Die einsamen Herzen der Cold War Kids

Viertes Album der Kalifornier, das sich glücklicherweise ihrer idiosynkratischen Anfangstage besinnt.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Gleich im ersten Song, „Miracle Mile“, brescht die Band in die Vollen. Ein Pioanointro, das eingängiger und simpler nicht sein könnte drescht auf den Hörer ein. Unterstützt wird es von druckvoll gespielten Drums und ornamentierenden Gitarrenriffs. Alles zusammen bestärkt Frontman Nathan Willett’s verzweifelt-krächzendes Ringen um Luft („Come up for air“). Eine Abrechnung mit der Leistungsgesellschaft und mit der Musikindustrie im Speziellen, die ihn manchmal aufzureiben und gleichzeitig runter zu drücken scheint. Trotzdem gesteht sich Willet auch seine eigenen Fehler ein beschuldigt nicht bloß die ihn Umgebenden: „Don’t count mistakes / I lost track of them“.

Nach diesem rasanten Einstieg wird erstmal Tempo rausgenommen. In den nächsten Songs mäandert sich Willet in gewohnter Cold War Kids-Manier durch Verluste von Liebgewonnen, dem fortwährenden innerlichen Diskurs mit sich selbst und der undurchschaubaren Verflochtenheit zwischenmenschlicher Beziehungen. Auch die Thematik des Alt- bzw. Erwachsenwerdens ist ein wiederkehrendes Motiv: Im Song „Loner Phase“ beispielsweise beklagt Willet „We’re so afraid of getting worse with age“ während in „Bottled Affection“ gefragt wird: „I grew up, didn’t I / Or did I get stuck?“ Der Mann mit der Stimme, der man zutrauen möchte, sie könne Luft zerschneiden, wird also von denselben Geistern geplagt, die viele von uns nicht in Ruhe lassen wollen. Ständig mit sich selbst im Zwiespalt, sich dauernd selbst hinterfragend, ob man nun endlich erwachsen werden sollte oder doch lieber ein wenig länger Kind bleibt.

Fledermäuse in den Nachthimmel

Klanglich zeigen sich die Kalifornier stringent und doch experimentierfreudig. Saxophon und Gospelchor halten sich mit dezent eingesetzten Drummachines und Synthieflächen die Wage. „Bottled Affection“, der wahrscheinlich am besten ins Formatradio passendste Song, beheimatet wohl eines der treffendsten Bilder, welches stellvertretend für die Thematiken, an denen sich die Cold War Kids abarbeiten, steht: Anstatt weißer Tauben und gleißender Sonne werden vor der Kathedrale Fledermäuse in den Nachthimmel entlassen: „I let the bats out / We walked through / The cathedral out in the moon“.

Darauf folgt der Track, der uns wohl die nächsten Monate noch des Öfteren als Club-Closer begegnen dürfte. „Jailbirds“ nistet sich sofort in das Belohnungszentrum des Zuhörers ein und schreit dort laut „Ohrwurm!“. Zudem stellen Willet und Konsorten hier erneut unter Beweis, dass sie Meister ihres Faches sind, wenn es darum geht, astreine Inhalts-Melodie-Scheren aufzutun. Insofern auch eine treffende Wahl des Songtitels, der ja bereits einen Widerspruch (Enge vs. Freiheit) in sich trägt.

Weniger Grit, weniger Stadium

Als gäbe es im Universum der Cold War Kids nicht schon genug Anlass, in Trauer und Selbstmitleid zu versinken, hat sich letztens auch noch Gitarrist und Gründungsmitglied Jonnie Russel dazu durchgerungen, die Band zu verlassen. Als Ersatz wurde Modest Mouse Drummer Dann Galucci rekrutiert. Dieser durfte sich dann auch gleich als Co-Produzent, neben Lars Stalfors, am neuen Album betätigen. Absichtlich wurde ein wenig Abstand vom bisherigen Grit-Rock-Sound genommen. In der Produktionsweise liegt auch die größte Schwäche des Albums: Teilweise zu steril, anschmiegsam und teilweise eben auch überproduziert. Beinahe zu oft zieht die Stimme Willets einen etwas unangenehmen Schweif an Reverb mit sich oder muss sich erst ihren Weg durch die übermäßig angehäuften Schichten Hall bahnen.

Verbannte das vorangehende „Mine Is Yours“ noch den rauen Charm der ersten beiden Alben und deutete ganz klar Richtung Einbahnstraße Kings-Of-Leon-Stadium-Rock, zeigt sich die Band nun wieder experimentierfreudiger, mutiger. Es werden keine lieblosen, formelhaft erarbeiteten Indie-Rock-Nummern aneinandergereiht, sondern Songs erarbeitet, die die Klangmöglichkeiten der Band auf intelligente Weise neu ineinander verweben. Soul hält Händchen mit Punk und füsselt mit Blues also. Genau das war ja einer der Hauptgründe, weshalb wir Mitte des letzten Jahrzehnts diese Band so in unser Herz geschlossen haben.

"Dear Miss Lonelyheart" von den Cold War Kids ist bereits erschienen.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...