»Wir sollten uns mit Meinungs­verschiedenheiten wohl­fühlen« – Inna Schewtschenko, Verena Soltiz und Arash T. Riahi im Interview zu »Girls & Gods«

Ob Feminismus und Religionen zusammen­passen, dieser Frage geht der Film »Girls & Gods« nach. Zugleich ist die Dokumentation aber auch ein Plädoyer für die Lust an respekt­vollen Auseinander­setzungen.

© Golden Girls Film

Inna Schewtschenko kämpft seit ihrer Studienzeit für Frauenrechte. Die in der Ukraine aufgewachsene politische Aktivistin wurde durch ihr Engagement bei der feministischen Gruppe Femen bekannt. Fotos und Videos von ihr und ihren Mit­streiterinnen bei verschiedenen Protesten gingen um die Welt. Sie wurde verhaftet, überlebte ein islamistisches Attentat und wohnt mittlerweile in Frankreich. Ihre Sicht auf Religionen und deren Einfluss auf Gesellschaft sowie Frauenrechte war stets ein zentraler Aspekt ihres Aktivismus. Um sich diesem Thema noch konzentrierter zu widmen, ging sie eine kreative Partner*innen­schaft mit den Regisseur*innen Verena Soltiz und Arash T. Riahi ein. Dabei entstand der Dokumentar­film »Girls & Gods«. In diesem trifft Schewtschenko auf unterschiedlich religiöse Menschen: Vertreter*innen des Judentums, des Christentums und des Islams diskutieren mit ihr, inwiefern Religionen und Frauenrechte vereinbar sind. Im Interview mit The Gap erzählen Inna Schewtschenko, Verena Soltiz und Arash T. Riahi über ihren Zugang zu Religion, die Heraus­forderungen bei dieser Filmproduktion und warum es für den Erhalt unserer Demokratie trotz Meinungs­verschiedenheiten Debatten auf Augenhöhe braucht.

Welchen Zugang zu Religion hattet ihr vor der Arbeit an »Girls & Gods«?

Inna Schewtschenko: Ich wuchs in einer russisch-orthodoxen Familie auf. Meine Großmutter war sehr religiös, meine Eltern schon weniger. Wir gingen in die Kirche und mir wurde beigebracht, abends zu beten. Als ich meine erste Menstruation bekam und sonntags die Kirche besuchen wollte, hielt mich eine Frau dort auf und kritisierte meine Hosen. Sie meinte, ich solle keine Hosen tragen, worauf meine Mutter antwortete, dass es ohnehin besser sei, wenn ich an diesem Tag nicht die Messe besuche, weil ich ja meine Periode hätte und mein Körper daher schmutzig sei. Ab da fühlte ich mich sehr schlecht in dieser Religions­gemeinschaft, es war der Beginn für mich, Religion kritisch zu sehen. Als ich begann, mich mit Feminismus auseinanderzusetzen, wuchs meine Kritik an Religionen weiter. Nach und nach merkte ich, wie sehr Religionen Parade­beispiele für die Unterdrückung von Frauen sind.

Verena Soltiz: Die Familie meines Vaters war religiös, die meiner Mutter atheistisch. Ich selbst ging an eine katholische Privatschule und bekam dort in meinem Umfeld Missbrauch mit. Diese Erfahrung führte dazu, dass ich begann, institutionelle Religion abzulehnen. Als Inna mit der Idee zu diesem Projekt an mich herantrat, wusste ich, welche historische Relevanz das Thema Religion hat. Ich wollte mich dem Thema stellen, weil ich aufgrund meiner Vergangenheit Verantwortung übernehmen und es nicht weiter verdrängen wollte, wie ich es davor lange getan hatte.

Arash T. Riahi: Mein ganzes Leben ist sehr von Religion beeinflusst. Meine Eltern sind atheistisch, meine Großeltern und andere Familienmitglieder muslimisch. Meine Familie und ich mussten aus dem Iran fliehen, weil islamistische Diktatoren die Herrschaft übernommen hatten. Ich verlor einige Familien­mitglieder, weil sie hingerichtet wurden. Mir wurde bewusst, dass Religion ein besonders einflussreicher Grund für Kriege ist. So werden die meisten Muslim*innen etwa von anderen Muslim*innen getötet. Ich bemerkte eine gewisse Ambivalenz: Einerseits wird Religion genutzt, um Gewalt auszuüben, andererseits sind einige der liebens­würdigsten Menschen, die ich kenne, religiös.

