Pink ist nicht antifeministisch

Wir haben uns mit dem ambitionierten Team des Vaginamuseums unterhalten. Ein Gespräch über ihre virtuelle Museumsarbeit, über Schwierigkeiten mit der Beschaffung von Subventionen für das Projekt und darüber, wie sie die Tabuisierung des weiblichen Geschlechts aufheben möchten.

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Seit 2014 hat Österreich ein virtuelles Vaginamuseum – und zwar in Großbuchstaben geschrieben. Immer wieder erweitern sich seitdem die Sektoren durch umfangreiche historische, gesellschaftliche und künstlerische Beiträge und Aufarbeitungen über das weibliche Geschlecht. Anlässlich der virtuellen Eröffnung eines neuen Schwerpunktes für das Jahr 2016 haben wir mit dem Team des Projekts Kerstin Rajnar, Jana Studnicka, Doris Jauk-Hinz und Christine Wilhelm gesprochen.

Am Montag eröffnet ein neuer Beitrag des virtuellen Vaginamuseums. Vermutlich haben einige bisher noch nicht von der Existenz eines Vaginamuseums in Österreich gewusst. In Kombination mit der Information, dass dieses ausschließlich im virtuellen Raum stattfindet, klingt das gleich noch ungewöhnlicher. Wie kam es zur Projektidee und vor allem zu dem spannenden Zugang, das Museum im virtuellen Raum zu starten?

Kerstin: Trotz der erst kurzen Existenz haben wir als wahrscheinlich auch einziges Museum dieser Art schon einen international beachtlichen Bekanntheitsgrad erlangt. Im Schnitt haben wir 6.000 virtuelle BesucherInnen im Monat. Im Eröffnungsmonat, Juni 2014, hatten wir sogar ca. 37.000 virtuelle BesucherInnen. Die Idee hatte ich 2011 – im Zuge eines Artist in Residence Aufenthaltes in Judenburg – wo ich mit zwei weiteren Künstlerinnen, Doris Jauk-Hinz und Nicole Oberrainer, zum Thema “100 Jahre Frauenrechte“ arbeitete. Der Gedanke, ein rein virtuelles Museum zu erarbeiten, kam mir im Laufe meiner Recherchen dazu. Wichtig war mir, einen zeitgemäßen orts- und zeitungebundenen Raum zu schaffen, wo sich Menschen jeglichen Alters, Geschlechts und unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft über verschiedene Themen, das weibliche Geschlecht betreffend, informieren können.

Der Schwerpunkt für das Jahr 2016 heißt “Vaginalogie“. Wie kam es zur Wahl dieses Titels?

Jana: Die Idee war einen Kontrapunkt zum medizinischen Begriff Gynäkologie zu finden. Denn die Gynäkologie befasst sich primär alleinig mit der Lehre von den Krankheiten des weiblichen Körpers.

Kerstin: Der Schwerpunkt 2016 läuft – genauer gesagt – unter dem Titel "Leib und Leben_Die positive Kraft der Weiblichkeit" und soll auf die Redensart "Leib und Leben" anspielen. Bis dato fehlte eben ein Begriff für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der facettenreichen Gesamtheit des gesunden weiblichen Geschlechtes – denn der Begriff "Vaginalogie" setzt sich aus dem Wort „Vagina“ und dem Suffix "-logie" (vom altgriechischen Wort lógos für Lehre, Sinn, Erkenntnis) zusammen. Wir wollen nicht nur medizinische, sondern auch soziale und psychologische Aspekte der Weiblichkeit besprechen. Es geht quasi um die Lehre über das Leben der Frau, ihren Körper und ihren Geist – schön, oder?

Wie darf man sich die virtuelle Eröffnung am Montag konkret vorstellen? Welche Rückmeldungen gab es generell bisher von den BesucherInnen des Vaginamuseums?

Kerstin: Die virtuelle Eröffnung passiert quasi recht “unspektakulär“. Ein Klick und der Beitrag ist online (lacht). Wir arbeiten allerdings schon fast ein Jahr an der Organisation, dem Konzept und dem Inhalt, dem Design und der Programmierung und an der Übersetzung ins Englische und sind demnach sehr aufgeregt und gespannt.

Christine: Durch die Übersetzung ins Englische werden außerdem eine Vielzahl von Menschen erreicht und Beiträge durch ausländische KünstlerInnen erst möglich gemacht. Die Übersetzungsarbeit hat mir sehr viel Freude bereitet – vor allem aus der Überzeugung heraus, dass Frauen und Mädchen in aller Welt von dem bereitgestellten Wissen profitieren können.

Jana: Es war eine spannende Reise – viele Ideen, Zeit und Energie sind in das Projekt geflossen. Ich bin selber noch ganz gespannt, was da wirklich passieren kann. Die Rückmeldungen waren bis jetzt durchgehend positiv und das Interesse jedes Mal groß, wenn das Projekt zur Sprache kam.

Die Eröffnungssausstellung – mit Titel „Vagina 2.0“ – hat verschiedenste Arbeiten zeitgenössischer KünstlerInnen vorgestellt. Wie ist man das damals angegangen, auch hinsichtlich der Herausforderung der Digitalisierung der Ausstellungsstücke?

