»True Detective« setzt die Erwartungen extrem hoch. Die Serie kann aber überraschend viele davon einlösen.
»True Detective« war eine Offenbarung. Neben einer packenden Detektivjagd auf einen Serienmörder in den Sümpfen Louisianas bot die Show zwei der kaputtesten Cops der Fernsehgeschichte. Es gab mehrere Zeitebenen, eine aufreibende Atmosphäre, lange Kamerafahrten, dealende Nazis, atemberaubende Locations und viele weitere Schmankerln für Film-Nerds. Aber vor allem die Performance von Matthew McConaughey, der sich nach seiner überraschenden Transformation vom Teenie-Schwarm zum Charakterdarsteller noch einmal selbst übertraf, sorgte für ein enormes Echo. Und damit sind wir bei einem der wunden Punkte von Season 2 angelangt.
Alles bleibt neu
»True Detective« ist eine Anthologie und folgt also in jeder Staffel einer neuen Geschichte, in neuem Setting. Damit wechseln auch die Charaktere. Statt Woody Harrelson und Matthew McCounaughey muss man sich auf eine neue Riege problemüberlasteter Cops einlassen. Neben Colin Farrell und Taylor Kitsch zählt mit Rachel McAdams diesmal auch eine Frau zu den Detektiven, während Vince Vaughn das Protagonisten-Quartett als zwielichtiger Unternehmer abrundet. Jede dieser Figuren bringt ihr persönliches Chaos mit ins Spiel. Die Psyche und sozialen Hintergründe der einzelnen Charaktere erklären sich eher durch ihre Handlungen. Jeder von ihnen hat seine sympathischen und unheimlichen Seiten. Ob man nun das Duo Cohle und Hart aus der ersten Staffel bevorzugt, ist wohl einfach Geschmackssache.
Außer Frage steht, dass man es auch hier mit waschechten HBO-Antihelden zu tun hat, die mittlerweile von Hollywoodstars auf dem Höhepunkt ihres Könnens verkörpert werden. Das Anthologie-Format bedeutet aber auch, dass man als Zuseher wieder bei null anfängt und sich auf ein neues, vielschichtiges Szenario einstellen muss. All die Schauplätze, Charaktere und unterschiedlichen Gesellschaftskreise, die anfangs in Staffel Zwei angerissen werden, sind sogar für moderne Serienverhältnisse ein wenig überfordernd. Wahrscheinlich soll man sie sich einfach mehrmals ansehen. Denn man fühlt sich, als würde man in die zweite oder dritte Staffel einer Show geworfen, ohne jemals eine andere Folge gesehen zu haben. Aber HBO nimmt die Zuseher eben nicht bei der Hand, um uns ein leicht verdauliches Mahl vorzusetzen, sondern erwartet Aufmerksamkeit und Kombinationsgabe, um alles zu einem großen Ganzen zusammen zu fügen.
Um die Spekulationen im Netz anzuheizen, um eine Welt zu bauen, die sich nicht einfach erklärt, sondern immer neue Verbindungen zulässt. Trotz allem bleibt »True Detective« der vorhergehenden Staffel in Sachen Stimmung und Thematik überraschend treu. Die desolaten Sumpflandschaften mögen einer urbanen Umgebung in der Gegenwart gewichen sein. Aber tiefschwarze Lebensphilosophie und Kommentare zum üblen Stand unserer Gesellschaft gibt es wieder reichlich – sogar unheimliche Tiermasken spielen wieder eine Rolle. Wer nach der Besetzung von »Fast and Furious«-Regisseur Justin Lin beunruhigt war, Season 2 könnte in ein Actionspektakel ausarten, kann sich entspannt zurücklehnen. Set-Gestaltung, Kamera und Musik machen hier den besten Michael-Mann-Filmen Konkurrenz und liefern ein beunruhigendes aber imposantes Gesamtbild, das auch auf einer Kinoleinwand voll überzeugt.