Muttersprachenpop – Die wichtigsten deutschsprachigen Neuerscheinungen im März 2025

Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald. Die wichtigsten deutschsprachigen Neuerscheinungen im März 2025. Mit Mia Morgan, Team Scheisse, Herrenmagazin, Acht Eimer Hühnerherzen & mehr.

Mia Morgan (Bild: Can Wagener)
© Mia Morgan (Bild: Can Wagener)

Team Scheisse – »20 Jahre Drehorgel«

Team Scheisse (Bild: SoulForce Records)
Team Scheisse »20 Jahre Drehorgel« (Bild: Soulforce Records)

Nicht viele schreiben bessere Texte als die Bremer Sell-Out-Kandidat*innen von Team Scheisse, die auf ihrem dritten als solches wahrgenommenen Album auf die selbige (d. h. Kacke) hauen. »Ich hab noch nicht mal Kaffee gehabt / bin schon abgefuckt« von der generational Hymne »Mittelfinger«, die selbst semiaufmerksame Fans schon vom Vorjahr kennen sollten, ist da nur eines der unzähligen Beispiele auf dem herrlich balla-balla-benannten »20 Jahre Drehorgel«. Das dreht sich inhaltlich mal wieder um den ganzen Rotz, der sich Gegenwart schimpft, von Mieten, Podcasts, dem »Ikeamensch« (auch schön: »Ich wollte mal ‘ne Lampe kaufen / bin kilometerweit gelaufen / durch irgendwelche Fantasiezimmer«). Und immer streng dagegen. Zurecht. Alle Finger Mittelfinger. TS lassen auch Taten folgen, nix mehr mit Instagram, haben sich nicht viele getraut. Kein Wunder, dass die so beliebt sind, bei Medien und allen, die was damit oder dagegen machen. Zum Hören des dritten Albums braucht man tatsächlich nicht so viel Mut, das ist alles schön verträglich und nicht zu kratzig (wie die Marketing-Heinis labern), das können sich alle ins Regal stellen. Und – quite frankly – sollten sie auch.

»20 Jahre Drehorgel« von Team Scheisse erscheint am 7. März 2025 via Soulforce Records. Aktuell keine Live-Termine in Österreich. Hier kaufen.

Acht Eimer Hühnerherzen – »Lieder«

Acht Eimer Hühnerherzen (Bild: Kidnap Music)
Acht Eimer Hühnerherzen (Bild: Kidnap Music)

Das Berliner Folkpunk-Kombinat schreibt auf ihrem vierten Album »Lieder« – der ähnlich treffend benannte Vorgänger »Musik« stieg in den deutschen Charts bis auf Platz zwanzig; »Album« aus 2020 war ebenfalls platziert – den wohl einzigen immer gültigen Satz auf dieser Welt: »In Italien warst du schöner.« Auch sonst kann man dem Dreier durchaus den Mut zur Wahrheit attestieren auf ihrem Ritt durch vierzehn grummelige, mies gelaunte, aber doch irgendwie hoffnungsvolle Stücke voller Selbstreferenzen, Alltagsbeobachtungen und Banalitäten. Aber auch durch (dezent) Politisches, wie in der tollen Single »Ostkreuz« über immer noch akutes Besser-Wessi-Sein, während im Osten Friedenstauben vom Himmel fallen. Trotz – oder gerade: wegen – der recht einfachen Instrumentierung und Melodien sowie vor allem wegen der gehörige Portion Poesie und Antithese sind Acht Eimer Hühnerherzen so likeable, so relatable, so able, sich ganz nah an ihre Hörer*innenschaft zu binden. Die Gruppe bleibt eine Band fürs (Hühner-)Herz. Und – in einer gerechten Welt (lol) – auch wieder für die Charts. Weil das ist einfach sehr toll.

»Lieder« von Acht Eimer Hühnerherzen erscheint am 21. März 2025 via Kidnap. Live Termine: 10. Oktober, Graz, Ernte Punk Fest (laut Band-Website). Hier kaufen.

Herrenmagazin – »Du hast hier nichts verloren«

Herrenmagazin (Bild: Lucja Romanowska)
Herrenmagazin (Bild: Lucja Romanowska)

»Früher war ich meistens traurig.« »In den dunkelsten Stunden.« »1000 Städte.« »Der langsame Tod eines sehr großen Tieres.« Klar, wenn es darum geht, ein Soundtrack für jemanden in einer bestimmten Phase eines Lebens zu sein, könnte diesen quasi jeder Act beisteuern. Bei überraschend vielen war es allerdings Herrenmagazin. Einen sehr schön melancholisch machenden Beweis erbringt Paula Irmschler in ihrem sehr empfehlenswerten Roman »Superbusen«. Jeder WG ihr Soundtrack. Und in sehr vielen kommt der eben von Herrenmagazin, die mit oben genannten Songs Menschen für immer veränderten. Weil sich auch jene in der Band immer mehr veränderten – Aufgabe im Kapitalismus, Familie und so weiter –, gab’s den Hiatus, paar Bücher dann, nun nach neun langen Jahren endlich ein neues Album. Natürlich klingen Herrenmagazin noch immer nach sich, nur eben ein paar Jahre älter. Das ist keine Musik mehr für WGs, sondern für Jungfamilien, für Dinks, für Ex-WGs, für ein »lass mal wieder labern«, für ein »die alte Band, lass mal wieder jammen«, für ein »war schon okay damals«, für ein »aber jetzt ist auch nicht schlecht«. Das Leben geht weiter. Aber schön, dass dich eine Band dabei wieder begleitet, die viel dafür getan hat. Danke! 

