In seiner Modekolumne »Einteiler« bespricht Gabriel Roland unter dem Motto »die österreichische Modeszene Stück für Stück« jeweils ein Teil aus einer Kollektion. Dieses Mal geht es um die Kunst, nein, das Handwerk, einen Säugling zu kleiden.
Auch wenn es bisweilen so wirken mag, der Kolumnist ist nicht als eine Art abgeschlossener Meinungskanister in diese Welt gekommen, der seither tröpfchenweise Takes auf die Seiten dieses Magazins absondert. Das soll nicht als halblaut gemurmelte Entschuldigung für juveniles Gebrabbel oder pennälerhaftes Schwadronieren vergangener Ausgaben daherkommen, sondern vielmehr als Erkenntnis und Eingeständnis, dass man manches erlebt haben muss, bevor man es verstehen kann. Apropos Gebrabbel: Es geht um Kindergewand.
Genauer gesagt sollen die ersten Schritte in unserem lebenslangen Tanz mit den Textilien diesmal Thema sein – also die Kunst, einen Säugling zu kleiden. Wobei Kunst sollte das ja keine sein, eher ein Handwerk, möchte man einwenden. Schließlich hat ein neugeborener Mensch ja keine ausdifferenzierten sozialen oder kulturellen Repräsentationsbedürfnisse. Von einem eigenen Geschmack kann auch keine Rede sein. Angemessen warm, weich und trocken hätte er es gern, das kann man sich leicht vorstellen. Alles, was darüber hinausgeht, ist mehr für die Eltern als das Kind.
Un- und allbedeutend zugleich
Neugeborenengewand schafft es, gleichzeitig un- und allbedeutend zu sein. Einerseits ist es so wichtig, dass es sogar am Anfang des Neuen Testaments (Lk 2,12) erwähnt wird, andererseits wird es auch dem frischen Jesus Christus egal gewesen sein, was er anhatte, so denn seinen Grundinstinkten Genüge getan wurde. Es ist unbekannt, ob der kleine Messias für den Besuch der Weisen speziell angezogen wurde. Jenseits der Vorstellungen, die Erwachsene zu Anstand und Identität haben, sollte Babygewand doch nach utilitaristischen Gesichtspunkten von Hygiene und Komfort gestaltet sein.
Derartige Unterfangen sind natürlich nie so einfach, wie sie vielleicht wirken mögen. Das rein zweckdienliche Objekt gibt es nicht. In der Regel können wir uns nicht einmal auf einen Zweck einigen. (Wir leben in einer Gesellschaft, Leute!) Der Body, heutzutage und hierzulande das Standardunterbekleidungsstück für Babys, hat einmal hier eine Reihe an Druckknöpfen, ein anderes Mal da. Manchen reichen zwei Schlitze an den Schultern zum Anziehen, andere kommen als aufwendige Zweireiher daher. Baumwolljersey scheint die Regel zu sein, aber da hören die Gemeinsamkeiten auch schon wieder auf.
Von dieser wenig stabilen Basis aus geht es fröhlich weiter mit auf der ästhetischen Ebene verhandelten Fragen, wie etwa zu Geschlechtszuweisungen, die wir hier weiträumig umgehen wollen. Auch die Idee, dass auf den ersten Blick klar funktionale Aspekte eigentlich ein Spiegel unserer Gesellschaft sein könnten – der heute übliche, freie Bewegung zulassende Strampelanzug ist eine US-amerikanische Erfindung der Fünfziger; das davor gebräuchliche enge Umwickeln mit Windeln (siehe Jesus) erfreut sich aber zusehends erneuerter Beliebtheit – soll hier nur en passant angerissen werden.
Die Last des Textilbesitzes
Stattdessen sei es ein anderes gesellschaftliches Konzept, das der letzte Absatz mithilfe des abgebildeten Bodys in Stellung bringen darf: das des Besitzes. Kleinen Menschen passt ihr Gewand oft nur wenige Wochen oder Monate lang. Rund um diese Tatsache dreht sich ein emsiger Komplex aus Vermachungen in den Tribal Networks unserer Zeit – sowie ein oft per Kilopreis agierender Second-Hand-Markt. Mit Sicherheit gibt es auch findige Start-ups, die hier nach Art der Woom Bikes herumkommodifizieren. Altehrwürdige Anbieter wie Salesianer Miettex befreien Spitäler von der Last des Textilbesitzes. Da ist es doch nicht so weit hergeholt, sich eine kollektivierte Versorgung mit Kindergewand vorzustellen – und wenn man schon dabei ist, Betreuung und Erziehung auch gleich! Mit einem Kind im Arm gelingt das Gedankenexperiment leichter.
Der vorliegende Body wurde im Zuge des Transfers von der Entbindung nach Hause ungeplanterweise Teil des Hausstandes des Kolumnisten und wird bei sich eröffnender Gelegenheit gerne retourniert.