»Ein Film über Freundinnenschaft« – Das Ftzn Kollektiv im Interview zu »Blutsschwestern«

Im semidokumentarischen Kurzfilm »Blutsschwestern« begleiten wir drei Freundinnen bei einem Roadtrip, der mit einem feierlichen Menstruationsritual endet. Die Regisseurinnen, die gleichzeitig auch die Protagonistinnen des Films sind und gemeinsam das Ftzn Kollektiv bilden, möchten ihre »eigenen Geschichten erzählen, laut sein und gehört werden«. Der Kurzfilm ist aktuell kostenfrei in der Cinema Next Series zu streamen. Im Interview gibt uns das Ftzn Kollektiv einen Einblick in seine Arbeitsweise.

© Ftzn Kollektiv — Die Protagonistinnen bei der Huldigung der (frei erfundenen) Maria Theresia Albrici in »Blutsschwestern«

»Blutsschwestern« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.

In euren eigenen Worten: Worum geht es in »Blutsschwestern«?

Ftzn Kollektiv: »Blutsschwestern« ist in erster Linie ein Film über Freundinnenschaft. Da wir drei auch im echten Leben Freundinnen sind, haben wir unsere Verbundenheit den Charakteren im Film geliehen. Ein Film zum Hineinkippen, der einen auf unsere Reise durch Italien mitnimmt und ganz nebenbei das Thema Menstruation verhandelt.

Dem Roadtrip im Film liegt ja ein Menstruationsritual in Zusammenhang mit der Heiligen Maria Theresia Albrici zugrunde. Könnt ihr uns dazu mehr erzählen? Gibt es diese wirklich? Wie seid ihr darauf gekommen?

Wir haben einen Grund, einen Aufhänger gebraucht, um die Freundinnenschaft zu erzählen. Schon mit unserem Kollektivnamen und in den Stücken, die wir bisher gemeinsam erarbeitet haben, haben wir uns dem Feminismus verschrieben und wir wollten uns auch in diesem Film mit einem dezidiert feministischen Diskurs auseinandersetzen. So sind wir auf das Thema Menstruation gekommen. Menstruieren ist in unserer Bubble zwar kein Tabuthema mehr – zum Glück –, trotzdem fehlen auf öffentlichen Toiletten weiterhin Menstruationsartikel und wir ernten noch immer schiefe Blicke, wenn wir offen darüber reden. Außerdem wollten wir der allbekannten Blutsbrüderschaft etwas entgegensetzen. Da wir ja sowieso einmal im Monat von ganz alleine bluten, ohne uns in den Finger zu schneiden, dachten wir, dass wir uns ein eigenes Ritual schaffen: die Blutsschwesternschaft. Nach etwas Recherche sind wir auf die Menarchefeiern gestoßen. Einen Brauch, bei dem die erste Menstruation mit einem großen Fest gefeiert wird. In Kombination mit einem Faible für Mariendarstellungen war die frei erfundene Figur Maria Theresia Albrici schnell erdacht und geschrieben.

Euer Film enthält Roadmovie-Elemente, oft im Stil von Urlaubs-Homevideos. Wieso habt ihr euch für diesen Stil entschieden? Und wie habt ihr den Film gedreht?

Wir hatten von Anfang an geplant, einen Trip nach Italien zu machen. Unsere Drehroute hat sich daraus ergeben, dass wir eine befreundete Person in Rimini hatten, bei der wir schlafen konnten. In Venedig gab es einen Zwischenstopp, weil Runa und Hannah dort noch nie waren. So haben wir grob die Route festgelegt. Uns war auch klar, dass wir nur zu dritt fahren wollen und neben dem Schauspiel auch die Regie, Kamera und Ton übernehmen möchten. Diese Drehweise hat uns totale Freiheit gegeben und es uns ermöglicht, eine besondere Intimität zwischen den Figuren zu erzählen.

Oft verschwimmen in »Blutsschwestern« auch die Dokumentar- und die Fiktionsebene. Falls ihr das verraten wollt: Wie viel war geplant und wie viel spontan? Zum Beispiel, was die Clubszenen oder die Übernachtung am Strand betrifft.

Da wir draußen in der Welt gedreht haben, waren die Szenen spontan improvisiert. Trotzdem gab es ein Skript, an dem wir uns orientiert haben. Alle Szenen hatten einen klaren Bogen und ein Ziel. Im besten Fall, und das kam oft vor, haben uns der Zufall und die Spontaneität die schönsten Bilder beschert — eben Dinge, die man nicht planen kann.

