Vea Kaiser legt nach. Anlässlich des Erscheinens ihres zweiten Romans "Makarionissi" hat die österreischische Erfolgsautorin sehr offen mit uns geplaudert – von Homer bis Stalking, von Ronja von Rönne und Andreas Gabalier bis zur Kuh Miriam. Eine lesenwerte Interview-Odyssee.
Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich eines Tages mit Vea Kaiser, deren Vorname damals noch ein bisschen anders lautete, vor dem Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein stand, an dem wir beide studierten. Sie „nur“ Altgriechisch, ich „nur“ Latein. Selbst an einem kleinen Institut wie unserem gab es also wenig Berührungspunkte und wir kannten einander nur vom Sehen. Ich wunderte mich also eher, als Vea ganz beiläufig erwähnte, dass sie gerade an einem Roman arbeitete. Abschätzig wie wir Realo-Latinisten besonders griechischen Schöngeistern gegenüber nun einmal sind, dachte ich mir so etwas Ähnliches wie: „Mhm, mal schauen.“
Als „Blasmusikpop“ dann erschienen und Vea Kaiser innerhalb kürzester Zeit zur wohl bekanntesten österreichischen Schriftstellerin avanciert war, war ich sicherlich nicht die einzige, die dann auch wirklich geschaut hat. Retrospektiv betrachtet verwundert der große Erfolg des Buchs nicht. Mit „Blasmusikpop“ schuf Vea Kaiser den perfekten Unterhaltungsroman. Zugänglich aber nicht platt, klug aber nicht arrogant. Ein Buch mit dem optimalen Titel, von der richtigen Person zur richtigen Zeit geschrieben.
Anlässlich des Erscheinens von Kaisers zweitem Werk „Makarionissi oder die Insel der Seligen“ wurde ich gebeten, meine alte Studienkollegin zu treffen und mit ihr genau das Gespräch zu führen, das uns während unserer gemeinsamen Studienzeit nie vergönnt war.
So trafen wir uns in Begeleitung von Veas Hund am Donaukanal und fanden es beide lustig, einander in einer Interviewsituation nach langer Zeit wiederzusehen. Natürlich ging es in den ersten Fragen um die alten Griechen – denn wenn man schon einmal mit jemandem darüber reden kann…
Wann und was war deine letzte Altgriechisch Prüfung und welche Note hast du bekommen?
Meisterwerke der antiken Kunst – die habe ich seit dem ersten Semester rausgeschoben, weil der Vortrag in den sieben Jahren, in denen ich sie jetzt immer wieder höre, auch nicht spannender geworden ist. Ich habe, weil mich der Stoff ja interessiert hat, selber gelesen und ich wage zu behaupten, dass ich zu den 0,1 Prozent gehöre, die drei oder mehr Titel auf der Leseliste gelesen habe. Bekommen habe ich einen Vierer. Ich habe jede Frage beantwortet nur nicht in den Worten der Vortragenden – und das wurde mir wohl zum Verhängnis.
Was steht noch an?
Griechische Kulturgeschichte – die wird ja nur alle vier Semester angeboten.
Aber die gehört grundsätzlich zu den machbaren Sachen, oder?
Ja, grundsätzlich schon, aber seit ich „Blasmusikpop“ herausgebracht habe, kann ich nicht mehr so unbeschwert studieren. Davor war mir meine Performance relativ wurscht, jetzt fühl ich mich etwas unter Beobachtung, weil ich ja doch auch immer wiedermal etwas zu den Themen in den Medien sage. Da wäre es mir unangenehm zu einer Prüfung zu gehen, bei der ich nicht so gut vorbereitet bin, dass ich dann auch einen lupenreinen Einser bekomme.
Fühlst du dich denn als Aushängeschild für „alles Klassische” und damit in eine Rolle gedrängt, der du gerecht werden musst?
Nicht von der Uni. Da gibt’s nur hin und wieder Witze über meine Orthografie, oder wenn ich einen schiefen Satz baue – auf eine liebevolle, humorvolle Weise. Gymnasiallehrer verwenden mich ganz gern als Testimonial für Griechisch. Aber sollen sie ruhig. Wenn die Spanisch-Lehrer mit Shakira hausieren gehen können … (lacht)
Ich will halt nicht den größten Blödsinn erzählen – es ist ja ein Privileg, dass ich etwas wirklich Leiwandes einem weiteren Kreis an Menschen näherbringen kann, die sich sonst vielleicht nie damit beschäftigen würden.