»Du hast hier nichts verloren« von Herrenmagazin erscheint am 28. März 2025 via Grand Hotel van Cleef. Keine Termine in Österreich. Hier kaufen.

Mia Morgan – »Silber«

Mia Morgan (Bild: Can Wagener)
Mia Morgan (Bild: Can Wagener)

Vielfalt ist immer geiler als Einfalt. Und gefühlt ist niemand vielfältiger als Mia Morgan. Auf ihrem zweiten Album »Silber« geht die Kasseler Künstlerin musikalische Wege wie sonst nur ganz seltsame WG-Partys mit minütlich wechselnden »DJs«, und ist irgendwo zwischen Evanescence, Marilyn Manson, Rosenstolz, Blümchen unterwegs, zwischen Industrial, Metalcore, Emo, Bubblegum, Schlager und was dir dazu noch einfällt. Und das Nice daran: Das funktioniert einwandfrei, ist anders, edgy und ganz sicher nichts für deinen Onkel. Auch ziemlich gut: Das Album verkörpert genau das, was Mia Morgan als Person, als Fiktion, als Avatar, als Fleisch und Blut verkörpert. So war sie dieses Mal – im nicht expliziten Vergleich mit ihrem Debüt »Fleisch« – auch deutlich involvierter, als Kreativdirektorin über Sound, Text, Produktion, Design und alles. Und das spürt man beim Hören, so klingt eine Person, die weiß, wie sie klingen will, wie sie sein will, was sie haben will. Das ist Gift für alle Genre-Scheuklappen oder die Indie-Polizei oder wen auch immer, der nicht wahrhaben will, dass die beste Musik wohl jene ist, die das Wesen des Acts nach außen transportiert. Hell yeah!

»Silber« von Mia Morgan erscheint am 21. März 2025 via Wiedergänge. Termin in Österreich: 5. April, Wien, WUK. Hier kaufen.

Die Heiterkeit – »Schwarze Magie«

Die Heiterkeit (Bild: Miguel Martin Bentacor)
Die Heiterkeit (Bild: Miguel Martin Bentacor)

Wenn du fragst, was passiert ist, dann lautet die Antwort folgendermaßen: Nach dem letzten Album der ziemlich besten Gruppe Die Heiterkeit veröffentlichte Master- und schließlich einziges Mind Stella Sommer ein paar Solo-Platten, zuletzt als Die Mausis mit Max Gruber alias Drangsal auch wieder Bandmaterial. Während sie sich mit ihren Solowerken englischsprachigen Songwriter-Folk widmete, stand Die Heiterkeit als musikalischer Hoffnungsträger in trostloser Welt immer für einen deutschsprachigen, melancholischen Pop-Appeal mit großen Worten und großer Melancholie. Spätestens mit »Schwarze Magie« ist jedoch ein Amalgam aus den englischsprachigen aktuellen Werken Sommers und eben deutschen Texten. Reduzierter Düsterfolk, Country, Songwriter-Crooning, meist ohne Pop-Appeal, da passt die Witchcraft als thematischer Fokus schon ganz gut dazu. Dass das dann nicht mehr ganz Die Heiterkeit ist, die mit »Pop & Tod I+II« und vor allem »Monterrey« Pop-Geschichte geschrieben hat, muss bewusst sein. Aber das heißt ja nicht zwangsläufig, dass es weniger gut ist. Es ist eben anders.

»Schwarze Magie« von Die Heiterkeit erscheint am 21. März 2025 via Buback. Live-Termin in Österreich: 15. Mai 2025. Hier kaufen.

Außerdem erwähnenswert:

Garish – »Am Ende wird alles ein Garten«

(VÖ: 14. März 2025)

In der aktuellen Ausgabe von The Gap – bitte hier zu lesen – heißt es: »Garish baden […] wohl in Korrosionsschutzmitteln wie andere in Milch. Sonst schaffst du es fast gar nicht, nach acht langen Jahren […], dass du genau so klingst, als wärst du nie weggewesen.« Heißt also: Musikalisch ist vieles beim Alten. Garish hat auch nach der längeren Pause ihre Trademarks nicht verloren. Warum das gut ist, habt ihr mittlerweile bestimmt schon im Heft gelesen. Album hier kaufen, Tour ist ausgiebig mit Stopps in jedem Bundesland. Das ist ein Service!


Buntspecht – »Konstrukt 5«

(VÖ: 14. März 2025)

Buntspecht gelten bekanntermaßen ja als Band für alle Fälle, als sichere Bank, als steter Headliner der Herzen. Musik, die einfach allen gefällt, wo alle daran Gefallen finden können. Selbiges tut auch Kollegin Mira Schneidereit in der aktuellen Ausgabe von The Gap (hier lesen), selbiges sollten nun tatsächlich auch alle tun: Buntspecht bleiben einfach Hitmaker, da kannst du einfach nichts anders sagen. Wirklich cool geworden wieder. Hier kaufen, in ganz Österreich live erleben.

Die bisherigen Veröffentlichungen von Dominik Oswalds Reihe »Muttersprachenpop« finden sich unter diesem Link.

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