Beirut sind geeicht darauf die Melancholie und Sehnsuchtsmomente des Vagabundierens zu vertonen. Egal ob das Mittel zur Fortbewegung die Fantasie oder das Flugzeug ist – Reisen sind oft Kraftakte. So wie neue Alben.
Um Beirut war es still die letzten drei, vier Jahre. Gut. Es gab da dieses eine Arena Konzert 2012. Aber neue Songs – Nada. Grund war die körperliche Erschöpfung des permanent tourenden Bandleads Zach Condon. Der fand sich 2013 in einem Krankenhaus am Ende der Welt, also Australien, wieder – Unfähig neue Melodien zu kreieren oder auch nur einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dazu kam dann auch noch eine nervenaufreibende Scheidung.
Inzwischen hat sich der umherstreunende Fast-30er aber erholt und sein neues Album fertiggeschneidert. Auszeiten in Istanbul und eine neue Muse pumpten frischen Sprit in den Energiekreislauf. Der neue Beirut-Sound, tschechische New-Wave-Filme und Stinktiere waren Thema in unserem Gespräch. Bitte.
Der erste Song, den ich vom neuen Album hörte war logischerweise die Single „No No No“. Vor allem das Intro hat mich stark an "Scenic World" erinnert. Was ist das Ding mit diesem verschrobenen Sound?
Das kommt daher, dass es dieselbe Orgel ist, auf der ich auch "Scenic World" geschrieben habe. Die steht immer noch im Haus meiner Eltern in Santa Fe. Immer wenn ich dort bin, setz ich mich hin und klimpere ein wenig darauf rum. Ich mag diesen spezifischen Sound, der durch das Instrument zustande kommt.
Also verwendest du immer noch die alten Instrumente um zu schreiben?
Ja. Manche.
Wundert mich, dass die so lange überlebt haben…
(Lacht). Ja. Schon irgendwie. Und wegen der Orgel – Ich bin selbst immer noch überrascht, dass meine Eltern das Teil immer noch bei sich stehen haben.
Du hast öfters erwähnt, dass deine Art Songs zu schreiben stark von deiner musikalischen Erziehung als klassischer Blechbläser beeinflusst wurde. Die Songs sind jetzt aber viel Klavier-zentrierter. Warum dieses Abrücken von der Trompete?
Genau. Das kommt eigentlich daher, weil ich auf meine Eltern wütend war, mir keinen klassischen Klavierunterricht gegeben zu haben. Nein. Im Ernst. Eigentlich bin ich dafür dankbar. So kann ich mich dem Instrument viel naiver und intuitiver nähern. Ich versuche es genau so zu spielen, damit es für mich am besten klingt – Mich also nicht darum zu kümmern, wie es laut Lehrbuch gespielt werden sollte. Das hat sich immer mehr verstärkt.
Bei diesem Album gelangte ich dann an einen kritischen Punkt: Wir (Anm.: die Kernband) haben uns dann jeden Tag um das Piano versammelt und einfach darauf los gesungen und gespielt. Ich bin fernab von einem professionellen Klavierspieler, aber ich glaube mit dem Instrument gut kommunizieren zu können.
Die Songs sind also wirklich auch auf dem Klavier entstanden?
Ja. Vorher war es eben Ukulele, Orgel oder Harmonika, eben diese ganze Vielzahl an Instrumenten. Diesmal hab ich mich nun ziemlich auf das Klavier beschränkt. Das kommt auch daher, weil ich einerseits den Klang selbst und andererseits einfach die Art gern hab, wie das Instrument reagiert, wenn ich es berühre.
Du hast einmal gesagt, du hast mit „The Rip Tide“ versucht so was wie dein musikalisches Zuhause zu etablieren. Um in dieser Metapher zu bleiben, was ist das neue Album?
Ich glaube, die Wände neu mit Farbe zu bestreichen, wäre die richtige Analogie.
Also nicht Gartenarbeit oder so was?
Haha. Nein. Ich hab das mit dem Zuhause damals über „The Rip Tide“ gesagt, weil es für mich schon einen gewissen Sound etablierte. Aber mehr so, wie der Titel auch andeutet, ein raues zuhause. Rau aber saftig. Und diesmal war das mehr so: Ich muss mit dem Ding Spaß haben und darf mich nicht so sehr darauf konzentrieren, was am Ende dabei rauskommt. Bestenfalls alle Gedanken einfach aus meinem Hirn streichen und voll im Moment sein. Das, so denke ich, ist wohl der Hauptgrund, warum das Album nun so geworden ist wie es nun mal ist – ein ziemlich euphorisches Album könnte man sagen.
Den Eindruck hatte ich auch beim Durchhören. Bei deinen alten Alben hab ich immer gedacht, du könntest eigentlich auch den Score für einen Kusturica Film stellen. Beim neuen Album kam mir eher Wes Anderson in den Sinn. Filme inspirieren dich schon, oder?
Ja. Es gibt auf dem Album sogar eine Art Interlude ("As Needed"). Das ist praktisch ein Bewerbungsschreiben für einen Film Soundtrack. Haha.
Im Ernst: Ich könnte den ganzen Tag instrumentale Stücke schreiben. Songs fertigstellen ist brutal. Diese kleinen Melodien und Themen, die ohnehin die ganze Zeit in meinem Kopf rumschwirren niederzuschreiben hingegen viel leichter. Und ja. Ich erinnere mich an Kusturica. Aber ehrlich gesagt, wenn ich tagträumen dürfte, würde ich gerne einen tschechischen New-Wave-Film vertonen oder irgendwas von Fellini.
Achteinhalb wär wahrscheinlich passend.
Ja! (Lacht) Das wär großartig. Vielleicht mach ich das mal. Vielleicht machen wir einfach eine Show, spielen den und ich setzt mich hin und mach’ die Musik dazu.
Hast du zufällig „La Grande Bellezza“ gesehen? Der ist etwas neuer und so was wie eine Fellini Hommage.
Ja. Hab ich gesehen. Das ist neuerdings eigentlich sogar einer meiner Lieblingsfilme.
Weiter zum Albumtitel und "Ok. Ich sag’s Dir. Du bist die erste Person, die das durchschaut hat."