Wolkenbruch

Es blitzt und donnert. Schwedenbombe Tove Lo versteht ihr Handwerk und krönt sich selbst zur Himmelskönigin. Auf ihrem Debüt treibt sie Pop in schwindelerregende Höhen.

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Tove Lo hält, was sie bereits Anfang des Jahres auf ihrer "Truth Serum"-EP versprochen hat: "Queen of the Clouds" ist eines der besten Alben des Jahres geworden. Während Robyn ja bekanntermaßen immer noch auf sich warten lässt, liefert Tove die längst überfällige Dosis Schwedenpop in ihrer allerhöchsten Konzentration. Jedoch findet sie ihre ganz eigene, finstere Nische mit einer viel grobkörnigeren Variante als ihre Kollegin sie bietet.

Sex, Liebe, Schmerz

Ihre bevorzugten Themenschwerpunkte teilen die Tracklist in drei Kapitel zu jeweils vier Songs ein: The Sex, The Love und The Pain. Letzteren betäubt Tove Lo übrigens gern mit Rauschgift, nur um dann später in die Badewanne zu kotzen. "Habits" hat zwar schon ein paar Monate auf dem Buckel, weniger großartig ist er deshalb allerdings nicht geworden. Das hat jetzt – anderthalb Jahre nach seinem ursprünglichen Release – auch der Rest der Welt erkannt, der Song entwickelt sich nämlich gerade zum Spätzünder-Hit. Das lag nicht zuletzt am Hippie Sabotage-Remix, der sich irgendwie zu einem eigenständigen Song entwickelte und sogar kurzzeitig das Original zu überschatten drohte, schließlich aber doch klein beigeben musste. Als die #5 im US-iTunes Store geknackt war, twitterte Tove "IMMA FUCKIN POPSTAH!!". Und ein verdammt guter noch dazu. Angefangen hatte sie ja als Max Martin-Protégé und Songwriter für Icona Pop oder Girls Aloud, heute tritt sie als Haupt-Act im amerikanischen Late Night-Fernsehen auf. Es fühlt sich an wie die sachgemäße Ankunft eines künftigen Superstars mit Hang zur Selbstzerstörung.

Geht auch unbeschwert

Die Songs aus der "Pain"-Sektion tun schon ziemlich weh – und generell ist auf der Platte, wie auch schon auf der EP, einiges an schwedischer Schwermut vorhanden – in der Sex-Abteilung kann Depri-Tove aber auch mal unbekümmert sein: "Like Em Young" macht wunderbar viel Spaß und man wundert sich ein bisschen, dass man nicht zumindest versucht hat, den an Madonna zu verkaufen. Bei "Timebomb" explodiert sowieso alles.

Die fast schon majestätisch peitschenden Melodien lassen kurz an Sia denken, die an dieser Stelle ihren Herzschmerz wohl metaphorisch umschrieben hätte, wohingegen Tove Lo lieber brutal ehrlich und mit heiserer Stimme über Drogen, Alkohol und Sex-Clubs singt. Im Refrain von "Talking Body" heißt es "if you love me right, we fuck for life" und man kann gar nicht anders, als seinen Ohren anfangs nicht ganz zu trauen und nochmal genauer hinzuhören, nur um festzustellen, dass es tatsächlich "fuck for life" heißt und einfach nur super ist.

Mitten im emotionalen Gewitter kommt dann plötzlich auf "Moments" der ganz große Sturm angedonnert. "I’m not the prettiest you’ve ever seen, but I have my moments", singt sie beinahe demütig, aber forsch. Zumindest an ihren guten Tagen ist sie dann aber "charming as fuck". Stimmt, auch wenn sie auf den Pressefotos immer irgendwie müde, betrunken und/oder wahnsinnig sexy aussieht. Manchmal wirkt sie schon ein bisschen messy, die Tove, aber das macht sie nun mal aus. Sie läuft keinem Trend hinterher, braucht keine Saxophone und keine Featurings, und thront trotzdem jetzt schon weit über den Wolken einer von EDM überfluteten Musiklandschaft. "Queen of the Clouds" ist nicht das, was Pop heute will, aber genau das, was Pop braucht.

"Queen of the Clouds" von Tove Lo erscheint hierzulande am 23. Januar via Island/Universal Music.

Bild(er) © Johannes Helje, Universal Music
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