Anlässlich des Record Store Days, der heuer am 21. April begangen wird, haben wir die Vertreter dreier heimischer Plattenläden zum E-Mail-Interview gebeten. Den Anfang macht Sylvia Voller, die gemeinsam mit ihrem Mann Andreas das Recordbag in Wien betreibt.
Wofür steht der Record Store Day für dich? Was kann er leisten und was hat er schon geleistet?
Mit dem Record Store Day ist ein Tag etabliert worden, an dem die Plattenindustrie und die Künstler endlich wieder an die kleinen Indie-Fachhändler denken. Ein Tag, an dem es Produkte gibt, die die großen Ketten und Märkte nicht erhalten werden. Selbst die Majors haben durch den Record Store Day wieder verstehen gelernt, wie sinnvoll es ist, die Kleinen mehr zu unterstützen.
Früher galt der Plattenladen häufig als Ort für hochnäsige Sektierer und Nerds. Hat sich das geändert? Welche Rolle spielen Plattengeschäfte heutzutage?
Der Film „High Fidelity“ birgt schon viele Wahrheiten … Ich persönlich finde es aber auch sehr wichtig und spannend, dass die Nerds zu mir ins Geschäft kommen. Umgekehrt sollte es natürlich auf keinen Fall sein, sprich: dass Verkäufer oder Geschäftsinhaber dem Kunden arrogant und allwissend gegenübertreten. Für mich verkörpert ein Plattengeschäft noch immer einen Ort der Begegnung, wo Leute aufeinandertreffen und sich über Musik unterhalten, Neues entdecken oder Altes wiederentdecken. Die Produkte „angreifen“, ansehen, begreifen können.
Der Treffpunkt Plattengeschäft und der Austausch zwischen Kunde und Verkäufer schweißt stärker zusammen als unpersönliche Elektrogeschäfte oder das Internet. Ich persönlich möchte nicht, dass mir jemand durch Empfehlungen à la „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch“ die Entscheidung abnimmt – ich bin ja kein Durchschnitt!
Hat sich die wirtschaftliche Lage in den letzten Jahren auch für euch verschärft oder habt ihr es als Spezialist ohnehin eher mit Liebhabern und Sammlern zu tun, deren Nachfrage durch digitale Alternativen nicht so stark beeinträchtigt wird?
Selbstverständlich spüren auch wir die wirtschaftliche Angespanntheit. Wir haben auch viele Kunden, die Alben downloaden, sich diese dann aber, wenn sie ihnen gefallen, trotzdem bei uns kaufen.
Lässt sich ein Trend erkennen, was die Tonträgerformate betrifft – Stichwort „Renaissance des Vinyl“? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang Reissues im Vergleich zu neuen Releases? Ist die CD tot? Haben sich inkludierte Download-Codes beim Vinylkauf bewehrt?
Momentan heißt der Trend natürlich Vinyl. Es ist ein größerer Anreiz geschaffen worden, dadurch dass Vinyl oft mit Download-Codes oder einer beigefügten CD veröffentlicht wird. Die CD ist aber nicht tot, sondern hat weiterhin ihre Berechtigung – wie früher die Musikkassette.
Vor allem die speziellen Releases anlässlich des Record Store Days locken viele Kunden in die Läden. Wie werden diese international zugeteilt und weißt du schon, welche Releases ihr heuer anbieten könnt?
Da das Konzept, von Amerika aufgebaut, mittlerweile auch in Europa angekommen ist, gibt es heuer sehr viele länderspezifische Releases. Also einige Produkte gibt es etwa einfach nur in England. Dafür ist in diesem Jahr Österreich auch gut vertreten, z.B. mit einer Split-7-Inch von Sado Maso Guitar Club und Bo Candy And His Broken Hearts auf Beatpop Records oder einer 7-Inch von Wild Evel & The Trashbones auf Trost Records.
