In seiner Modekolumne »Einteiler« bespricht Gabriel Roland unter dem Motto »die österreichische Modeszene Stück für Stück« jeweils ein Teil aus einer Kollektion. Dieses Mal: einen Schuh des Wiener Modelabels Glein.
Es ist grundsätzlich nicht schwierig, Leute dazu zu bringen sich aufzuregen. Dieses ohnehin schon einfache Unterfangen wird noch um einiges leichter, wenn es um Schuhe geht. Viel mehr noch als bei anderen Kleidungstücken neigen wir bei Schuhen zu orthodoxen Meinungsexzessen. Dem Vorschub zu leisten, will sich diese Kolumne natürlich nicht vorenthalten.
Während wir Fragen der Oberbekleidung gern als rein ästhetisch abtun, sind wir uns viel eher einig, dass Schuhen echte Funktionalität innewohnt. Allenthalben erscheinen sie uns überhaupt mehr als Teil der Sphäre der Gegenstände und nicht jener des Gewands – was einen überraschend großen Unterschied in unserem Bild von ihnen ausmacht.
Dabei können wir einem Schuh keineswegs so distanziert wie etwa einer Tasche begegnen. Er ist alles andere als ein Accessoire und interagiert auf unmittelbare Weise mit unserem Körper. Das merkt man klar am Leid, das ein unpassender Schuh verursacht. Der Zwiespalt, in dem Kleidung – Schuhe im Besonderen – sich befindet, wird wiederum daran augenfällig, wie willig wir sind, dieses Leid für den richtigen Schuh auf uns zu nehmen.
Der Schuh ist also ein Paradox, bei dem sowohl Konformität als auch Individualisierung zu gleichen Teilen hochgradig emotional und aus kühler Distanz passieren. Bei Schuhen sind wir genauso für das gewagteste Experiment wie die sicherste Tradition zu haben. Und an ihnen zeigt sich auch, dass das, was man für vollständig durchschnittlich und normal hält, oft gar nicht so leicht zu bekommen ist.
Die Urform des Schuhs?
Von einer Urform des Schuhs zu fantasieren ist natürlich idealistisches Gefasel, das kulturelle Prägung und die tatsächliche Entwicklung von Gegenständen außer Acht lässt. Ebenso irrwitzig wäre es, darüber zu mutmaßen, ob sich denn besagte Urform den wackeren Betreibern von Glein nicht etwa in irgendeiner Höhle offenbart haben könnte. Fest steht lediglich, dass der schwarze Derby von Glein dieser Urform, wäre sie doch existent, sehr nahekommen muss.
Es ist ein grundehrlicher Schuh, den Glein nach eigenen Vorstellungen in einer Fabrik fertigen lässt, aus der auch Stiefel für das Bundesheer kommen: ein Leisten jenseits aller Vorwürfe der modischen Kapriziosität, aber auch der rustikalen Grobschlächtigkeit – schwarzes Glattleder, eine unkomplizierte Kreppsohle. In der Tat wird man manchmal schwach und wünscht sich eine Welt, die so einfach ist, dass jemand, der einfach nur einen Schuh kaufen möchte, mit diesem hier sein Auslangen findet.
Im Glein-Schauraum in der Neustiftgasse 33 und auf glein.wien findet man neben Schuhen (auch in Damengrößen) noch andere Lederprodukte, Kleidung und Möbel, die nach denselben Prinzipien gestaltet sind.