwändig und anstrengend. Irgendwann hieß es dann überall, das Flex ziehe die Drogen an. Danach war es schwierig, doch mittlerweile ist die Situation anders und die Dealerproblematik hat sich wieder an andere Plätze verlagert.

Andere Locations in Wien haben sich fast ohne Limits der Werbung, Sponsorings und Marketingveranstaltungen geöffnet. Wie war das bei euch im Lauf von 15 Jahren Locationgeschichte?

Sehr langsam, aber natürlich gibt es Kooperationen. Es weiß ja jeder, dass man bei gutem Verkauf ein beliebter Partner wird. Und wenn Getränkefirmen ihre Kunden supporten und dafür da und dort ein Leuchtschild wollen, es aber dem Club extrem hilft, wird man sich nicht dagegen verwehren. Aber es wird immer Grenzen geben!!

Wie wichtig ist euch das politische Profil des Clubs? Mit Veranstaltungen wie dem „Big Brother Award“ hat sich das Flex schon früh positioniert. Neue Locations pfeifen großteils darauf und positionieren sich als Marke…

Damals war das sehr wichtig. Der Award ist ja weitergezogen, doch unsere Positionierung bleibt. Andere Clubs wollen nur rasch nach oben, da wird auf die political correctness gesch……

Das Flex war neben der Summer Stage Pionier am Donaukanal. Fühlt ihr euch zwischen all den all den Prosecco-Bars und After-Work-Stränden mittlerweile als Fremdkörper?

Na, auf unserer Seite gibt’s ja noch keine. Die Tel Aviv Beach sehe ich ja sehr positiv und ansonsten gibt’s ja wohl noch nicht so viel – am Kanal. Aber nein, Fremdkörper sind wir sicher keiner, im Gegenteil, je mehr es qualitativ Hochwertiges gibt, umso besser ist es, die durchgerockten Stände unter der Salztorbrücke mit ihrem Schwarzmeerflair wirken da eher wie Fremdkörper.

Wurden außer „In 3 Tagen bist du tot 2“ noch andere Filme im Flex gedreht?

Ja, „Local Heroes“, „Gelbe Kirschen“ und diverse Videoclips. Mal auf die Schnelle.

Das Flex war lange der einzige Club, der Visuals breiten Raum gab. Durch ein Festival wie das Sound:frame oder das Urban Art Forms fand die VJ-Kultur deutlich mehr Beachtung. Andrerseits hat das Flex eigene Visuals auf ein Minimum reduziert. Wird das so bleiben?

Es gibt im Club gute Möglichkeiten, Visulas einzusetzen, das Problem sind schlichtweg die Kosten, ein VJ will auch Geld, mittlerweile gar nicht wenig, und bei den engen Kalkulationen geht sich das oft nicht aus, aber bei großen Events dürfen sie nicht fehlen. Es gibt ja ständig Effekte und Visuals, somit geht der „echte“ VJ vielleicht nicht so sehr ab.

Die Restbestände von Sabotage Records wurden 1999 im Flex geschmolzen und seither tanzt man bei euch auf Vinyl – ist das immer noch so?

Naja, Legende! Einige wenige sind da wohl noch übrig, aber der Rest hat sich wohl verflüchtigt.

Nicht viele Menschen hatten in den letzten fünf Jahren die Idee ein Label zu gründen. Ihr schon. Wie gut funktioniert Flex Schallplatten bisher? Was sind kommende Releases?

Nun, die Idee war gut, nur die Zeit war schwierig. Sie wird auch immer schwieriger, Vinyl verkauft sich kaum noch und nur digital reicht uns nicht.

Nach der „Views“ im Juli 2009 haben wir eine Pause gemacht, die nächste von Ken Hayakawa ist aber fertig, wir werden 2011 wieder 3 bis 4 Produkte auf den Markt geben.

Es bedurfte nur einer Runderneuerung und leichter musikalischer Neuorientierung.

Wo ist eure fetzige LED-Wand hin? Verkauft? Im Abstellkammerl?

Hinter der Bühne steht die eine Hälfte, die andere ist derzeit außer Betrieb, man muss sich ständig verändern. 🙂

Nach etlichen Jahren ganz nahe an der Spitze ist das Flex im Vorjahr aus einigen Listen der besten europäischen Clubs gefallen – warum?

Nun, schwierige Frage. Ich sehe in der Sperrstundenproblematik das Hauptproblem. Und eben in der Tatsache, dass es uns schon lange gibt, da gibt es stets Wellentäler. Hoffen wir auf 2011, auf die neue Regierung in Wien und darauf, dass die freien Tage unter der Woche eventuell hier auch wieder zur Spielwiese für neue Projekte werden können. Das Flex hat schon viele Krisen durchgemacht, und besucht sind wir ja noch immer sehr gut.

Zum Zeitpunkt unsrer Coverstory im Jahr 2004 hatte das Flex 25 ständige Mitarbeiter, wie sieht das heute aus?

Zum ständigen Betrieb braucht auch heute diese Anzahl, weniger geht ja nicht.

Bekommt das Flex Förderungen?

Nein, entgegen vielen Gerüchten, nicht!!!

Verfolgt ihr wie andere, wichtige Locations in Europa funktionieren, was neue Konzepte für Konzerte und Parties sein könnten?

Rudi Wrany: Sicher, ich versuche etwa einige neue Ideen im Jahr 2011. So will ich das Crazy früher öffnen, in den ersten 1,5 Stunden jungen talentierten DJs mehr Plattform geben oder auch die „Tagesparty“ Geschichte zu positionieren.

Allgemein kommen wir viel herum, schauen uns viel an und es wird ständig verändert und verbessert, 2011 wird das auch sicher wieder so sein. Und klar, dass andere Clubs hier immer auch Vorbild sein können.

Der Live-Sektor boomt angeblich, stagniert heuer zum ersten Mal seit langer Zeit. Könnt ihr beides aus eigener Erfahrung bestätigen?

Eher das Boomen, denn das Stagnieren (Peter), die Konzerte im Flex funktionieren zum Grossteil sehr gut, hier hat Peter Schachinger sicher den richtigen Riecher.

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