Katie Crutchfield probiert sich auf dem dritten Album ihres Projekts Waxahatchee an einer subjektiven Weltverstehung. Absolute Lösungen gibt es nicht.
Wenn zwei (seltener: mehr) Menschen sich im Sinne von Sexualität, Kuschelkurs und Geistesschwesternschaft begegnen, führt das zu Schwierigkeiten. Eine ausgeleuchtete Kalenderblattweisheit: Beziehungen sind Schlamassel, Dilemmas. Die eine will so, der andere so. Schmusen, pieksen, stechen, drängeln, haten. Längst ist auf den Feldern der sozialen Internet-Gemeinsamkeit eine Status-Option etabliert, die das schwammige Verhältnis zwischen zwei sich immerhin ein bisschen gern habenden Personen nebulös umreißt.
Die aus Alabama stammende, mittlerweile vornehmlich in Staten Island, New York ansässige Musikerin Katie Crutchfield besingt in ihrem Projekt Waxahatchee schon drei Alben lang die Turbulenzen aus dem Poesiealbum, die Themen aller Themen, die Herzprobleme. Zunächst karg mit Folk-Gitarre instrumentiert, dann krachiger, elektrischer, auch Pop zugetan und mit steilen Hooks gut versorgt. Ihr drittes Album hat Waxahatchee nun mit einem selbst ersonnenen Begriff, »Ivy Tripp« genannt: Es geht ein Trip nach Nirgendwo, ins Efeu, ins Gemüse, in die Großstadt. »Ivy Tripp« handelt so von der Orientierungslosigkeit im eigenen Leben, vom angeblichen Versuch zu reifen, sich Antrieb zu verschaffen, und wieder vom zittrigen Balancieren im Umgang mit anderen. Oder auch dem einen anderen. »I can imitate some kind of love«, heißt es im Song »Stale By Noon«, »our love tastes like sugar but it pulls the life out of me« in »Half Moon«. Es geht hier jedoch nicht um die Verkultung des eigenen sexy Weltschmerz. Mal ist man der Geprügelte, mal ist man der Verarscher – »Ivy Tripp« weiß das.
Ihre Erkenntnisse hat Katie Crutchfield in 13 kleine Portionen gegossen. Kammer-Pop an Klavier oder Orgel, aufgekratzter Power-Pop, Post-Grunge, Gitarren-Drones in Zeitlupe, pluckernde Billig-Casio-Tunes für die Glücklich-Einsamen. Katie Crutchfield ist Dompteuse eines staubigen Lebens, sie wischt in den letzten Ritzen aus. Mehr ist aus dem alten Zuber namens Singer-/Songwritertum kaum zu schöpfen. Optionen, seltsame Zwischenformen der intermenschlichen Aktion, Ruhelosigkeit, Glühen. Ja. Nein. Vielleicht.
(09/10) Philipp L’Heritier