20 Menschen der heimischen Kulturszene über definierende Momente – Teil 2

20 große Kulturensöhne und -töchter aus dem The-Gap-Umfeld erzählen von einschneidenden Erlebnissen und persönlichen Schlüsselmomenten ihrer Vergangenheit – und Zukunft. Teil 2.

Vergangenheit | Queer

Rhinoplasty (Text: Andreas Reiter) We are sorry, you are welcome!

Die Rhinos © Daniel Gottschling

Das erste Rhinoplasty ist jetzt fast zehn Jahre her, es war an einem Mittwochabend, Anfang April 2007. Entstanden ist es eigentlich aus dem Umstand, dass ich nach einigen Jahren keinen Bock mehr hatte, alle zwei Monate meine Wohnung zu verwüsten, indem ich eine Party für 150 zum Teil wildfremde Menschen schmiss. Zuerst sind wir für zwei Geburtstagsfeiern in den Club U übersiedelt. Nachdem das ganz ok geklappt hatte und wir die Location und das Team vor Ort, die wir nur von Italodisco-Partys von Marflow und den Team Knightrider-Partys der Mel Merio kannten, ins Herz geschlossen hatten, wurde beschlossen, das ganze erst mal weiterhin als öffentlichen Clubabend zu probieren. Außerdem muss man sagen, dass zu der Zeit das Angebot an »alternativeren« queeren Partys in Wien nicht gerade überragend war – von den auch immer sporadischer werdenden FM Queer Partys mal abgesehen. Somit war das Rhinoplasty geboren, gedacht als Queer/Mixed Abend mit »lustiger Tanzmusik« und viel Unernst. Der Name kommt von »Tom’s Rhinoplasty«, einem Schild auf der Hauptstraße von South Park, ohne großen Hintergedanken, aber irgendwie hat es immer gepasst. Das erste Rhino war also an einem Mittwoch, von uns enthusiastisch und selbstbewusst als » die neue Weekend-Kick Off Party« beworben. Geflyert wurde mit schwarz/weiß kopierten Zetteln mit einem super-alternative Skaterboy drauf, ganz à la Larry Clark, und A4-Kopien, die wir mit Tixo in Bar-Toiletten klebten. Und natürlich existierte sogar schon eine Myspace-Seite dazu! Thema gab es bei den ersten Malen noch keines, halbwegs komisch angezogen haben wir uns trotzdem und sind dann eben ab zehn am Abend im leeren Club U gestanden und haben gehofft, dass wenigstens irgenwer kommen wird … Aufgelegt hat unter anderem »das em«, der uns bis heute als regelmäßiger Rhino-DJ erhalten geblieben ist. Markenzeichen war von Beginn an sehr viel 90ies Trash, irgendwann sind es damals dann doch sogar an die 50 Leute geworden, die begeistert und tapfer bis vier Uhr früh getanzt haben. Nach weiteren zwei bis drei Mal an einem Mittwoch oder Donnerstag bekamen wir dann auch einen Wochenend-Slot und so nahm das Rhino seinen Lauf. Nach einigen Monaten kamen die ersten Themenabende dazu, anfangs noch recht vage mit Titeln wie »Drag Ball«, inklusive Sekt-Verlosung fürs beste Outfit. Nach und nach wurden die Mottos elaborierter und spezifischer, die Gäste mehr und wir immer betrunkener. Seit fast fünf Jahren gibt es uns jetzt zwei Mal monatlich und irgendwie – ohne unser Zutun – hat es auch geklappt, sowas wie ein Geheimtipp zu bleiben und dem Ganzen seine familiäre Privatparty-bei-Freunden-Stimmung zu bewahren. Der Umstand, dass wir nie angefangen haben, Eintritt zu verlangen, hat Rhinoplasty immer niederschwellig gehalten, jeder kann kommen und sich umschauen, bis sechs Uhr feiern und man trifft immer Leute, die man kennt. Insgesamt hat sich eine große, lose Community entwickelt, die natürlich über die Jahre wechselt. Viele haben bei uns wohl sowas wie ein Zuhause gefunden – zumindest für eine gewisse Zeit in ihrem Nachtleben. Auch dass es eine Queer/Mixed Party ist und somit der Aufreiß-/Fleischbeschau-Faktor, den reine Homo-Veranstaltungen oft haben können, schwächer ist, trägt mit den verschiedenen Themen und der Tatsache, dass jedes Mal mit uns wenigstens ein paar Verkleidete verrückt rumhampeln dazu bei, dass es nicht ganz so bierernst zugeht und der Spaß am Ausgehen im Vordergrund steht.

Andreas Reiter veranstaltet seit zehn Jahren Rhinoplasty in Wien, arbeitet für das /slash Filmfestival und ist nebenbei professioneller Comic-Nerd und sporadischer Model-DJ. Dokumentation: Yasmin Vihaus

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