In seiner Modekolumne »Einteiler« bespricht Gabriel Roland unter dem Motto »die österreichische Modeszene Stück für Stück« jeweils ein Teil aus einer Kollektion. Dieses Mal: eine Jacke – oder ein Pullover? Oder nichts von beidem?
Die LeserInnen dieser Kolumne sind, soviel sei angenommen, viel zu gesittet, um anzuzweifeln, dass hier eine Jacke abgebildet ist. Die meisten würden, weil sie aufmerksam sind, sogar bemerken, dass unter der Jacke auch noch ein Pullover steckt, der in frecher Abweichung vom konzeptuellen Korsett des Einteilers einfach mitfotografiert wurde. Was aber, wenn der Kolumnist das Vertrauen seines Publikums missbraucht hat und hier gar keine Jacke und auch kein Pullover zu sehen sind? Das ist ganz abseits von semiologischen Spitzfindigkeiten gemeint. Es geht also nicht darum, ob hier die tatsächliche Jacke an sich oder in abgeklatschter Instanz eine bildliche Repräsentation einer Jacke zu sehen ist. Nein, die Frage ist, ob der Fotograf (Fabian Gasperl, dem an dieser vielleicht etwas ungewöhnlichen Stelle auch einmal für seine treue, geduldige und treffliche Arbeit gedankt sei), als er mit dem Blick auf diese Zusammenfügung aus Stoff abdrückte, eine Jacke vor sich hatte.
Sobald die Kunst am Bau zu einem Unding erklärt worden war, konnte die Architektur – eben als Architektur selbst und nicht etwa als Baukunst – in verschiedenen Formen und Intensitäten mit der bildenden Kunst koexistieren und zusammenwirken. Ein bisschen so wie Tom Waits und Iggy Pop, die in »Coffee And Cigarettes« befreit so viel rauchen können, wie sie wollen, weil sie ja aufgehört haben mit dem Rauchen. Die Verhältnisse sind klar und daher ihre Verunklärung kein Problem mehr. Im Gegensatz zur Architektur hatte die Mode nie ihren Moment der Abnabelung von der Kunst. Ein Haus kann eine Skulptur sein und eine Skulptur ein Haus. Darf aber so etwas Profanes wie eine Jacke von sich behaupten, Kunst zu sein? Ein namhafter Proponent der Wiener Kulturszene hat einmal gesagt, dass Kunst ist, was eine Künstlerin oder ein Künstler macht, und Design, wenn es von einer Designerin oder einem Designer kommt. Sollte das tatsächlich zutreffen – was, um das schon vorwegzunehmen, diese Kolumne hinterfragen will – kann hier von einer Jacke nicht die Rede sein. Auch wenn das Stück wie eine Jacke aussehen mag, handelt es sich dann um Kunst, die dem Zwang, Gewand zu sein, bestimmt enthoben sein muss.
Es ist nämlich so, dass dieses jackenförmige Objekt (man erlaube den Hilfsausdruck) in Zusammenarbeit von Lisi Lang und Daniel Hafner entstanden ist. Lang gehört mit ihrem Label Lila und der dazugehörigen Boutique zum fixen Modeinventar Wiens. Hafner hingegen ist bildender Künstler. Nun sind Kooperationen zwischen Kunst und Mode beileibe keine Seltenheit. Immer wieder verarbeiten ModedesignerInnen Beiträge von KünstlerInnen in ihren Kleidungsstücken. Ein Beispiel dafür ist der Pullover unter der Jacke, für den Hafner Applikationen gestaltete und der Teil der regulären Lila-Kollektion ist. Die Jacke aber geht einen Schritt weiter: Lang trug den wuchtigen Schnitt aus gefüttertem Malervlies bei, Hafner die airgebrushten Farbfelder. Präsentiert wurde sie in einer Ausstellung des KS Room im steirischen Ort Kornberg neben anderen Kunstwerken. Kaufen kann man sie nichtsdestotrotz auch in der Wiener Boutique der Designerin. Da stößt das System aus Intentionen und Berufsbezeichnungen an seine Grenzen. Ersetzen oder vielleicht auch nur erweitern kann es nur die Erkenntnis, dass sowohl Kunst als auch Design sich auf der Baustelle der Dinge betätigen, die uns umgibt, und dort mit ihren jeweils eigenen Werkzeugen arbeiten – gerne auch gemeinsam.
Lisi Lang kann man in der Westbahnstraße 3 in 1070 Wien und auf www.lila.cx kennenlernen, Daniel Hafner auf www.danielhafner.com.