Die Freundinnen nach einer durchzechten Clubnacht am Strand …
… und beim Menstruationsritual im Adriatischen Meer. Filmstills aus »Blutsschwestern« © Ftzn Kollektiv

Apropos Clubszene: Wie war hier der Drehprozess? Waren die Protagonist*innen eingeweiht und der Schmusepartner gecastet?

Hannahs Figur hatte das Ziel, im Urlaub jemanden kennenzulernen. Erst durch das Tindern in Venedig und dann durch die Versuche in der Bar in Rimini. Alle diese Dinge waren intendiert und provoziert durch unser Spiel. Wir haben niemanden vorab gecastet, aber die Mitspielenden waren eingeweiht.

Wie bereitet man so ein Filmprojekt vor?

Wir haben in unserem Kollektiv ja schon früher sehr eng zusammengearbeitet und sind schon oft gemeinsam durch kreative Prozesse gegangen. Am Anfang stand der Wunsch, einen gemeinsamen Film zu drehen – dann kam die Idee! Da wir alle aus dem Schauspiel kommen, haben wir uns für die Figurenentwicklung zum Improvisieren getroffen. Warum etwas auf dem Papier entwickeln, wenn es auch spielerisch zu erarbeiten ist? Dann gab es ein loses Drehbuch mit einer Szenenreihenfolge, um eine Dramaturgie festzulegen. Orte, wie zum Beispiel die Bucht oder die kleine Madonna, wurden auf Google Maps ausgecheckt.

Ihr seid ja nicht nur hinter der Kamera, sondern auch die Protagonistinnen davor – war das für euch das erste Mal vor der Kamera? Wie funktioniert das, gleichzeitig Regie und Schauspiel zu übernehmen?

Wir drei haben uns während unseres Schauspielstudiums kennengelernt und über die Jahre sehr viel miteinander gespielt und gearbeitet. Künstlerisch sprechen wir deshalb dieselbe Sprache. Wir wissen immer sehr genau, was die andere meint. Dadurch treten viele Kommunikationsschwierigkeiten, die es oft zwischen Schauspiel und Regie gibt, gar nicht erst auf. Wir achten besonders darauf, dass wir ohne Hierarchien arbeiten. So ist es nicht nur ein Kopf, der den Weg vorgibt, sondern es sind eben drei.

Das kollektive Ziel ist es, queer-feministische Sichtweisen auf die Bühne zu bringen – mit eurem Kollektivnamen konnotiert ihr ein ursprüngliches Schimpfwort neu; im Film behandelt ihr ein gesellschaftliches Tabuthema. Könnt ihr uns ein wenig von eurer Arbeit im Kollektiv und euren Ansätzen erzählen?

Wir gehen bei allem, was wir verhandeln, tendenziell von uns selbst aus. Wir wollen unsere eigenen Geschichten erzählen, laut sein und gehört werden. Gerade als Schauspielerinnen sind uns in unserem Beruf oft die Hände gebunden. Deswegen ist es uns als Kollektiv so wichtig zu erzählen, was uns interessiert – und nicht nur die Idee von jemand anderem mit Leben zu füllen. Und das sind nun mal queer-feministische, politische Inhalte.

Wie habt ihr zum Kollektiv zusammengefunden?

Während unseres gemeinsamen Schauspielstudiums haben wir 2020 für einen Wettbewerb zu dritt eine Performance erarbeitet. Das wurde später die Vorlage für unser erstes Stück, bei dem wir unter anderem fünf riesige goldene Luftballons auf der Bühne hatten, die am Ende das Wort »Fotze« ergaben. So sind wir auch zu unserem Namen gekommen. Nach dem Projekt war klar, dass wir auch in Zukunft zusammenarbeiten wollen — ab da unter dem Namen Ftzn Kollektiv.

Gibt es schon ein neues Kollektivprojekt, auf das wir uns freuen dürfen?

Wir sind gerade dabei, unseren zweiten Film zu drehen. Diesmal nicht in Italien, sondern in Schweden. Es geht wieder um drei Freundinnen, die diesmal gemeinsam in Schweden das Krebsfest feiern — die Kräftskiva. Der Film ist mindestens so absurd wie »Blutsschwestern«, aber um einiges fantastischer. Im Film verhandeln wir weibliche* Wut und radikale Ehrlichkeit. Aber mehr wird erst mal nicht verraten …

Das Ftzn-Kollektiv ist ein queer-feministischer Verein aus Wien. Die kollektiven Arbeiten zeichnen sich durch eine schonungslose, ehrliche und humorvolle Auseinandersetzung mit feministischen und gesellschaftlichen Themen aus. Der Film »Blutsschwestern« ist der erste Kurzfilm des Kollektivs und feierte 2025 beim Filmfestival Max Ophüls Preis Premiere.

Eine Interviewreihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.

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