In seiner Modekolumne »Einteiler« bespricht unser Kunst-, Design- und Moderedakteur Gabriel Roland unter dem Motto »die österreichische Modeszene Stück für Stück« jeweils ein Textil aus einer Kollektion. Dieses Mal: die aktuelle Winterkollektion von Meshit.
Die Modewelt ist voller kurzlebiger Skandale. Eine ihrer andauernden Kontroversen ist aber ungleich bodenständigerer Art als entblößte Genitalien am Laufsteg oder Gerüchte um die Ablösung von Spitzenposten der Modehäuser. Es geht um den durchaus demokratischen Konflikt um Kord oder Schnürlsamt, den samtig gerippten Webstoff, den die Fabriken Manchesters der Welt brachten. Und das nicht nur, weil der 11. 11., dessen vier Einser an die parallel verlaufenden Wales dieses Textils erinnern und der deswegen der Tag des Kords ist, noch nicht so lang zurückliegt.
Der zweite Grund für diese Ausführungen ist viel naheliegender und auch interessanter als ein Jahrestag, den eine Handvoll Menswear-Geeks dazu nutzen, ihre schnürlsamtenen Dreiteiler auszuführen: die aktuelle Winterkollektion von Meshit. Bei dem von Ida Steixner und Lena Krampf geführten Label, das irgendwo zwischen dem Meshing verschiedener kultureller Einflüsse und dem frech produzierten eigenen Scheiß operiert, zählt Kord nämlich zu den Lieblingsmaterialien und kam in der Vergangenheit schon öfters zum Einsatz.
Wer mit der Arbeit des Wiener Labels vertraut ist, den überrascht es nicht, dass keine Gedanken an die ockerfarbenen Breitkordhosen älterer Herren aufkommen, wenn Meshit Schnürlsamt verwendet. Das liegt nicht nur am angenehmen Blau des Kords, in dem Teile wie der hier abgebildete Pullover daherkommen. Vielmehr steht eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Qualitäten des Materials im Mittelpunkt. Es geht um die charakteristische Haptik, von der Polsterung und Absteppung noch zusätzlich hervorgehoben, und das Spiel mit der von Lichteinfall und Verarbeitungsrichtung abhängigen Optik des Stoffs.
Kord hat aber noch eine weitere entscheidende Qualität: eine gewisse Vertrautheit und heimelige Anmutung. Diese Eigenschaften sind faszinierend nah verwandt mit dem Stigma der traditionalistisch-dumpfen Langweiligkeit, das den Schnürlsamt mancherorts so verhasst macht und mit dem dieser Pullover so gründlich aufräumt. Aber obwohl er so überzeugend unerwartete Qualitäten seines Materials hervorkehrt, bleibt er doch so etwas wie einem Grundcharakter verbunden. In diesem Fall ist das eine herzliche und robuste Freundlichkeit.
Schnürlsamt gibt einem das Gefühl, dass man sich auf etwas verlassen kann. Umso passender ist es, dass Meshit für ihre Winterkollektion nicht nur diesen gefütterten Pullover, sondern auch ihren seit Jahren bewährten Parka in blauem Kord umgesetzt haben. So verbinden sich in der Kollektion – wie auch im Textil selbst – Experiment und Tradition. Ein interessanter Zufall dabei ist, dass es sich hier um die letzte klassisch-saisonale Kollektion von Meshit handelt. Ab nächstem Jahr will das Label in kleineren, zeitlich flexibleren Einheiten arbeiten. Bei jemandem, der so mit Schnürlsamt umzugehen weiß, überrascht das nicht.
Meshit hat einen Store in der Westbahnstraße 25, 1070 Wien, und eine Website unter meshit.at.