Seit 45 Jahren finden auf dem Veranstaltungsgelände in Wiesen Open-Air-Konzerte und Festivals statt, die Künstler*innen und Publikum von nah und fern ins Burgenland locken. Wiesen steht gleichzeitig für Kontinuität und stetige Neuinterpretation. Von Beginn an wurde der Veranstaltungsort von der Familie Bogner betrieben und zu guten Teil auch programmiert. Mit jedem Jahrzehnt des weiteren Bestehens wuchs die musikalische Bandbreite sowie die technische Ausstattung am Gelände. Aktuell finden umfassende Sanierungsarbeiten in mehreren Phasen statt, schließlich sind viele Bereiche in die Jahre gekommen. Auch der schon zuvor sehr wichtige Nachhaltigkeitsaspekt rückt in Wiesen mit dem bevorstehenden Relaunch noch stärker in den Fokus. Juliane Bogner spricht über Vergangenheit und Zukunft jenes Areals, das national und international einen kulturellen Anziehungspunkt darstellt, der seinesgleichen sucht.
45 Jahre sind eine lange Zeit. Kannst du die Entstehungsgeschichte und die damit gewachsene Struktur rund um eure Familie und das Festivalgelände zusammenfassen?
Juliane Bogner: Gewachsen ist in diesem Zusammenhang das richtige Wort. Angefangen hat alles mit dem Jazz Pub im Ort, das immer noch besteht und ursprünglich das Wirtshaus des Großvaters gewesen ist. Mein Vater hat 1972 die Schule abgebrochen und wollte Miles Davis und andere große Musiker*innen der damaligen Zeit hören, allerdings fand er die üblichen Veranstaltungen und Fünf-Uhr-Tees unbefriedigend. Er wollte etwas Fetzigeres und so ist eine der frühen Diskos Österreichs entstanden. Damals wie heute ist eines unserer Mottos: »Wir haben’s versucht und wir versuchen’s noch ollawei.« Also, dass es reizvoll bleibt. Es war anfangs überraschend, wie gut die Disko läuft und die Nachfrage ist immer weiter gestiegen. Dann hat sich angeboten, nach draußen zu gehen und größer zu veranstalten. Also passierten Konzerte am Sportplatz oder im Obstgarten und auf Wiesen, die allesamt gut besucht waren. Bis wir dann eben die jetzige Location gefunden und ab 1976 ein beständiges Festivalgelände aufgebaut haben.
Und wo hat die Reise auf musikalischer Ebene begonnen? Oder anders: Was hat so viele Menschen immer wieder nach Wiesen gebracht?
Die ersten zehn Jahre waren von Jazz geprägt und ungefähr alle weiteren Dekaden kam etwas Neues dazu. Anfangs gab es nur einmal im Jahr ein Event, bei dem Zelt und Bühne extra aufgebaut wurden. 1985 fand das erste Reggae- und World-Music-Festival statt, wieder zehn Jahre später kam das erste Rock-Festival, nachdem Ewald Tatar (jetzt Geschäftsführer von Barracuda Music, Anm. d. Red.) als DJ im Jazz Pub begonnen hatte. Dann das Urban Art Forms als elektronisches Dance-Festival, nachdem mein Vater Christian Lakatos kennengelernt hatte. 1990 ist das Veranstaltungszelt als permanente Überdachung gebaut worden. Diese räumliche Struktur ist bis heute einzigartig. Ein Veranstaltungsort mitten in der Natur, halb Open-Air, mit Campingplatz und allen Anschlüssen, die es braucht. Wiesen war schon immer ein nationales und internationales Phänomen. Auch wegen des familiären Charakters, das strahlt natürlich auf das Publikum und die Artists aus.
Wie geht es dem Festivalgelände und dem Jazz Pub aktuell und woran wird gerade gearbeitet?
Wir sind die letzten eineinhalb Jahre ständig von Plan A auf Plan B umgeschwenkt – und landeten dann bei Plan C. Dieses Jahr mussten wir etwas Sicheres auf die Beine stellen, bei dem das Publikum sitzen und zusehen kann, auch wenn Wiesen normalerweise von der Bewegung lebt. Deshalb kam für uns Kabarett ins Spiel, das sich für solche Formate eignet. Hinzu kommt das Artists, Drums and Fire als neue Veranstaltung – mit Percussions, Feuershow und Artist*innen. Außerdem noch die Abschiedstournee von Opus am 26. August. Und wir starten als Familie eine Neuauflage des Jazz Fest Wiesen, das die letzten Jahre nicht mehr stattfand. Unter dem Motto »Wow – Women of Wiesen« werden die nächsten drei Jahre des Jazz Fests mit Schwerpunkt auf Acts mit Frauen im Mittelpunkt programmiert. Da werden großartige Künstlerinnen wie Rebekka Bakken oder Ida Nielsen dabei sein. Zweitere war sechs Jahre lang Bassistin von Prince, sie ist sehr funky. All das kann unter Corona-Bedingungen stattfinden. Auch in Pandemiezeiten zeigen sich die Stärken von Wiesen: viel frische Luft, ohne wetterabhängig zu sein.
Folgt die zukünftige Programmierung einem gewissen Konzept betreffend Musik oder auch Nachhaltigkeit?
Wiesen war schon immer breit aufgestellt und uns ist wichtig, dass es bunt, multikulturell und respektvoll zugeht. Nachhaltigkeit ist uns ein wichtiges Anliegen, denn wir befinden uns mitten in der Natur und alle Veränderungen sollen der Umwelt möglichst nicht schaden. Wir haben schon seit den 90ern riesige Regenwasserauffangbecken, die die Klospülungen speisen. Außerdem thermische Solaranlagen, Photovoltaik und ein Shuttlebusservice. Wir erfüllen schon viel in Bezug auf Green Events und was noch fehlt, wird dieses Jahr angegangen, um noch heuer die Zertifizierung des österreichischen Umweltzeichens zu erlangen. Für nächstes Jahr sind dann auch wieder Festivals geplant: im August Reggae, im Mai Punk, und auch Metal wird Platz finden.
Das klingt alles sehr zuversichtlich und stabil, sind denn die Folgen der Corona-Pandemie für euch trotzdem spürbar?
Die Aushilfen und Förderungen decken die Fixkosten nicht ab und Kredite aufzunehmen tut auch weh. Aber wir haben das Glück, dass 2022 viel auf dem Plan steht und wir die Ausfälle gut abfedern können. Das sind Lichtblicke, die wir jedenfalls brauchen. Das als Familie zu machen hat Vor- und Nachteile, aber in dieser Situation wird wieder klar, dass wir wissen, warum wir tun, was wir tun, und dass wir zusammenhalten.
Das Jazz Fest Wiesen findet heuer am 28. August statt. Unter dem Motto »Wow – Women of Wiesen« sind zu sehen: Rebekka Bakken, Ida Nielsen, Barbara Dennerlein, Cyrille Aimée, Lash & Grey sowie Lylit. Weitere Infos zum Festivalgelände Wiesen und dessen Programm sind unter www.wiesen.at zu finden.