In »Meine Wurzeln und ich« erzählt der Regisseur Adrian Lindenthal im Dialog mit dem Autor Hamed Abboud dessen Geschichte. Der Kurzfilm war 2024 für den Arbeitswelten-Förderpreis der AK Salzburg nominiert, nun ist er in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Im Interview gibt uns der Filmemacher einen Einblick in die Entstehungsgeschichte seines Dokumentarfilms.

»Meine Wurzeln und ich« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Meine Wurzeln und ich«?
Adrian Lindenthal: Kurz gesagt ist »Meine Wurzeln und ich« ein Versuch, der Person Hamed Abboud filmisch näherzukommen. Der Film lädt auf eine musikalisch-poetische Reise mit ihm, seinem Gedicht und seinen Gedanken ein. Im besten Fall ist es ein Film, der Lust darauf macht, selbst künstlerisch tätig zu werden. Vielleicht ja, indem man – wie im Film – einer Person in seinem Leben näherkommt. Denn immer dann, wenn wir uns einer Person annähern, haben wir Einblick in den Teil eines eigenen, kleinen Universums, in dem es spannende Dinge zu lernen gibt und in dem man sich mehr als einmal wiederfindet.
Wie hast du Hamed Abboud kennengelernt und warum hast du dich dafür entschieden, einen Film über ihn zu machen?
Kennengelernt habe ich Hamed auf einer Veranstaltung der Seebrücke Wien. Er hielt dort eine Lesung und kam auf mich zu, um zu fragen, ob ich nicht eine seiner kommenden Lesungen filmen könnte. Als das vorbei war und das nächste Semester in meiner Ausbildung begann, war die Aufgabenstellung des Semesterprojekts, eine Person filmisch zu porträtieren. Hamed war damals die erste Person, die mir in den Sinn kam und er war auch begeistert von der Idee. Ich glaube, ich dachte damals sofort an ihn, weil ich mir für ein filmisches Porträt am besten eine Person vorstellen konnte, die ich persönlich noch nicht gut kenne und die vielleicht auch keinen gleichen Hintergrund und Beruf hat, mit der ich mich aber dennoch gut verstehe. Wir beide konnten in dem Projekt künstlerisch und persönlich wachsen, was hoffentlich noch zu weiteren Zusammenarbeiten führen wird.
Gibt es ein Zitat von Hamed, das dich besonders inspiriert hat und warum?
Aus seinem Gedicht im Film finde ich diese Zeilen wunderbar: »Ein depressives Gedicht in der Früh lässt mich nicht depressiv zurück. Es lässt mich wissen, dass es mir besser als dem Autor geht.« Ich muss bei dem Zitat auch oft an traurige Filme denken, die einen, wenn es gute Filme sind, nicht traurig zurücklassen, sondern man kommt vielmehr inspiriert und glücklich aus diesen Filmen heraus.
Oliver Biedermann hat die Musik für den Kurzfilm gemacht, die auch einen wesentlichen Teil zur Atmosphäre beiträgt – wie seid ihr an diese Aufgabe herangegangen?
Eigentlich lief alles sehr frei ab. Seine Musik, so ähnlich wie wir sie im Film hören, hatte ich ein paar Monate zuvor bei einem Konzert von ihm gehört. Als ich dann begann, den Film zu drehen, dachte ich mir, dass sie gut dazu passen würde. Die hallenden Trompetenmelodien erinnern mich immer an das Weite und haben etwas Melancholisches an sich. Als ich sie hörte, hatte ich sofort Bilder von Wien im Kopf. Da für Hamed im Film Wien eine wichtige Rolle spielt und ich mir die Musik toll zu Aufnahmen der Stadt und gesprochenen Gedichten vorstellen konnte, bat ich Oliver, mir ein paar Stücke zum Rohschnitt aufzunehmen und sie mir zu schicken. Beim ersten Versuch war ich vollkommen zufrieden und genau diese Aufnahmen, die er mir damals zukommen ließ, finden sich jetzt auch im Film.


Hast du ein Stammlokal oder einen Lieblingsort in Wien?
Eigentlich keinen im Speziellen, eher unglaublich viele. Sie ändern sich auch je nach Wetter und Lebensphase. Aber als Stammlokal ist das Orient Occident am Naschmarkt sicher sehr weit oben auf der Liste, weil ich es mit tollen Leuten und guten Gesprächen verbinde. Einer meiner Lieblingsorte ist definitiv ganz allgemein: das Kino. Dort kann man entspannen, abschalten, immer wieder staunen, welche guten Filme gemacht werden – und währenddessen etwas Gutes essen.
Gibt es eine spannende Anekdote vom Filmdreh?
Eigentlich war es ein sehr ruhiger Dreh. Allerdings bin ich für die erste Aufnahme von Wien mit schwerem Stativ und Kamera auf die Jubiläumswarte hinaufgeklettert – wie man im Film sieht. Das war physisch eine kleine Herausforderung, vor allem, weil Menschen währenddessen hinauf und hinunter an mir vorbei mussten.
»Meine Wurzeln und ich« wurde für den Arbeitswelten-Förderpreis der AK Salzburg nominiert. Mit diesem werden Filme ausgezeichnet, die sich auf besondere Weise mit dem Thema Arbeit beschäftigen. Haben sich für dich durch Hamed und den Filmdreh neue Perspektiven auf das Thema Arbeit eröffnet?
Wenn ich an den Dreh denke, dann fällt mir zum Thema Arbeit Folgendes ein: Ich und Hamed hatten beide zum Zeitpunkt des Films neben unserem künstlerischen Schaffen noch andere Jobs. Das tut der künstlerischen Arbeit gut, weil man sie nicht ständig um sich hat und das künstlerische Arbeiten dadurch etwas Kostbares und Seltenes bleibt. Inzwischen arbeite ich in der Fernsehbranche und dadurch, dass die Leidenschaft zum Beruf geworden ist, hat sich auch meine Perspektive auf diese Leidenschaft verändert. Ich bin in meiner Freizeit sicher etwas uninspirierter, Projekte wie die mit Hamed umzusetzen, weil ich mich eh schon 40 bis 50 Stunden pro Woche direkt oder indirekt damit beschäftige. Ich glaube, es ist dennoch wichtig, Leidenschaften, die man zum Beruf gemacht hat, auch in seiner Freizeit eine Chance zu geben, um sie wieder neu zu entdecken und sich daran zu erinnern, warum man damit angefangen hat.
Apropos Arbeit: Gibt es schon ein neues Projekt von dir, auf das wir uns freuen können?
Mit dem Filmkollektiv Elise habe ich letztes Jahr den komödiantischen Kurzfilm »Die Wiener Comedia« gedreht, der voraussichtlich diesen Sommer fertiggestellt wird. Er wird dann hoffentlich auf Festivaltour gehen. Außerdem würde mich ein weiteres Dokuprojekt mit Hamed – in welcher Form auch immer – unglaublich freuen.
Eine Interviewreihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.