Das in seiner Muttersprache veröffentlichte Debütalbum des Isländers Ásgeir Trausti Einarsson ist von Kritikern und Publikum gefeiert und später – mit Hilfe des amerikanischen Musikers John Grant – auch auf Englisch aufgenommen worden. Im Zuge der Tour zu seinem neuen Album »Afterglow«, das Folk und sanfte elektronische Klänge vereint, gastiert Àsgeir morgen in der Arena Wien.
Ásgeir, wir haben uns zuletzt 2014 getroffen, am Ende einer Marathontournee, auf der du dein Debütalbum »In The Silence« promotet hast. Deshalb ist meine erste Frage eine ganz simple: Was hast du in den letzten drei Jahren gemacht?
Wie du sagst, war ich damals am Ende einer sehr langen und intensiven Konzerttournee. Danach wollte ich einfach nur die Zeit ein- und aufholen, die ich weit entfernt von meinen Freunden, meiner Familie und Freundin verbringen musste. Einfach für den Tag leben.
Hast du also die meiste Zeit in Island verbracht?
Ja, die ganze Zeit.
Das Infoheft zu deinem neuen Album beschreibt die Stimmung von »Afterglow« als düster. Tatsächlich klingt es oft sehr melancholisch, zum Teil aber auch sehr euphorisch. Wie würdest du selbst den Sound beschreiben?
Die Hälfte der Lieder hat tatsächlich eher einen traurigen Ursprung oder anders gesagt: Ihren Nährboden bilden eher bedrückende Erlebnisse. Ich bin in einem Ort mit 40 Einwohnern aufgewachsen und war 20, als das mein Debüt rauskam. Der Erfolg kam ziemlich unerwartet mit einem Album, dessen Lieder ich ursprünglich nur für mich aufgenommen hatte. Das ständige Reisen, die Tour, die Interviews – das alles war so neu und ich war gar nicht sicher, ob ich diesen Lebensstil führen möchte. Auf der Tour spielst du jeden Abend die gleichen Lieder, es ist eher Routine und beinhaltet wenig Kreatives. Als ich dann endlich heimkehrte, wollte ich gar keine Musik mehr spielen (lacht). Ich wusste nicht mehr, wie es überhaupt weitergehen soll. Das erste Jahr verbrachte ich in diesem Seelenzustand. Später habe ich angefangen, die Welt hoffnungsvoller zu betrachten. Vielleicht kann man tatsächlich sagen, dass die Platte zwei Gesichter hat: ein traurig-dunkleres und ein optimistischeres. Es hängt wohl auch davon ab, in welchem Seelenzustand sich der Zuhörer befindet.
Du hast wieder mit den gleichen Songschreibern zusammengearbeitet wie bei deiner ersten Platte. Die Kritiker haben den neuen Sound mit Bon Iver und James Blake verglichen, aber auch Thom Yorkes Soloalben oder das letzte Album von Sufjan Stevens wären keine falschen Vergleiche. Hast du nach dem Erfolg deines ersten Albums niemals die Idee gehabt, auch mit anderen Künstlern Lieder zu schreiben?
Eigentlich nicht (lacht). Arbeitstechnisch war ich immer schon ein Einzelgänger. Mein innerster Wunsch war es, die Platte eigenständig oder mit meinen eigenen Leuten fertigzustellen. Erst als das Album fast fertig war, hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass es Zeit wäre, auch mal mit anderen zusammenzuarbeiten. Das werde ich wohl bald auch machen.
»Unbound« war die erste Singleauskopplung aus dem neuen Album. Das Lied führt schrittweise zu einer kathartischen letzten Zeile. Es ist wunderschön, aber auf dem Album gibt es mehrere radiofreundlichere Lieder. Wieso hast du gerade dieses Lied als Vorboten des neuen Albums ausgewählt?
Ganz ehrlich? Ich wollte in die Promotion der Platte möglichst wenig eingebunden werden. Als ich die Lieder fertiggestellt habe, habe ich das Material meinem Label auf den Tisch gelegt und meinen Leuten überlassen, was sie damit anfangen und wie sie es promoten.
Gilt das auch für das Video zu »Unbound«? (Àsgeir erscheint selbst nicht in dem eher unruhigen Virtual-Reality-Experiment; Anm. d. Red.)
Nein, das Konzept für das Video war eine gemeinsame Entscheidung. Wir haben es als eine von fünf bis sechs Ideen ausgewählt, weil es zu der unruhigen, vibrierenden Stimmung des Liedes passte. Aber es stimmt schon, dass ich ungern in Videos mitspiele. Ich bin kein Schauspieler, aber das Resultat mag ich sehr.
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