Sind Hollywoods Superheldenfilme sexistisch? Mehr als das übliche Hollywood? Und ändert sich das gerade?
Betrachten wir zum Beispiel die Filmversion der »X-Men«. Anders sein bedeutet hier, Mutant sein. In Teil eins wird über eine Registrierungspflicht der Mutanten verhandelt, in Teil zwei gegen die Mutanten mobilgemacht und in Teil drei ein Heilmittel für oder gegen die Mutanten in Umlauf gebracht. X-Men-Schützling Rogue (Anna Paquin), die mit ihrer Mutation nicht zu Rande kommt, zeigt sich von der Aussicht auf Heilung begeistert. X-Men-Führungsfrau Storm (Halle Berry) erklärt daraufhin: »Sie können uns nicht heilen. Und weißt du warum? Weil es nichts zu heilen gibt. Mit dir ist alles in Ordnung. Mit allen von uns.« Natürlich gibt es auch Captain America und Superman, die so geradlinig, gut und flach sind, wie das einfachere Zeiten erfordern. Sie zählen allerdings zu den weniger erfolgreichen Comic-Verfilmungen. Gerade die X-Men wurden dagegen immer wieder als Metapher für die unterdrückte, homosexuelle Community interpretiert, die für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung kämpft. Und das in einem Blockbuster, der laut Internet Movie Database alleine in den USA über 230 Millionen Dollar einspielen konnte. Filmgewordene Comic-Heroen wie die X-Men haben nicht nur das Potenzial, sondern auch den Anspruch, anders zu sein. Zumindest die männlichen Mitglieder der Superheldentruppe.
Frauen im Kühlschrank
Fremdartigkeit ist Trumpf! Wer aber glaubt, dass dieses Motto prinzipiell auf alle Bereiche, sprich alle in Comic-Adaptionen repräsentierten Bevölkerungsgruppen anwendbar ist, liegt falsch. Hollywood übernimmt nämlich gerne noch eine weitere, weniger positive Tradition der Vorlagen: Die stereotype Darstellung von Frauen, die häufig als sexistisch angesehen wird. Grob lässt sich die Kritik an der Gestaltung der (Kino-)Comic-Damen in drei Kategorien einteilen.
Erstens: Unterrepräsentation. Nur in absoluten Ausnahmefällen bestreiten Superheldinnen ihre Kinoabenteuer als Titelfiguren und Hauptprotagonistinnen. »Tank Girl« (Dark Horse, 1995), »Barb Wire« (Dark Horse, 1996), »Catwoman« (DC, 2004) und »Elektra« (Marvel, 2005) – viel länger wird die Liste der Kino-Heldinnen nicht, auch wenn »Wonder Woman« und »Captain Marvel« bereits in den Startlöchern stehen. Zweitens: Das äußere Erscheinungsbild. Großer Vorbau, praller Hintern, eng anliegende oder kaum vorhandene Kleidung – zumeist sehen Black Widow und Co. wie lebendig gewordene Männerfantasien aus. Drittens: Mittel zum Handlungszweck. Mangelt es dem Plot bzw. dem Superhelden an Motivation, bietet es sich an, diese durch den Mord an einer weiblichen Nebenfigur zu gewährleisten.
Man bezeichnet diesen Topos als »Frauen in Kühlschränken« (der Begriff geht auf eine Ausgabe von »Green Lantern« zurück) und findet ihn auch in den Hollywood-Adaptionen, etwa in »Daredevil« (2003), um nur ein Beispiel zu nennen. Black Widow hätte das gleiche Schicksal in »Age Of Ultron« blühen können. Anstatt Hulk als toter Grund zur Rache zu dienen, schwärmt sie lediglich vom gemeinsamen Ausstieg bei den Avengers und einem normalen Leben samt Beziehungsglück. Regisseur und Drehbuchautor Joss Whedon, für Feminismus und starke Frauenfiguren bekannt, musste dafür einiges an Kritik einstecken. Selbst dem großen Joss, mittlerweile aus der Franchise ausgestiegen, war das Marvel-Disney-Joch am Ende wohl zu schwer. In einem Film, der weltweit über eine Mrd. Dollar einspielen soll (die Marke wurde im Mai geknackt), darf Black Widows 3D-Hintern eben nicht fehlen. Der Status Quo: Auf jeden kleinen Schritt nach vorne – wie »Marvel’s The Avengers« – folgen zwei größere zurück – wie »Age of Ultron«.
Auch wenn Hollywood in vielen Teilen der USA als verruchter Hort von linkem Liberalismus gilt, der dem Land seine Vorstellungen aufzwängen will, hat Hollywood gezeigt, dass es einerseits auf einem Auge blind sein kann, aber auch fähig ist, dazuzulernen. Im Fernsehen soll das schon sehr bald viel besser funktionieren. Mit »Marvel’s Agent Carter« beispielsweise oder dem vorab hochgelobten »Supergirl«.
Weitere Filme mit Superheldinnen abseits von Hollywood-Klischees sind beispielsweise »Kick Ass«, »Sin City« oder »Guardians Of The Galaxy«. »Marvel’s Agent Carter« läuft seit Ende Mai auf Syfy, »Supergirl« startet im Oktober.