Vom Abschiedswerk eines Outsiders, der sich nie festschreiben lassen wollte.
Einordnung, etwa die in Genres, erzeugt in etwa jene Wohlfühlmomente, die aus den Postwurf-Prospekten von Einrichtungshäusern bekannt sind. Erst wenn alles sauber verstaut ist, hat die Fadesse freien Lauf. Dieses Einordnen funktioniert natürlich auch urgut bei Musik. Mit der kanonisierten Referenzlehre in der einen, und dem Lässigkeitsbarometer in der anderen Hand, wird oft versucht die Gutheit eines Albums anhand des Längs- und Seitenabstands zum künstlerischen Vorwerk und/oder Ähnlichem zu messen. Bei Bowie hat das nie funktioniert. Weder im Werdegang, noch im Kunstverständnis.
Reference is a dancer
Kurz nach der Videopremiere der ersten Single "Black Star" schwärmten bereits die ersten Drohnen raus aus den Journalistenstuben und rein in den True Detective-Referenzwald. Schwarze Sterne und gelbe Könige kannte man ja. Festhalten am Alten. Geht auch schwer anders – erstens sind solche Prätexte tief in unseren Gehirnen verankert, andererseits war das halt schon stark in den Bann ziehendes Beiwerk, das sich da in zehn Minuten vor uns auftat. Bei der ganzen Video-Ästhetik darf sollte eines jedoch nicht durch vergessen werden. Und zwar dass Bowie uns hier, zusammen mit seinem Produzenten Tony Visconti, zwei, an und für sich schon grandiose Songs, zu einem Überelegie an die Ohren legt. Beklemmend und düster drängen sich da die Saxophonien, des in einer Jazz-Bar aufgegabelten Donny McCaslin, an die Pop-verwöhnten Tonabnehmer.
Neben all den textlichen Bedeutungsebenen des titelgebenden Oxymorons findet der Widerspruch auch durch die mittig gelegene Sollbruchstelle seine Vertonung. Die vorab bereits veröffentlichten Songs "Sue (Or in a Season of Crime)" und "’Tis a Pity She Was a Whore" mögen für durchschnittliche Bands überdurchschnittliche Nummern sein, auf "Blackstar" wirken sie dann aber doch etwas als Lückenfüller. Wobei die Absicht, den unerschütterlichen Hörer in größtmögliche Unbehaglichkeit zu versetzen, denn genau das tut die Herzrhythmusstörung „’Tis“ nämlich, zum einen erstrebenswert und zum anderen gelungen ist. Und das nicht nur in Anbetracht jener Meldung, die uns diesen Montag zu einem der traurigsten Tage der Popkultur machte.
My Body Is A Cage
Auf "Blackstar" fordert Bowie aber auch sonst noch einmal einiges: Spielzeiten reichen weit über die Aufmerksamkeitsspannen von Otto-Normal-Gyphy-UserIn hinaus. Eklektizistische Soundzugänge mit Jazz-Überhang fordern beim Erstdurchlauf einiges an Einlassbereitschaft. Mit dem melodischen, selbstreferentiellen Vorgänger „The Next Day“ hat das so gut wie gar nichts mehr zu tun.
In Anbetracht des Krebsleidens muss "Lazarus" sowohl als Kernstück, als auch Epitaph gedeutet werden. Kalt geschlagene Gitarrensaiten und dem Saxophon abgekämpfte Traurigkeit verstärken die Innensicht auf einen Körper, der sich selbst nur mehr als Kerker empfindet. Im Video kämpft sich Bowie zudem aus dem Krankenbett zuerst zurück an den Schreibtisch und verschwindet gegen Ende im hölzernen Schrank. Der Interpretationsspielraum ist abgeschafft.
Der Zeit ihre Kunst / Der Kunst ihre Freiheit
Bowie widmete sein Leben der Kunst. Sein Kunstbegriff schloss selbst den eigenen Tod mit ein. So steht am Ende also dieser schwarze Stern, als letztes künstlerisches Statement. Es ist der Schlussstein eines Pop-Giganten, der Lebenswelten veränderte, und das über seinen Tod hinaus noch tut.
"Black Star" von David Bowie ist bereits erschienen.