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26,5 Prozent der Kinofilme sind angeblich Komödien. Sollten es vielleicht noch viel mehr werden?

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Und es begab sich neulich an der Donau im Fürstentum der Prölls. Ein schwarzer Mann mit nacktem Oberkörper hüpft breitbeinig vor einer Blaskapelle mit dem bösen Blick. Der Mann grinst provozierend, salutiert mehrmals und deutet mit den Händen: »Na los, kommt her, wenn ihr euch traut, ich hab euch zum Fressen gern!« Als Beobachter weiß man nicht genau, was einem da eigentlich gespielt wird. Schließlich passiert der Culture Clash ja mitten in der geschützten Werkstatt des Donaufestivals. Der Mann ist Mitglied der Performancegruppe New Black, und die zünftige Abordnung der deutschösterreichischen Leitkultur mit dem Marsch im Arsch, die da gerade das Festivalgelände entert, exekutiert vielleicht gerade eine »Intervention im öffentlichen Raum«, von der sie vielleicht sogar selbst gar nix weiß. Schließlich ist das Festival ja auf Experimentelles abonniert.

New Black: mitten in Niederösterreich

Da wir aber auch später nicht über den höheren Sinn dieser Aktion aufgeklärt werden, müssen wir annehmen, dass wir es hier mit einer unfreiwilligen Persiflage (post-)postkolonialer Verhältnisse zu tun haben. Immerhin ist der agent provocateur ja der eingeladene Künstler mit Bleiberecht und die Blaskapelle die vom Gelände unverzüglich abzuschiebende Masse. Und hat offenbar in Sekunden erkannt, dass man den Aufmarsch der Uniformierten mit den goldenen Blechfetischen in der Hand am besten mit jenem Verhalten begegnet, das erwartet wird – und das noch ein bisschen aufbläst. Der Performer gibt der befremdlichen und latent bedrohlichen Szene also einen komödiantischen Anstrich, indem er sich genau so verhält, wie es der rassistische Andere von ihm erwartet: als aggressiver »Wilder«, als reiner Körper, der nicht Geist sein kann und seinen Weißenhass im Blut hat.

So ähnlich sind New Black auch schon am Abend zuvor im Kremser Stadtsaal vorgegangen. Dort gab der schwarze Tänzer Gotta Depri einen Edutainer, der uns in die Geschichte der zeitgenössischen Tanzinnovationen aus den Straßen afrikanischer Metropolen einweiht. Ihm zur Seite gestellt war der weiße, »natürlich« ungelenkere Hauke Heumann, der die eingestreuten französischen Kommentare ins Deutsche übersetzte und die Moves zu synchronisieren versuchte. Diese auch ziemlich komisch anzusehende Umkehrung der Dressur- und Anleitungsverhältnisse zwischen Afrika und Europa, bzw. einem »farbigen« und einem »weißen« Paris wurde dann auch noch mit einer Parodie auf den zeitgenössischen westlichen Tanz und seine Pathosgesten verschnitten, die im Gegensatz zur zuvor dargestellten sozialen Erdung der afrikanischen Expressivität etwas fast schon rührend Gespreiztes hatte. Und am Ende zeigte uns diese Verwechslungskomödie über die Körper auch noch am Beispiel der André Heller-Show »Afrika! Afrika!« und ihrer Eingemeindung verschiedener »fremder« Bewegungen, wie Subkulturen systematisch soweit abgeschliffen und verwestlicht werden, bis sich der Wunsch nach exotisch-erotischen und bitte schon auf Modelmaße normierten, schwarzen Körperbildern und die Anforderung von »künstlerisch wertvoller« Anmut in der Verkitschung treffen. Applaus und Tusch!

Auschwitz? – Genial!

Auch in dem famosen Film »Der Namen der Leute« (Regie: Michel Leclerc) geht es um das multikulturelle Leben im Paris von heute. Und auch hier wird das Register der Komödie bedient, um ernste Themen in den Griff zu kriegen. Der Film handelt nämlich vom Traumawettstreit eines ungleichen Paars. Sie hat algerische Wurzeln, wurde als Kind vom Klavierlehrer missbraucht und parodiert nun den Freudomarxismus, indem sie mit »Faschos« vögelt, um diese politisch umzudrehen. Er ist Vogelgrippenspezialist und Enkel von Holocaust-Opfern. Beide, und das macht einen Teil der Komik des Films aus, leiden darunter, dass sie nicht mehr so leiden und leben können wie ihre Vorfahren. Der verschwiegene Arthur fühlt beim besten Willen zum Leid nichts Tragisch-Jüdisches mehr in seiner Mittelschichtexistenz. Die aufgedrehte Bahia kann sich trotz redlichem Bemühen nicht als die Fremde im eigenen Land gebärden, die sie gern wäre oder vielleicht nur für andere gern darstellen würde. Einmal sagt Bahia, fast eifersüchtig auf die leidvolle Geschichte des Anderen: »Auschwitz? Das ist doch genial!« Jetzt fragen wir uns natürlich: Dürfen wir über so etwas lachen bzw. wieso können wir gar nicht anders? Und warum macht uns das kein schlechtes Gewissen?

Vielleicht liegt es am Genrewechsel von der Tragödie zur Komödie. Der Wiener Philosoph Robert Pfaller bricht in seinem aktuellen Buch »Wofür es sich zu leben lohnt« jedenfalls eine Lanze für die produktiven Missverständnisse, die das Komische anfeuern (und die er scharf von der heutigen Spaßkultur trennt, die im Unterschied zur erhellenden Komödie keinen Wahrheitsanspruch mehr erhebt). Wichtig ist dabei der Wechsel der Blickperspektive: Komisch ist man laut Pfaller immer für andere. Heroisch leiden kann man auch in seinem narzisstischen Gefängnis. Die erkenntnistheoretische Pointe, auf die Pfaller hinaus will, lautet: Der Idealismus der Tragödie redet uns ein, dass wir freier sind, als uns bewusst ist. Wir müssten nur die gesellschaftlich aufoktroyierten Masken abwerfen und als diejenigen handeln, die wir angeblich im Innersten sind. Die Tragödie kreist so um die Selbstachtung und Selbstbeobachtung des Menschen und verfehlt das Soziale. Der Materialismus der Komödie sieht das hingegen genau umgekehrt. Er sagt: Wir sind nur das, was die anderen glauben – und nicht das, wofür wir uns halten. Wir sind also nicht so frei, wie wir uns einbilden. Wir sind marionettenhafte Sinnverfehler. Und deshalb tanzen wir wohl auch so, wie wir tanzen.

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