Inna Schewtschenko in »Girls & Gods« (Bild: Golden Girls Film)

In den letzten Jahren scheint ein konservativer Backlash Religion und religiöse Dogmen wieder vermehrt in den Mittelpunkt zu stellen – gerade auch in westlichen Ländern. Wie schätzt ihr die aktuelle Bedeutung von Religion ein?

Schewtschenko: Selbst, wenn sich Gesellschaften heute zumindest offiziell etwas säkularer geben, werden Frauen immer noch von Religionen unterdrückt. In Ländern wie Polen oder den USA etwa wird der Zugang zu Abtreibungen verboten oder eingeschränkt – und das geschieht durch religiöse Unterstützung. Wenn Religionen merken, dass sie die Rechte von Frauen und Minderheiten einschränken können, dann tun sie das. In den westlichen Ländern sind autoritäre Bewegungen am Vormarsch. Auch da können wir uns sicher sein, dass Religionen daran beteiligt sind, beziehungs­weise sein werden, die Rechte von Frauen und Minderheiten zu beschneiden.

Warum ist Religion ein passendes Werkzeug, um Macht und Machtmissbrauch zu legitimieren?

Soltiz: Menschen wagen es nicht, Fragen zu stellen und Religionen zu kritisieren. Das Thema wird immer nur mit Samthandschuhen angefasst. Einerseits, weil die Menschen Angst haben, jemanden zu verletzen, und andererseits, weil sie glauben, dass Religionsgemeinschaften positive Werte vermitteln und nur Gutes tun. Viele ignorieren, wie sehr Religion genutzt wird, um Macht zu bekommen und diese Macht zu missbrauchen.

Riahi: Es hat sicher auch damit zu tun, dass wir uns alle schlecht eingestehen können, dass das Leben keinen Sinn ergibt. Religionen greifen die Frage nach dem Sinn des Lebens auf. Solange Menschen Angst davor haben, was nach dem Tod passiert, haben Religionen somit Relevanz. Für mich ist es völlig unver­ständlich, wie man nicht für Menschenrechte und ein gutes Leben für alle sein kann. Aber ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass ich in einer Bubble lebe und dass mittlerweile viele Religions­gemeinschaften das Konzept von Gleichberechtigung offen hinterfragen. Sie glauben etwa nicht, dass Männer und Frauen gleich sind.

Schewtschenko: Religionen haben immer auf die Ängste der Menschen reagiert. Warum sind wir hier? Wir wollen nicht hören, dass unser Leben keinen Sinn hat. Menschen wollen nicht unnütz sein. Religionen reagieren darauf, sie geben uns eine Mission. Religionen liefern uns einen falschen Mythos unserer eigenen Nützlichkeit. Das spricht Menschen immer an, vor allem marginalisierte Gruppen. Es gibt noch immer diesen Glauben, dass Religion uns gut macht. Religion hat die Moral für sich vereinnahmt, viele denken, sie können nur moralisch handeln, wenn sie auch religiös sind. Das ist gefährlich und wird nur selten hinter­fragt. In den westlichen Ländern denken wir nur an die positiven Seiten von Religion, wir verab­säumen es, die Nuancen zu verstehen. Ich will hier ein Beispiel nennen: Wir denken, dass Frauen eine körperliche Autonomität haben und anziehen dürfen, was sie wollen. Da bin ich natürlich ganz dafür, aber genau das wurde von Islamisten vereinnahmt. Sie sagten den muslimischen Frauen, dass sie einen Hidschab tragen müssen – und verteidigten das gemäß der Prämisse, dass Frauen die Kleidung tragen dürfen, die sie tragen wollen. Wenn uns nun eine muslimische Frau erzählt, dass sie stets dafür kritisiert wird, wenn sie sich nicht verschleiert, dann passt das nicht in unser gängiges Narrativ. Diese Stimmen werden marginalisiert, weil sie nicht in unser Konzept dieser Autonomie passen.

Könnt ihr kurz die Entstehungsgeschichte des Films skizzieren? Wie gestaltete sich die Aufgabenteilung zwischen euch dreien?

