Ein Notizzettel wird geschrieben, erfüllt seinen Zweck und landet danach im Mülleimer oder auf der Straße. Im Allgemeinen war’s das für den Zettel; eine Ausstellung stellt nun gesammeltes Zettelwerk im Wien Museum aus.
Februar 2010, Schauplatz Feldmühlgasse, 1130 Wien. Ein Zettel, vom Boden aufgehoben und verziert mit Schuhabdrücken, listet handgeschrieben eine Reihe von Beziehungsfragen und am Ende steht die Einsicht: „Mir fehlt die Sicherheit“. Ironischerweise wurde die Analyse auf einem WIFI-Zettel samt Werbespruch „Jetzt will ich’s wissen!“ festgehalten.
Dieser und andere Zettel sammelten sich damals, Anfang 2010, in den Schubladen von Sigrid Eyb-Green. Neben den Inhalten faszinierte die Restauratorin auch der Zustand des Mediums und so kam es, dass die losen Funde systematisch in einem Zettelkasten zusammengeführt wurden. Darin aufgenommen werden Notizzettel, die im öffentlichen Raum verloren wurden und wo Gedrucktes nicht Teil der Notiz ist. Mehrheitlich stammen die handschriftlichen Hinterlassenschaften von den Straßen Wiens, erhalten eine Inventarnummer mit dem Vermerk des Fundortes und der Fundzeit und ergeben in ihrer Gruppierung und mit zunehmender Zahl einen feiner werdenden Querschnitt des Alltags.
Note To Self
Ein Ende des Themenspektrums bilden private Notizen an einen Selbst oder seine Nächsten, die für sich stehen: „Gestern haben wir uns gestritten, heute nicht“. Am anderen Ende befinden sich Hinweise auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge, die das größte Genre der Sammlung, nämlich Einkaufslisten, liefert. Auch wenn die Theorie dazu noch fehlt, aber welcher Schluss lässt sich für das Gesundheitssystem ziehen, wenn Taschentücher und Mozzarella nur in den Monaten Oktober, November und Dezember gekauft werden? Thematisch dazwischen befinden sich Terminlichkeiten, Erinnerungen, die Kommunikation von Kühlschranktüren, Schulbänken und Windschutzscheiben und so weiter – dazu die Fotos links.
Wegschmeißen ist nicht Löschen
In Zeiten elektronischer Einkaufs- oder To-Do-Listen haben Zettel – und besonders die aufgehobenen Zettel – etwas Altmodisch-Sympatisches an sich; vor allem wenn sich der Belag der Straße und die Witterung eingeprägt haben. Sie wurden nicht im Bewusstsein geschaffen, den Alltag zu dokumentieren oder gar zu präsentieren, sondern verweisen unbewusst auf das ‚Normale‘.
Die nebensächliche Notiz – angefertigt für den flüchtigen Moment – hat nun eine Langzeitwirkung. Gut zeigt dies das vor Kurzem erschienene Buch „15 dag Extrawurst“ mit einer umfassenden Auswahl aus dem Zettelkasten. Darin gibt die Sammlerin und Autorin Sigrid Eyb-Green den Fundstücken in kurzen Texten Hintergründe mit – einerseits zur Situation des Findens und auch Assoziatives zu den Inhalten der Zettel, das sich erst aus dem Überblick der mittlerweile rund 700 Exponate ergibt. Eine prägende Rolle spielt auch der Prozess des Sammelns und die damit verbundenen Zufälle und es stellt sich die Frage, wie viel Sammlerin in der Sammlung steckt?
Deshalb erscheint es sinnvoll, gemeinsam mit der Sammlerin einen Blick in den Zettelkasten zu werfen. Kommenden Dienstag 22.10. ab 18.30 bietet sich dazu im Wien Museum die Gelegenheit, wenn Sigrid Eyb-Green im Rahmen einer Ausstellung für einen Abend durch die Notizzettel führt.
Sigrid Eyb-Green führt durch ihre Zettelsammlung, Wien Museum, 22. Oktober 2013, 18:30 Uhr
Grundlegendes zur Sammlung auf der Website der Sammlerin
Informationen über das Buch „15 dag Extrawurst“ der Edition Krill