Die Antwort liegt auf der Hand: ja. Entscheidend ist allerdings die Frage, wie viel Fleisch wir in Zukunft noch essen werden. Oder anders: um wie viel weniger Fleisch wir in Zukunft werden essen müssen. Und natürlich: welches Fleisch das sein wird.
Derzeit essen wir jedenfalls viel zu viel Fleisch, sowohl weltweit, als auch in Österreich. 62,6 Kilogramm Fleisch und Wurstware sind es pro Jahr und Kopf hierzulande. Männer kommen mit wöchentlich 900 bis 1.320 Gramm auf einiges mehr als Frauen, bei denen es zwischen 483 bis 546 Gramm sind. Das ist schlecht für die Gesundheit. Was man – mal abgesehen von den Folgen fürs Gesundheitssystem – noch für ein individuelles Problem halten könnte.
In dieser Quantität ist unsere Fleischeslust aber vor allem ein Problem von globaler Brisanz. Denn alles, was über wöchentlich 300 Gramm Fleisch hinausgeht, geht klar auf Kosten unserer Lebensgrundlage. Methan aus Rindermägen, für Kraftfutteranbau gerodete Regenwälder – haben wir alle schon zig Mal gehört. 300 Gramm Fleisch pro Woche aber – das macht aufs Jahr umgelegt etwas mehr als 15 Kilogramm – können wir ohne schlechtes Gewissen essen. Das hat die internationale EAT-Lancet-Kommission 2019 in ihrer »Planetary Health Diet« publiziert. Guten Gewissens essen können wir diese 15 Kilogramm aber selbstverständlich nur, wenn wir es prinzipiell für vertretbar halten, dass für unsere Ernährung Tiere geschlachtet werden.
Ich bekenne: Ich halte das für vertretbar – mit der ultimativen Einschränkung, dass die Tiere davor gut gelebt haben, würdevoll behandelt und keinesfalls gequält wurden. Diese Haltung mag man belächeln, vielleicht sogar als zynisch erachten. Auch dann bleibt aber ein Dilemma: Ganz pflanzlich – also völlig vegan – ließe sich eine Weltbevölkerung von bald 10 Milliarden Menschen nicht ernähren. Das liegt allein daran, dass ein Gutteil der Fläche, die wir landwirtschaftlich nutzen können – Steppen, Savannen, in unseren Breiten Almen und auch das sogenannte »Dauergrünland« in niedrigen Lagen – nicht für den Anbau von Gemüse, Obst und dergleichen verwendet werden können. Gras und Heu wiederum können wir nicht direkt verdauen, sondern nur über den Umweg daran angepasster Wiederkäuer (Rinder, Schafe, Ziegen) nutzen. Wir sprechen von Milch, Käse, Fleisch, letztlich auch Leder, Wolle, Horn. Außerdem ist zumindest umstritten, ob Böden ohne Beweidung und tierischen Dünger auf Dauer – also über Jahrzehnte genutzt – überhaupt fruchtbar bleiben oder verarmen würden.
Überhaupt nicht wurst?
Was wir aus diesem Wissen aber jedenfalls ableiten können: Wir sollten eher Rind essen – und weniger Schwein und Geflügel. Und Rindfleisch sollte vor allem von Tieren stammen, die auch wirklich vor allem Heu und Gras gefressen haben, und nicht – wie Schweine und Hühner – Getreide, das der Mensch auch direkt verwerten könnte. Mit wöchentlich maximal 300 Gramm Bio-Rindfleisch liegen wir also nicht falsch. Und wem der Verzicht auf Schwein schwerfällt, der greift am besten zu Wildbret vom Wildschwein. Das Wildschwein profitiert als sogenannter Kulturfolger stark von der menschgemachten Kulturlandschaft und den milden Wintern. Wahrscheinlich ist es einer der größten Profiteure des Klimawandels. Wird es nicht reguliert (das heißt: bejagt) verwüstet es auch die Äcker, auf denen der Dinkel für vegane Dinkeldrinks oder der Kukuruz für pflanzliche Maiswaffeln wächst.
Ja, natürlich: Cultured Meat – also in Zellkulturen im Bioreaktor gewachsenes »Laborfleisch« – wird außerhalb Europas bald eine Rolle spielen. In Europa sind die Behörden vorerst zurückhaltend mit Zulassungen. Der Gedanke ist durchaus reizvoll: Fleisch, für das kein Tier sterben musste. Ökologischer als herkömmliches Fleisch wird Cultured Meat derzeitigen Berechnungen zufolge aber nicht sein; eher im Gegenteil. Unser globales Problem dürfte es also eher nicht lösen. Und resilienter und weniger störungsanfällig macht es unser Ernährungssystem auch eher nicht, wenn ein Teil unserer Proteine aus energieintensiven Fabriken kommt.
Thomas Weber ist Herausgeber des Magazins Biorama und empfiehlt die Bücher »Wie die Schweine« von Augustina Batzerrica sowie »Alle satt? Ernährung sichern für 10 Milliarden Menschen« von Urs Niggli.
Anlässlich unseres 25-Jahr-Jubiläums haben wir uns in The Gap 192 »25 Fragen zur Gegenwart« gestellt. Dieser Beitrag beantwortet eine davon.