Einteiler: Fein nudelig geschnitten

In seiner Modekolumne »Einteiler« bespricht Gabriel Roland unter dem Motto »die österreichische Modeszene Stück für Stück« jeweils ein Teil aus einer Kollektion. Dieses Mal: ein Seidenkleid, das in Zusammenarbeit zwischen dem Label Gon und der Künstlerin Kerstin von Gabain entstanden und von einem Asia-Imbiss in der Wiener Praterstraße inspiriert ist.

© Fabian Gasperl

Es ist nicht oft, dass die Erledigung seiner Aufgabe dem Kolumnisten einen Lokal­augenschein an einem Ort nahelegt, der kein Atelier oder Geschäft ist. Schon allein sich auszumalen, wie man vom Versuch der Beschreibung eines Kleidungs­stücks zu einem fettigen Asia-Imbiss in der Praterstraße geführt wird und was das für ein Kleidungs­stück sein müsste, ist nicht ganz einfach – zumindest bis man die Arbeit Christina Steiners für ihr Label Gon kennenlernt. Im Speziellen eine Kollektion, die sich ihren Namen mit der erwähnten Leopold­städter Straßen­küche teilt: Noodle House.

Aber zurück in den raren Moment der Vor-Ort-Recherche da draußen im echten Leben: Mittels einer ebenso ausgiebig großen wie salzigen Portion knusprigen Huhns mit Eierreis und Teriyaki-Soße stellt sich das Noodle House nicht ohne Charme als Befriediger grundlegender Bedürfnisse vor: mit stetig brutzelnder Theke, schnörkel­losem Personal und kargem Interieur bei eigenwilligem Grundriss. Niemand fällt durch sein Gewand auf, was also hat der Ort mit Mode zu tun, zumal mit ihrer von Gon praktizierten künstlerisch-konzeptuellen Spielart?

Zweckmäßig gewandet

Das abgebildete Seidenkleid mit seinem historisch anmutenden Schnitt und den auf einem Muster aus Fischschuppen liegenden Glückskeks­zettelchen ist in Zusammen­arbeit zwischen Gon und der Künstlerin Kerstin von Gabain entstanden. Die gemeinsame Kollektion war nicht nur inspiriert vom Noodle House, das die beiden gerne frequentieren, sie wurde auch inmitten dieses »careless and casual display of cultural globalism« (so der Begleit­text treffenderweise) im Rahmen einer Performance mit weiteren Arbeiten Gabains präsentiert. Ein bisschen anekdotische Witzelei also?

Davon ausgehend entwickelt sich aber auch der Gedanke, wie schön es sein kann, ein Kleidungs­stück für genau einen Zweck zu haben. Wenn es normal ist, ein Hochzeits­kleid für nur einen einzigen, hochspezifischen Anwendungs­fall bereitzustellen, ist es doch genauso vertretbar ein Outfit nur dafür zu haben, um ins Noodle House zu gehen. Diese eher poetische als praktische Heran­gehens­weise ist das Gegenteil von Uniform und zeichnet stattdessen den Alltag als Schauplatz von Ritualen, an deren Zufällen und Geheimnissen wir uns erfreuen und aufrichten können, wenn wir sie angemessen zelebrieren.

Nicht vergessen also: Things will turn towards the bright side!

Der angemessene Ort, um die Produkte von Gon zu zelebrieren, ist der neu eröffnete Schauraum in der Marc-Aurel-Straße 5 in Wien, wo alle Einrichtungs­gegenstände Kunst­werke sind.

roland@thegap.at @wasichgsehnhab

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