Das brut will scheitern. Und zwar richtig. Zumindest ist „Nachhaltig scheitern“ der Schwerpunkt für die letzten beiden Monate diesen Jahres. Wir haben uns das Programm genauer angeschaut.
In den kommenden Monaten zelebriert das brut die Nachhaltigkeit des Scheiterns. Ganz im Sinne Walter Benjamins. Dieser kritisierte als Erster die Tatsache, dass immer nur die Geschichten der Sieger weiter erzählt werden und die Geschichte, die wir kennen, immer eine Geschichte der Sieger ist. Diesen Geschichtsbetrug gilt es aufzulösen und das Scheitern als Teil unserer Geschichte zu betrachteten. Michael Ende und Tocotronic habe das schon vor Jahren verstanden und Albert Camus hat sein Hauptwerk ebenfalls dem Scheitern gewidmet. Nun probiert es das brut also mit Nachhaltigkeit und gibt sieben Produktionen Raum um eine Geschichte des Scheiterns zu schreiben.
Das Wort Scheitern kommt übrigens aus dem Germanischen und bezeichnet wörtlich „das Gespaltene“, das nicht ans Ziel kommen, Schiffbruch erleiden, also ein Gefühl, mit dem wir uns alle identifizieren können. Nun ist das Scheitern seit 2000 quasi modern geworden, es wurde in der Wirtschaft als Strategie entdeckt, die dann schlussendlich doch zum Gelingen führen kann. In der Kreativwirtschaft ist das Scheitern sowieso schon akzeptiert. Das Scheitern als Chance, im Sinne Christoph Schlingensiefs, als Möglichkeit bei Samuel Beckett und das Scheitern als Prinzip nach Karl Jaspers. Wer Angst zu Scheitern hat, hat Angst zu leben.
Das Programm
Zum Auftakt des Themenschwerpunkts stellt Jan Machacek in seinem neuen visuell geprägten Stück „Normarena“ die Frage, wie man als Teil des Systems das System kritisieren kann. Die vielfach ausgezeichnete Gerhild Steinbruch schrieb dazu einen Text, den Max Mayer, vermutlich den meisten aus Schauspielhaus und Burgtheater bekannt, interpretieren wird. Den diskreten Charme der westlichen Gesellschaft bringen die PerformerInnen des Kollektiv Gob Squad in ihrem Stück „Western Society“ zum Bröckeln, wenn das Partymachen als Beschäftigungstherapie ohne Ziel weder Nähe noch Gemeinschaft herstellen kann.
Die in allen Medien beheimatete Ivana Müller macht die vorherrschende politische Rhetorik Europas zum Thema, die auf Teufel komm raus versucht, Gemeinsamkeit herzustellen und dabei eine social choreography etabliert. „IN COMMON“ offenbart auf ironisch- humorvolle Weise die Spielregeln, die Minderheiten und Mehrheiten, GewinnerInnen und VerliererInnen entstehen lassen. Bernadette Anzengruber entwirft in ihrem Stück DICK eine Utopie der anderen Art: Nach dem Sieg der „Nuclear Feminists“ herrscht eine neue soziale Ordnung, in der u.a. die Heteronormativität zur Subkultur wird und lediglich in illegalen Clubs bestehen kann. Zum Jahreswechsel ergeben wir uns, beziehungsweise Martin Schick und Damir Todorović in ihrem Stück HOLIDAY ON STAGE – last days of luxury einer exzessiven Feier der kapitalistischen Dekadenz.
Außerdem: Schnellkurs Scheitern: nein, kein AMS- Kurs, sondern ein Workshop mit Diskussionen, Filmscreenings, Lectures und Interventionen um das Scheitern endgültig zu etablieren. Vielleicht steht dieser Tag bald in Stehkalendern, die uns unsere Banken und Versicherungen zum Jahreswechsel schenken. Scheitern also nicht nur als temporäre Etappe auf einem Schaffensprozess, sondern nachhaltiges Scheitern! Wenn wir jetzt alle ins Brut gehen, werden wir bestimmt bald in unseren Glückskeksen lesen können: “Sie werden nachhaltig scheitern!”
Außerhalb des Themenschwerpunkts zeigt das Performanceduo united sorry in Zusammenarbeit mit vier ChoreografInnen the forest project und verwandelt die brut-Bühne in eine archaisch-organische Landschaft, in der man tanzenden Faunen und singenden Nymphen begegnet. Die Superamas läuten ihre neue Performancereihe It’s a date im brut ein. Beim ersten Date im Dezember ist der bildende Künstler Markus Schinwald zu Gast.
Der Schwerpunkt „Nachhaltig scheitern“ findet im November und Dezember im brut Wien statt. Mehr Infos unter i>www.brut-wien.at