Das Lieblingsfestival hat wieder stattgefunden: Zeit, Leute wiederzusehen, und ganz viel Zeit, um die musikalischen Hypes der Bezugsquellen seiner Wahl gründlich zu überprüfen. Ein Erlebnisaufsatz.
Schier unglaublich: Das Waves Vienna findet heuer bereits zum achten Mal statt. Gar selig erinnert man sich an die ersten paar Male, ans Verlorensein in der großen Stadt, als der Donaukanal die lebendige Halsschlagader des damals noch fünftägigen Showcase-Festivals war. Aber auch nicht schlecht und für ein Festival dieser Art vielleicht sogar der perfekte Standort: das Wuk, in dem und um das herum heuer wieder alles pulsiert.
Der Umschlagplatz für freundliche Handshakes und Smalltalk (»Was schaust du dir heute noch an?«) ist ein liebgewonnenes Areal voller Freunde und Wegbegleiter, voller Adabeis – wem nicht mindestens 20 Musiker von nicht am Festival spielenden Bands mit eher bescheidenem Erfolg aufgefallen sind, der oder die werfe den ersten Stein – und voller dann tatsächlich großartiger Musiker.
Tag 1: Donnerstag
Das »Habe die Ehre« zu Beginn gilt dann natürlich den wichtigsten Gästen: Die beiden Fokusländer für dieses Jahr heißen nämlich Slowakei und Portugal. Aus ersterem Land stammt auch der persönliche Auftakt: Stroon im Wuk Beisl. Dort hat zwar zuvor schon die gute Teresa Rotschopf gespielt, Erwerbstätigkeit steht allzu frühen Terminen am Donnerstag häufig aber im Wege. Ach ja: Stroon, der zu elektronischen Beats hauptsächlich auf einem Xylophon fuhrwerkt. Gut, wird man jetzt sagen: »Der hat’s ja gar nicht so weit nach Wien.« Ein Xylophon mitzuschleppen, ist trotzdem alles andere als einfach. Er bekommt Bonuspunkte, die er aber gar nicht nötig gehabt hätte.
Jegliches Mitleid haben auch Pauls Jets, die gar früh in der Wuk Halle aufspielen, nicht nötig. Die Gruppe, die ja schon seit Jahresbeginn als eine der größten Hoffnungen des heimischen Pop gilt – jeder, der damals bei dieser einen Silvesterparty im 16. Bezirk dabei gewesen ist, wird ihren Auftritt wohl nie vergessen –, schart trotz relativ früher Beginnzeit eine beachtliche Menge vor sich und überzeugt auch durch und durch. Und, das muss man auch einmal schaffen: Der einzige, so ganz richtig veröffentlichte Song, »Üben üben üben«, ist der schwächste des gesamten Sets. Das neue Video zu »Diese Villa ist verlassen«, das schon einmal angeteasert wurde, ist da deutlich konsequenter. Für die allerletzten, die es noch nicht mitbekommen hat: Die muss man sich merken.
Denkwürdig und sehr ironisch sexy geht’s auch, nur einen schwarzen, schweren Fetzen entfernt, im Wuk Foyer zu: Odd Couple, der hotteste Schweinerock-Express der Bundesrepublik, lässt zu krautigem Noise-Indie-Rock die beeindruckend schöne Haarpracht in Stroboskop-Gewitter wehen, die Hotpants sind klebrig und – naja – hot. Das Publikum – das wie überall sehr zahlreich vertreten ist – feiert, sogar diejenigen, die denken, sie wären »Rock«, nur weil es auf ihren H&M-T-Shirts steht – das sogenannte »Taylor-Swift-Trasher-Paradoxon«.
Etwas authentischer geht es dann – schon am ersten Festivaltag offenbar Schlag auf Schlag – mit der sehr sympathischen Gruppe Viech um den ebenfalls sehr sympathischen Paul Plut bei der Open-Air-Stage im Schulhof der HLW Michelbeuern weiter: Wo normalerweise große Pausen abgehalten werden, tun Viech ebenjenes nicht: Da geht’s weiterhin knallhart ums Leben. Neben einigen neuen, frisch im Studio eingeübten Stücken – es wird gerade aufgenommen –, gibt’s gegen Ende auch Hits aus einer anderen Zeit, als die Band personell deutlich größer war.
Auch danach ist für den ersten Festivaltag noch lange nicht Schicht im Schacht: Die Nachtschicht übernimmt Rodrigo Leão, der wohl größte portugiesische Act am Waves, der mit Streichern und allerhand Extravaganzen die große Halle bespielt. Später dann noch die deutsche Peinlichkeit Blond, die Brightoner Alleskönner und Fanlieblinge der Nullerjahre-Indie-Kids The Go! Team, sowie die – und da macht die Bezeichnung noch mehr Sinn – Schweinerocker Warmduscher aus Großbritannien. Aber – der geneigte Kulturinteressierte ist durch die zeitgleich stattfindenden drei großen Kunstevents in Wien – ein Applaus an dieser Stelle für gute Terminabsprachen – ohnehin schon knapp vorm kulturellen und Smalltalk-Burnout, sodass es jetzt auch einmal gut sein muss. Es wartet ja noch einiges an Aufgaben und KünstlerInnen für den Notizzettel am Freitag und am Samstag.
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