Silent in der Disco kann man schon lange feiern. Das Stammpublikum weiß das – andere haben’s noch nie ausprobiert. Wir haben nachgeforscht, woran vor allem letzteres liegen könnte.
Wer weltweit der Erste war, der eine Silent Disco veranstaltet hat, scheint nur mehr schwer nachvollziehbar zu sein – Das Konzept, bei dem Musik im Club nur über Funkkopfhörer zu hören ist, ist ein Selbstläufer geworden und war ursprünglich für Veranstaltungen an öffentlichen Orten gedacht, wo die Lautstärke gar nicht oder ab einem gewissen Zeitpunkt nicht überschritten werden durfte. Darüber, wer der Erste in Wien war, ist man sich aber einig: Oliver Hangl.
Wer war der oder die Erste?
Der Künstler und Geschäftsführer von Olliwood Productions testet die Kunstsphären mit den funkgesteuerten Kopfhörern aus. Um die 2000er-Wende hostete Hangl das erste Silent Concert mit anschließender Silent Disco in der Hauptstadt. Seither folgten viele weitere Silent Events. Zum Beispiel Kinovorstellungen (auch in der Bim) oder die Guerilla Walks, bei denen Hangl mit prominenter Unterstützung Stadtführungen macht. "Bei den Guerilla Walks ist das Zufallselement das Interessante. Ziel ist es, immer neue Leute dazu zu gewinnen und im besten Fall spontan in eine Wohnung eingeladen zu werden", meint Hangl.
David Strolz, Chef von Silent Disco Austria, hat einen anderen Zugang zum „Silent Universum“ genommen: "Ich war vor zirka 7 Jahren in England auf einer Silent Disco im Rahmen eines Festivals und hab das Konzept so witzig gefunden, dass ich mir gedacht habe, warum probieren wir das Ganze nicht einfach mal. Ich war damals 17", so Strolz weiter, "Das hat in Vorarlberg auch recht gut funktioniert, weil’s komplett was Neues war und jeder es zumindest einmal sehen wollte. Und dann gab es immer wieder Anfragen von anderen Orten und so sind wir Stück für Stück in den Osten gewandert: Von Tirol aus nach Graz und dann vor 2 Jahren nach Wien. Wir machen das jetzt, wie gesagt seit 7 Jahren – Oliver Hangl schon länger, aber ich finde nicht, dass wir ihn kopiert haben, weil ich gar nichts von ihm gewusst habe, als wir angefangen haben. Wir machen’s auch ganz anders als er. Wir sind mehr auf die Partyschiene aus und er auf die Kunstschiene. Und es ist super, dass es beides gibt."
Mute oder Nicht-Mute in der Disco
Auch nicht schlecht: Die Funkkopfhörer können bis zu zweihundert Meter überwinden, was theoretisch bedeutet, dass man auch am Klo weitertanzen kann. Die Silent Disco hat sich Hannah schon dreimal gegeben – zweimal auf ihrer Maturareise und einmal in der Strandbar Herrmann: "Auf der Maturareise war es ziemlich cool, kann aber auch mit dem Alkoholspiegel zusammenhängen, um ehrlich zu sein. Jedenfalls hat es mir gefallen, weil man zwischen zwei Kanälen wählen konnte. Es spielt aber grundsätzlich nur Musik, die jeder kennt, um laut mitgröhlen zu können. Das war anfangs etwas komisch, aber da auf der Maturareise alle mitgesungen haben, war eine super Stimmung", meint die 18-Jährige Wienerin. Beim dritten Mal wäre es weniger ausgelassen gewesen und auch wirklich nur noch Lieder gekommen, die selbst Hannah, die es liebt bei trashigen 80er bis 2000er Charts laut mitzusingen, zu eintönig und Mainstream fand.
Etwas zu Mainstream – Ein Einwand, den auch David Strolz nachvollziehen kann: "Klar, es ist sicher keine Party für jedermann. Wir liefern auch sicher nicht die Creme de la Creme der Musik – es soll vor allem eine Party sein, die Spaß macht. Und bei der Silent Disco geht’s zu 50 Prozent ums Mitsingen. Das geht natürlich beim Deep House weniger", sagt der Vorarlberger lächelnd. Grundsätzlich würde man sich nach den musikalischen Polen "FM4" und "Ö3" orientieren, wobei es durchaus No-Gos gäbe, so Strolz: "Schlager und Justin Bieber zum Beispiel."
Silent heiraten? Geht auch
Auch wenn die Beliebers zuhause bleiben müssen, trifft sich in der Silent Disco sonst ein gemischtes Publikum – mit leichtem Frauenüberschuss. Flirten ist vermutlich auch nicht unmöglich – obwohl man sicher etwas kreativer werden muss, um wortwörtlich Gehör zu finden. Und danach kann man gleich "silent" heiraten – also eine Silent Disco für die Hochzeitsfeier veranstalten lassen. Oder einfach die Kopfhörer für eigene Ideen mieten. Noch ein Fun-Fact übrigens: Nach jedem Event müssen hunderte von Kopfhörer mit einem speziellen Reinigungsmittel geputzt werden – wobei bei denen, die mit dem Reinigungsdienst der Earphones ihr Geld verdienen, die Serien-Binge-Rate überproportional hoch ist.
Same same but different
Ein Partykonzept allein hätte sich für Oliver Hangl zu sehr wiederholt, es wäre immer schon in seinem Sinne gewesen, die menschliche Wahrnehmung aus bekannten Zusammmenhängen zu reißen und in viele andere Richtungen weiterzuentwicklen – Das Kommerzielle würde er anderen überlassen, so Hangl. Für David Strolz, der laut seinen Erzählungen schon in der Jugend oft versuchte, Feste zu veranstalten und in den frühen Anfängen seiner Jugend oft mit mehr Ausgaben als Einnahmen wieder nach Hause ging, macht gerade eben die Breite des Formats den Reiz aus: "Durch die zwei Kanäle singen dann die einen 800 Leute ein Lied und die anderen 800 das andere. Die zwei DJs machen das dann teilweise mit Absicht, dass sie auf dem einen Kanal ein schnelles und auf dem anderen ein langsames Lied geben – damit der Kontrast möglich groß ist", erzählt Strolz. Der eigentliche Reiz daran wäre für ihn, dass die Leute bei der Silent Disco viel mehr aus sich heraus gehen würden – wenn alle Kopfhörer oben haben, denke man nicht mehr drüber nach, wie man singt. Man würde auch viel extremer tanzen, wie in einem imaginären Raum mit sich selber, so Strolz. Auch er arbeitet emsig an der Weiterentwicklung seiner Schiene, zum Beispiel an einem leihbaren Silent-Disco-Jukebox-Koffer für WG-Parties. Sogar mit Deep House-Kanal.
Wer sich ebenfalls ein eigenes Bild von den Silent Events machen will, der kann am 21.5. zur Silent Disco in die Strandbar Hermann schauen oder am "Walking Concert Sad Francisco" im Rahmen des WirsindWien-Festivals dabei sein. Wir werden da sein.