Die internationalen Releases und die Zuteilung der Mengen für Österreich werden von Deutschland aus koordiniert. Wir haben ingesamt 295 Einzeltitel bestellt und sind selbst schon gespannt, welche davon in welcher Stückzahl zu uns finden werden. Nebenbei nützen wir natürlich auch unsere Zugriffsmöglichkeit auf Importprodukte und bemühen uns, so viele wie möglich aus Amerika oder England zu importieren.
Was passiert bei euch rund um den Record Store Day sonst noch? Gibt es eine regionale Zusammenarbeit mit anderen Läden, um das Thema zu forcieren? Habt ihr selbst spezielle Aktivitäten zum Record Store Day geplant?
Wir werden für unsere Kunden bereits um 9 statt wie üblicherweise um 10 Uhr aufsperren. Wir haben zwei Livebands ab 16 Uhr im Shop: Sado Maso Guitar Club und Bo Candy And His Broken Hearts. Auch Problembär Records wird mit einem tollen Angebot mit uns feiern: Es gibt die 7-Inch „Johnny Ramone“ von Der Nino aus Wien exklusiv um 1 Euro. Ab einem bestimmten Einkaufswert, gibt es Gratis-Recordbag-Baumwolltaschen, T-Shirts usw. Außerdem Knabbereien und Drinks … Alles solange der Vorrat reicht!
Was andere Läden betrifft: Wir sind bezüglich der Record-Store-Day-Releases und Lieferanten permanent in einem Informationsaustausch mit Rave Up, Substance etc. Werbetechnisch hat aber jeder für sich seine Kanäle und Kontakte genützt, um diese Aktion publik zu machen.
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Wird es in 25 bzw. 50 Jahren noch Plattenläden geben oder hat sich der Handel mit physischen Tonträgern bis dahin in der digitalen Wolke aufgelöst?
Ich glaube ganz fest daran, dass es dann noch Plattenläden geben wird – solange die Liebe zur Musik besteht und es Menschen gibt, die den Hörgenuss eines physischen Tonträgers zu schätzen wissen! Ich denke auch, dass die Jugendlichen, die jetzt vielleicht eher mit digitaler Musik aufwachsen, im Alter den Unterschied erkennen und lernen werden, dass das nicht vergleichbar ist. Meinem Empfinden nach passiert das sogar jetzt schon.
Es werden vielleicht neue Vertriebwege entstehen – mit mehr kleineren Labels und Vertrieben. Oder es wird mehr von den größeren oder internationalen Labels und Künstlern lizenziert. Aber, wer weiß … Darum: Record Store Day! Überzeugt euch selbst vom Charme eines Plattenladens, der Wertigkeit von Vinyl und der Notwendigkeit eines Fachhandels und unterstützt uns weiterhin mit eurem Kommen.
Über den Record Store Day
2007 in den USA ins Leben gerufen, soll der Record Store Day die Aufmerksamkeit auf unabhängige Plattenläden lenken und deren Bedeutung als Ort des kulturellen und sozialen Austauschs ins Bewusstsein rufen – und natürlich auch feiern. Unterstützung kommt von vielen kleinen und großen Labels und Künstlern, die mit speziellen, streng limitierten Veröffentlichungen sowie Instore-Gigs einen besonderen Anreiz bieten, anlässlich des Record Store Days in einem der mehr als 1.700 teilnehmenden Plattenläden in der ganzen Welt vorbeizuschauen.
In Österreich sind mit dabei:
Di Marcos High Fidelity, Klagenfurt
Downtown Sound, Innsbruck
Dux Records, Graz
Ein:Klang, Graz
Inandout Records, Graz
Musikladen, Salzburg
Rave Up Records, Wien
Recordbag, Wien
Substance, Wien
Tongues, Wien
Nähere Informationen sind in den einzelnen Läden sowie unter recordstoreday.com bzw. recordstoredaygermany.de erhältlich.