Bist du eigentlich Anhängerin der Theorie, dass Homer eine Person ist, oder der, dass Homer ist ein Kollektiv ist?
(lacht) Also ich bin definitiv kein Anhänger der Theorie, dass Homer ein kilikischer Eunuch war …
Ob jetzt aber Homer einer oder ganz viele Menschen waren, die das niedergeschrieben haben, übersteigt meine Kompetenz. Die Diskussion hat ja auch religiöse Dimensionen (lacht).
Raoul Schrott, dessen Theorie du da ansprichst, hat der wissenschaftlichen Community mit seinen wirren Thesen zu Troja und Homers Penis keine große Freude gemacht …
… kürzlich haben mir die Veranstalter bei einer Lesung ganz stolz geschrieben: „Frau Kaiser, stellen Sie sich vor, da kommt auch der Herr Schrott.“ Und ich ihnen zurück: „Ich verstehe eigentlich nicht, warum man einem solchen Scharlatan eine Bühne bietet. Ich schau mir das sicher nicht an.“
Ich bin sicher keine gute Wissenschaftlerin, aber was ich ganz gut kann, ist Dinge, die stimmen, vermitteln und das unterscheidet mich schon mal fundamental von Herrn Schrott.
Gab es bei deinem Debütroman „Blasmusikpop“ Lesarten, die du fehl am Platz fandest?
Jedes Mal, wenn irgendein FPÖ-Politiker „Blasmusikpop“ als Lieblingsbuch bezeichnet hat, ist mir die Galle hochgekommen. Weil es ja ein Buch ist, bei dem es am Ende um Toleranz geht. Dass gerade Menschen, die überhapt keine Akzeptanz an den Tag legen, sich auf eine Lederhose draufsetzen und so tun, als wäre das ihr Gedankengut, ist schockierend. Lena Hoschek kann da auch ein Lied davon singen.
Wieso hast du eigentlich so schnell ein zweites Buch publiziert – Vertrag oder eigener Wunsch?
Ich wollte beweisen – vor allem mir selber –, dass „Blasmusikpop“ nicht nur ein One-Hit-Ding war.
Du warst durch den Erfolg von „Blasmusikpop“ permanent auf Reisen. Ein Thema, das sich auch in deinem neuen Roman „Makarionissi“ sehr stark wiederfindet. Einfluss?
Sicher. Sind ja alles meine Stationen: Hildesheim, Griechenland, Chicago, St. Pölten, Zürich – an all diesen Orten habe ich viel Zeit verbracht. Ich glaube auch, dass es schwer ist, über Dinge zu schreiben, die man nicht selbst am Schirm hat.
Wobei du ja bekannt dafür bist, sehr intensiv zu recherchieren.
Wenn man sich ausschließlich auf das beschränkt, was man selbst erlebt, hat man diese viel zu oft im Buchladen auftauchende Bauchnabelprosa. Da geht es dann in zehn Büchern darum, wie ein junger Menschin eine Großstadt flüchtet und dann wegen des Todes eines Familienmitglieds wieder zurück ins Heimatkaff geht, wo er sich mit seiner Familie oder den alten Freunden auseinandersetzen muss. Natürlich kann das auch ein super Buch werden. Aber zehn super Bücher? Unwahrscheinlich. Mich persönlich interessiert es nicht, auf so eine Weise über mich selbst zu schreiben.
Ich habe überlegt, wie man dein neues Buch „Makarionissi“ mit einer Redewendung zusammenfassen kann und mich für „Wer nix wird, wird Wirt“ entschieden. Die meisten Charaktere landen doch irgendwie in der Gastro …
(lacht) Das ist jetzt wirklich hohe Literaturinterpretation, mir wäre es nicht aufgefallen! Aber es stimmt. Vermutlich hast du meine tieferliegende Exitstrategie identifiziert: Wenn’s mit dem Schreiben nix wird, mach ich sicher ein Lokal auf.
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