Schewtschenko: Der Film kann als Antwort auf die Krise einer Aktivistin, die ihre Positionen laut vertritt und dabei Gegenwind erfährt, verstanden werden. Zudem merkte ich in den letzten Jahren, wie sehr Menschen schwierigen Diskussionen aus dem Weg gehen – auch das war ein Grund, diesen Film zu machen. Selbst in feministischen Kreisen wird Religion selten angesprochen. Ich wollte daher zuhören, Diskussionen anregen und Menschen treffen, die mir widersprechen. Heutzutage ist es immer seltener, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die andere Werte und Meinungen vertreten. Als ich mit Verena und später mit Arash in Kontakt kam, brachten wir alle unsere Positionen mit ein und das Projekt wurde größer als wir.

Riahi: Jede*r von uns lebt in einer Bubble und hat eigene Probleme mit Religion. Es war daher auch für uns wichtig, sich auf Diskussionen einzulassen und das eigene Ego zurückzunehmen. Wir kennen und respektieren einander und wir wussten, dass wir den Film alleine nicht machen können. Diese kreative Reibung, die es durchaus gab, tat uns sowie dem Film gut. Wir hatten ein Konzept und begannen, gemeinsam unsere Protagonist*innen zu finden. Das war nicht immer einfach, genau wie die Finanzierung.

Soltiz: Wir hatten harte Diskussionen, aber wir fanden stets eine Lösung. Die Konzeption, die Produktion und die Postproduktion des Films war eine kollektive. Wir hielten uns im Bewusstsein, dass der Kern des Films im Mittelpunkt steht und nicht unsere Egos.

Verena Soltiz (Bild: Filmladen Filmverleih)

Wie habt ihr eure Protagonist*innen gefunden? Wer ist euch auch besonders in Erinnerung geblieben?

Riahi: Wir waren immer offen und haben geschaut, wer in den Film passt und dass wir alle drei mono­theistischen Religionen gleichermaßen behandeln. Vor allem jüdische Personen zu finden, war schwer, besonders nach dem 7. Oktober 2023. Wir durften etwa nicht in einer Synagoge drehen. Wir wollten stets Personen finden, die gemäßigter sind, und welche, die strenger religiös sind. Zudem wollten wir keinen Film drehen, in dem nur Akademiker*innen zu Wort kommen. Die Geschichten, die erzählt werden, sind persönliche – und darum glauben wir diesen Menschen.

Soltiz: Wir wollten keine normalen Interviews, sondern Debatten. Es war eine große Herausforderung, Menschen zu finden, die mit Inna, die sehr starke Meinungen und Ideen vertritt, auf Augenhöhe diskutieren können. Christina Mayr-Lumetzberger (katholische Bischöfin, aber gegen den Willen der Kirche zur Bischöfin geweiht; Anm.) schätze ich sehr, weil sie der größte Punk von uns allen ist. Ich bewundere ihre Art des friedlichen und freundlichen Widerstands sehr.

Schewtschenko: Nadja Tolokonnikowa von Pussy Riot kommt ebenso im Film vor, aber Christina Mayr-Lumetzberger ist noch mehr Punk als sie. Der Film verhandelt Religion, die Kirche und Frauenrechte, aber was der Film eigentlich auch zeigen möchte, ist der Zustand der Demokratie. Es ist ein Film über individuelle und kollektive Freiheit und welche Heraus­forderungen es dabei gibt. Wir wollten viele unterschiedliche Sichtweisen zeigen, auch das Ende kann verschieden interpretiert werden. Es braucht vielfältige Fragen, Antworten und Perspektiven, damit eine demokratische Gesellschaft und unsere Freiheit weiterhin bestehen können. Wir müssen auch unsere Narrative immer wieder hinterfragen. Auch mich selbst möchte ich stets hinterfragen. Wie können meine Denkweisen Bestand haben, wenn ich sie nie hinterfrage?

Der Film soll keine Antworten geben, sondern Räume öffnen. Ist uns diese Art der Konversation, das Einlassen auf andere Ansichten, in den letzten Jahren abhandengekommen? Wenn ja, wer profitiert davon?

