Der Mexikoplatz im zweiten Wiener Bezirk erhielt seinen Namen, um an den Protest hochrangiger mexikanischer PolitikerInnen und DiplomatInnen vor dem Völkerbund gegen den »Anschluss« Österreichs zu erinnern. Eine Ausstellung und ein Filmscreening beschäftigen sich nun mit der gemeinsamen Geschichte Österreichs und Mexikos und stellen Bezüge zu aktueller Migration und zu Fluchtbewegungen her.
Als die Nationalsozialisten im März 1938 in Österreich die Macht übernahmen, wurden sie hierzulande bejubelt. Breite Teile der Bevölkerung standen hinter Hitlers Regime und auch aus dem Ausland gab es wenig Protest gegen den sogenannten »Anschluss«. Eine Ausnahme bildete Mexiko. Vor dem Völkerbund reichte das Land offiziell Protest gegen den »Anschluss« Österreichs ein und gewährte 1.500 Verfolgten Asyl. Der Mexikoplatz im zweiten Wiener Gemeindebezirk soll an diese gemeinsame Geschichte erinnern.
Googelt man das Begriffspaar »Mexikoplatz Wien«, so schlägt die Autovervollständigung »gefährlich« vor. Die unmittelbare Nähe zur Donau machte den Mexikoplatz als Schiffsanlegestelle prädestiniert für Schwarzmarktgeschäfte. In den 80er- und 90er-Jahren war der Platz Umschlagort für Elektrogeräte und Bekleidung. Aus allen Teilen Österreichs, so heißt es, seien SchnäppchenjägerInnen angereist. Seither ist es jedoch deutlich ruhiger geworden. Anliegende Billiggeschäfte haben großteils zugesperrt, nur noch vereinzelt werde noch mit Zigaretten und Viagra gehandelt.
Unter dem Titel »Gekreuzte Geschichten« finden nun seit März bis Oktober Veranstaltungen statt, die die Bedeutung des Mexikoplatzes als Teil der Erinnerungskultur wieder in den Vordergrund rücken. Im Zentrum steht dabei die Beschäftigung mit Verbindungen zwischen Österreich und Mexiko einerseits und mit Migration, Vertreibung und Asyl andererseits.
Von Entfremdung und Entwurzelung
»Exiled Gaze | Der exilierte Blick« stellt fünf filmische und zwei künstlerische Positionen aktueller Exilgeschichte rund um den Mexikoplatz aus. In den Kurzfilmen, die eigens für die Veranstaltungsreihe konzipiert wurden, werden teils Zukunftsperspektiven entworfen, eigene Geschichten der Flucht erzählt und aktuelle rechtspopulistische Stimmungen in der westlichen Hemisphäre thematisiert. Aspekte wie fremd zu sein, sich fremd zu fühlen oder für fremd gehalten zu werden ziehen sich dabei durch die verschiedenen Arbeiten. »Wer bin ich? Diese Frage drängt sich im Exil dann auf, wenn die exilierte Person erkennt, dass sie auf sich allein gestellt und ohne Verteidigung ist. Das Individuum ist von anderen getrennt.« So beschreibt zum Beispiel Sara Fattahi ihr Selbsterleben seit ihrer Migration, die sie den ZuseherInnen in ihrem Filmprojekt »898 +7« näherbringt, indem sie die Kommunikation mit ihrer Familie, seitdem sie Damaskus vor 898 Tagen verlassen hat, als Bild- und Soundkomposition inszeniert.
Das Screening findet in Anwesenheit der FilmemacherInnen und KünstlerInnen statt und soll auch als ein Aufruf zur gemeinsamen Diskussion verstanden werden, um das österreichische Geschichtsbild partizipativ und konstruktiv neu zu gestalten.
»Exiled Gaze | Der exilierte Blick« wird am 7. Juni 2018 um 20:30 Uhr mit dem Screening der fünf Kurzfilme und einem Konzert mit Esrap, Shayma und einem Rap-Chor uraufgeführt. Nähere Infos – auch zu weiteren Veranstaltungen rund um den Mexikoplatz – findet ihr hier.