Trotz Hollywood-Patzern präsentiert Joss Whedon mit „The Avengers“ vielleicht die bisher souveränste Metamorphose von der Comicverfilmung zum Blockbuster.
Hochfrequent pochen dieser Tage die Herzen der Marvel-Fans. Jüngst noch in ihre separaten Filmabenteuer gepfercht, bündeln der hammerschwingende Donnergott Thor, der Super-GI Captain America, der Ein-Mann-Rüstungsetat Iron Man und der giftgrüne Aggro-Muskelberg Hulk nun endlich ihre Kräfte. Mit „The Avengers“ läuft derzeit eine der populärsten Franchises der US-amerikanischen Comic-Literatur in den österreichischen Kinos.
Vor 23 Jahren bewies Tim Burtons „Batman“ als erster Film das kommerzielle Potential auf die Leinwand transponierter Comic-Helden. Die Ausnahme-Erscheinung ist längst zum eigenständigen Filmgenre gewachsen. Comic-Adaptionen haben in Hollywood Hochsaison. Angesichts des Sequel- und Remake-Wahns, den die US-amerikanische Filmindustrie gegenwärtig durchlebt, erscheint das durchaus logisch. Was könnte sich besser für diese Kinolandschaft eignen, als serielle Bildromane mit zeitlosen, doch stets wandelbaren Hauptfiguren? Nicht zu vergessen, dass letztere eine gewaltige Fanbase mitbringen. Die Studios legen Wert darauf, diese Anhängerschaft bei Laune zu halten, während sie das Comic-Universum ebenso ertragreich kolonialisieren. Comic-Verfilmungen sind nicht länger Fan-Baits, sondern wahre Blockbuster – Hollywood’s Finest! – die auch unabhängig von ihren Vorlagen funktionieren. Kein Wunder also, dass „The Avengers“ am Startwochenende den Rekordumsatz von 207 Millionen US-Dollar einspielte.
Raufende Weltretter
Der Plot des Films ist schnell erzählt: Fiesling Loki will mit Hilfe einer Alien-Armee die Erde unterwerfen, woraufhin S.H.I.E.L.D. – die geheimste aller geheimen und freilich auch die unentbehrlichste aller weltpolizeilichen US-Behörden – mit der Rekrutierung einer schlagkräftigen Eingreiftruppe beginnt. Diese besteht aus der illustren Riege oben genannter Einzelkämpfer, die zwar über immense Kräfte verfügen, sich jedoch nicht gerade als teamfähig erweisen. Wie zu erwarten, folgt auf die anfänglichen Raufereien schließlich das große Aufraffen; ein kurzzeitiges Zerwürfnis weicht dem kameradschaftlichen Schulterschluss zur Rettung der Welt.
Es macht tatsächlich Spaß, den Superhelden erst beim gegenseitigen Abwatschen, dann bei der kollektiven Demolierung Manhattans zuzusehen, die angesichts der Weltrettung einfach dazu gehört. Die Spezialeffekte, die dabei zuhauf vom Stapel gelassen werden, sind imposanter und bombastischer Natur, drängen jedoch weder die altbekannten noch die frisch hinzugefügten Charaktere in den Hintergrund. Das gilt sowohl für die Figuren selbst, als auch für die Stars, an die sie geknüpft sind.
Während Robert Downey Jr. als filmgewordener Iron Man schlichtweg nicht mehr aus dem Marvel-Kino wegzudenken ist – ein Status auf den auch Chris Hemsworth als Thor und Chris Evans als Captain America fleißig hinarbeiten – bekommen der Hulk und sein Alter Ego Bruce Banner ein neues Gesicht: nach Eric Bana und Edward Norton wird der gammaverstrahlte Wissenschafter nun (hervorragend!) von Mark Ruffalo verkörpert, und das dank Motion-Capture-Technik in beiden Erscheinungsformen. Neu ist auch die als Robin aus der Hit-Serie How I Met Your Mother bekannt gewordene Cobie Smulders. Als Untergebene des S.H.I.E.L.D.-Direktors Nick Fury (von Samuel L. Jackson gewohnt taff in Szene gesetzt) bleibt sie darstellerisch aber weitgehend farblos. Jeremy Renners Hawkeye und Tom Hiddlestons Loki (beide bereits aus dem Film Thor bekannt) hinterlassen ebenfalls keinen bleibenden Eindruck. Scarlett Johansson verkommt als kurvenreiche, in Latex gehüllte Spionin Black Widow zum optischen Aufputz.
Blockbuster mit Potential
Womit wir bei den Blockbuster-Wehwehchen angekommen wären, an denen „The Avengers“ leidet. Dazu zählt der scheinbar unvermeidbare patriotische Pathos der großen Hollywood-Produktionen – beispielsweise wenn die Kamera aufopferungsbereite Feuerwehrmänner im brennenden New York einfängt, oder Captain America, in die US-amerikanische Flagge gehüllt, eine Gruppe ergebens kniender Deutscher vor dem Möchtegern-Diktator Loki rettet. Dazu zählen die unnötigen Längen im Mittelteil, in dem verzweifelt versucht wird, eine Tiefgründigkeit zu generieren, die der Film jedoch abstößt wie ein inkompatibles Spenderorgan. Dazu zählt das Gefälle innerhalb der Superheldentruppe, das zwischen den durch Iron Man und dem Hulk verkörperten Gegensätzen entsteht. Ttrockener, zynischer Humor verliert gegen Brachial-Pointen; der subversive, der stets hinterfragende Tony Stark aka Iron Man ergibt sich der Hau-Drauf-Mentalität des Hulk.
Von Fantasy/Sci-Fi-Haudegen Joss Whedon („Buffy“, „Firefly“), der bei „The Avengers“ als Drehbuchautor und Regisseur fungierte, hätte man sich mehr erwarten können. Von einem Blockbuster hingegen um einiges weniger. Was Filme wie „X-Men: First Class“ oder „The Dark Knight“ bereits vorexerzierten, bietet „The Avengers“ in Reinkultur: Nicht nur die Fans der Comic-, sondern vor allem die Fans der Film-Franchise gilt es zufriedenzustellen. Bewerkstelligt wird dies – in gewohnter Hollywood-Manier – mit Special-Effects-Superlativen und eben brachiale Pointen. Doch wie kein anderer Superhelden-Streifen verdeutlicht „The Avengers“ die Metamorphose von Comicverfilmung zu Hollywood-Produkt so klar. Dass der Film sich dabei nicht unklug und altbacken präsentiert, darf Whedon hoch angerechnet werden. Was übrig bleibt ist großes, fettiges Popcornkino, nicht mehr und nicht weniger.