Schewtschenko: Unsere Gesellschaft wurde in den letzten Jahren politisch aktiver, es gibt viele Organisationen und Aktivist*innen. Diese reklamieren alle für sich, für das Gute zu stehen. Sie wissen, wofür beziehungs­weise wogegen sie kämpfen möchten. Jedoch führte dies auch dazu, dass sich neue Dogmen bildeten. Viele Menschen wollen sich und ihre Auffassungen nicht hinterfragen, sie sind nicht offen für neue Perspektiven. Und genau davon profitieren die Feinde von uns allen, die Feinde einer offenen Gesellschaft. Progressive Gruppen spalten und streiten sich, während rechte und autoritäre Personen sowie Gruppen Allianzen bilden und damit Erfolg haben. Wir hoffen, dass unser Film zeigt, dass es in Ordnung ist, unterschiedliche Meinungen zu haben. Wir können diskutieren, uns streiten – und dennoch Freund*innen bleiben. Es macht Spaß, zu debattieren, unterschiedliche Ansichten zu vertreten – und es ist vor allem nützlich. Wir sollten uns mit Meinungs­verschiedenheiten wohlfühlen. Wir sind so von unseren Identitäten besessen, dass unsere Meinungen zu unseren Identitäten werden. Und genau darin besteht das Problem: Wenn wir mit jemandem eine Meinungs­verschiedenheit haben, denken wir gleich, dass wir die Person an sich ablehnen müssen.

Soltiz: Die besten Gespräche, die ich habe, sind Diskussionen, in denen meine Sicht auf die Welt hinterfragt wird, in denen ich herausgefordert werde. So kommen wir zu neuen Ideen und entdecken neue Perspektiven. Diese kontroversen Debatten sind oft viel konstruktiver, als immer nur mit Menschen zu diskutieren, die dir nie widersprechen.

Markant an »Girls & Gods« ist der Fokus auf unterschiedliche Kunst, die sich im Film wiederfindet: Musik- und Rap-Einlagen sind zu hören, Streetart ist zu sehen. Warum war euch das wichtig?

Soltiz: Wir wollten einen Punkfilm kreieren und mit der Musik einen Kontrast zum Thema Religion schaffen. Zudem wussten wir, dass der Film sehr wortlastig sein wird, mit vielen komplexen Ideen. Daher wollten wir Atempausen einbauen, um Zeit für Reflexion zu haben. Zuerst überlegten wir, selbst Kunstwerke zu gestalten und diese zu zeigen, dann sind wir von dieser Idee abgekommen. Schließlich sind wir Dokumentarist*innen. Wir suchten Kunst, die das Thema trifft und da wurden wir vor allem bei Streetart-Künstler*innen fündig, diese sind ja sozusagen auch eine Stimme der Straße. Bilder als visuelle Meinungsäußerungen sind eine Art von Kommunikation, in der sich der momentane Kampf und die Revolution ungefiltert zeigen. Wir waren auch in Museen, etwa in Paris und New York, schauten, welche Kunst es dort und welche Murals es auf der Straße gab. Diese Kunst stellten wir in Kontrast zur altertümlichen, religiösen Kunst aus den Kirchen.

Arash und Verena, inwiefern war es euch wichtig, dass der Film kein »normales« Porträt einer bekannten Aktivistin wird?

Riahi: Es war nie die Idee, einen Film über Inna und ihre Laufbahn als Aktivistin zu drehen. Sie ist zwar Autorin und Protagonistin des Films und daher die ideale Person, um durch den Film zu führen. Sie selbst hat viel durchgemacht, hat ein Attentat überlebt. Sie hat viele Anhänger*innen und ist eine Ikone. Natürlich mussten wir anfangs kurz ihre Geschichte zeigen, damit das Publikum weiß, warum gerade sie zu sehen ist, aber an sich geht es nicht um sie als Person. Und es sollte natürlich kein Werbefilm für sie sein, das war auch ihr wichtig. Es sollte ein ehrlicher und offener Film werden, in dem es nicht darum geht, recht zu haben.

Arash T. Riahi (Bild: Filmladen Filmverleih)

Welche Herausforderungen gab es bei der Postproduktion?

Soltiz: Viele Interviews konnten wir ja nicht vorab besprechen, man muss es Inna also hoch anrechnen, dass sie sich live mit so einer Genauigkeit auf diese Gespräche eingelassen hat, ohne den Respekt des Gegenübers zu verlieren. Khola Maryam Hübsch etwa sagte nach dem Gespräch zu Inna, dass ihre Argumente gut seien. Diese Diskussion war hart, aber konstruktiv. Als Zuschauer*in fühlt man sich beim Ansehen eventuell unwohl, aber die beiden hatten großen Spaß dabei. Das passiert nur, wenn man als Filmemacher*in im Hintergrund bleibt und sich nicht allzu viel einmischt. Der Nachteil besteht darin, dass manche der Gespräche sehr lange waren, teilweise drei Stunden lang. Das war eine große Herausforderung im Schnitt, weil es ja weiterhin wichtig war, die wesentlichen Argumente der Diskussion kurz und knapp wiederzugeben – ohne dass man den Schnitt wirklich merkt. Die Flüssigkeit der Debatten musste erhalten bleiben. Da bin ich sehr froh, dass uns das gelungen ist. Und wir haben immer darauf aufgepasst, dass niemand mit dem Finger auf andere zeigt. Respektvolle Fakten und engagierte Diskussionen – das war uns wichtig.

Riahi: Wir haben auch versucht, in der Mikrodramaturgie keine Wertung zu zeigen. Sprich: Wir stellten die jeweilige Person und deren Argumente vor und bei der letzten Szene, in der dieser Person zu sehen ist, soll das Publikum nicht merken, wie wir als Filme­­macher*innen deren Aussagen bewerten. Das letzte Wort wollten wir immer den Gesprächs­partner*innen überlassen. Es wäre viel zu einfach gewesen, wenn wir einfach beleidigende Aussagen im Film gelassen hätten, wenn wir es einfach zugelassen hätten, dass sich eine Person überhöht und sagt, nur sie habe recht und alle anderen nicht. Genau das wollten wir nicht.

Szene aus »Girls & Gods« (Golden Girls Film)

Der Schluss von »Girls & Gods« kann durchaus als optimistisch und hoffnungsvoll interpretiert werden. Hat euch die Arbeit an diesem Film Hoffnung für eine bessere Zukunft gegeben?

Soltiz: Die Arbeit an dem Film hat mir durch den Austausch mit den anderen viel gebracht, ich habe mich oft selbst hinterfragt. Die letzte Szene zeigt eine alte Kirche in London. Für mich war das eine von Männern gebaute Kirche, die sich Mutter Natur nun zurückholt. Da zeigt sich eine andere, neue Schönheit. So etwas habe ich noch nie gesehen, es ist quasi ein kleines Paradies. Man könnte es als Metapher dafür sehen, die alte Kirche neu zu denken. Mit dem Blick nach oben beenden wir den Film – dort ist alles möglich.

Riahi: Es ist ein friedlicher Blick, der alles möglich macht und alle vereint. Mir hat die Arbeit an »Girls & Gods« schon Hoffnung gebracht. Ich liebe Hoffnung, wobei diese allein nichts nützt; wir müssen auch etwas dafür tun. Dieser Film war daher für uns ein Akt des dialogischen Tuns. Es ist einfach urwichtig für mich, dass diese Filme bleiben und wie Alltagsgegenstände gebraucht werden: Die Leute sollen sich einen Film wie »Girls & Gods« nehmen und ihn nutzen. Einige Protagonist*innen des Films wie Shanon Sterringer und Christina Mayr-Lumetzberger wollen den Film künftig verwenden. Das sind super­katholische Menschen, die in einem Film vorkommen, in dem eine Aktivistin ein Kreuz abhackt und nackte, menstruierende Frauen zu sehen sind. Dass dieses Nebeneinander möglich ist, freut uns. Zum Abschluss fällt mir noch eine kurze Anekdote von unserem Dreh in Linz mit Christina Mayr-Lumetzberger ein: Wir durften sie anfangs nicht in ihrem christlichen Gewand auf einem Kirchenaltar filmen, denn sie wurde ja von der römisch-katholischen Kirche exkommuniziert. Wir trafen dann auf zwei Nonnen, die uns den Dreh erlaubten – mit der einzigen Vorgabe, selbst nicht im Bild zu sein. Also saßen die beiden hinten in der Kirche, schauten uns zu, kicherten. Danach sagte eine: »Die Christine ist viel weiter als wir und wir hoffen, dass wir auch einmal so weit sind.«

Der Film »Girls & Gods« von Verena Soltiz und Arash T. Riahi ist ab 10. Oktober 2025 in den österreichischen Kinos zu sehen.

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