Doris: Der Titel verweist auf die konzeptuelle Einbeziehung von Web 2.0 und damit auf interaktive soziale Online-Plattformen und Netzwerke im Internet. Wir haben uns ganz bewusst für die Form des gänzlich offenen Open Call entschieden und über das Medium Internet Künstlerinnen und Künstler aufgerufen, netzadäquate Beiträge einzureichen. Darüber hinaus wollten wir Teil einer anonymen Öffentlichkeit sein und diese Absicht hat sich erfüllt, wie die Reaktionen aus dem Alltagsleben auf den Call gezeigt haben. Das weibliche Geschlecht ist nach wie vor ein Tabuthema – das Rütteln daran hat stereotype Un-Lust-Emotionen ausgelöst. Die in der virtuellen Galerie ausgestellten Arbeiten spannen einen thematischen Bogen früher Darstellungen von Vulva-Symbolen unterschiedlicher Kulturen und Zeiten bis hin zum Leben und Arbeiten in sozialen medialen Online-Plattformen und Sex-positivem Feminismus im Cyberspace.

Das Wort Vagina zu verwenden, scheint immer noch ein großes gesellschaftliches Tabu zu sein. Wie kommt das und inwiefern kann man das mit einem Museum ändern?

Jana: Nach wie vor sind in der Sexualität viele Tabus präsent. Selbst die eher neutrale, medizinische Bezeichnung "Vagina" des weiblichen Geschlechts sorgt immer noch für Aufsehen – was auch die wertfreie Auseinandersetzung mit den Themen Sex, Geschlecht sowie sexueller Gewalt erschwert.

Kerstin: Um das Projekt überhaupt umsetzen zu können, musste ich etliche Felsen auf die Seite räumen. Ich bin noch vor der Umsetzungsphase im Jahr 2014 medial angegriffen worden. Eine kleinformatige österreichische Boulevardzeitung hat sich da äußerst negativ und unvorteilhaft über die Entscheidung der FördergeberInnen geäußert. Sogar letztes Jahr, als ich mich mit dem aktuellen Schwerpunkt um Subventionen bemühte, waren nicht einmal 50% der angesuchten Stellen bereit diesen Schwerpunkt zu fördern. Ich erhielt auch von etlichen Frauenorganisationen eine Absage. Da gab es dann die dubiosesten Ausreden. Keine Ahnung, was sie sich alle gedacht haben. Oder hatten sie alle einfach nur Angst? Ich weiß es nicht. Es ist und war für mich ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr nachvollziehbar. Diese Hürden, die Angst und die Scham, zeigen mir einfach die Notwendigkeit, an dem Projekt weiterzuarbeiten – denn wäre das weibliche Geschlecht und somit die Frau in unserem gesellschaftlichen Denken positiv integriert, würde es doch niemals so ein Auflehnen geben.

Jana: Unser virtuelles Museum bietet wundervolle Gelegenheiten etablierte Gedankenmuster zu reflektieren, und neue Arten und Wege zu finden, um über die Geschlechtlichkeit der Menschen sprechen zu können – mit Selbstbewusstsein statt Scham.

Hinter dem Vaginamuseum steht der Verein „rosapinks“. Es ist online in einer Farbe zwischen Rosa und Pink gehalten – zwei Farben, die häufig als rückschrittlich bis antifeministisch wahrgenommen werden. Inwiefern steckt da der Versuch dahinter, sich diesen beiden Farben wieder anzunähern und sie von Barbie-Assoziationen etc. zu befreien?

Kerstin: Als Künstlerin "frau mag rosa pink" und Obfrau des Vereins "rosapinks" habe ich mich sicher schon vor 12 Jahren den Farben Rosa und Pink zugewandt. So gab es bezüglich der Farbwahl vom Museum gar keine andere Auswahl als sich mit Rosa- und Pinktönen zu beschäftigen (lacht). Ich persönlich würde die Farbe als Fuchsia bezeichnen – auch privat zur Zeit meine absolute Lieblingsfarbe. Ich kann den antifeministischen Gedanken in Bezug auf Pink überhaupt nicht verstehen. Pink ist laut Farbpsychologie die Farbe der Liebe. Ist es nicht nur wieder ein gesellschaftliches Gedankenkonstrukt die Farbe Pink mit geschmacklos, billig und weiblich in Verbindung zu bringen? Vor allem wenn man bedenkt, dass sie vor nicht allzu langer Zeit als entschlossene und starke Farbe den Buben zugeordnet wurde.

Jana: Als Symbol für die “Vaginalogie“ haben wir auch die rote, geöffnete Lotosblüte gewählt, da sie ein kraftvolles Bild für das weibliche Geschlecht bietet, wie eine neue Metapher für den Schoß der selbstbewussten, freien Frau.

Kerstin: Und da wir ja keine anderen Farben im Museum zur Auswahl haben, wurde aus der roten Lotosblüte einfach eine Pinke (lacht).

Abschließend, zur Zukunft des Vaginamuseums: Gibt es bereits weitere Pläne für Ausstellungen oder zur Weiterentwicklung des Konzepts?

Kerstin: Ich würde gerne die Ausstellung “Geburt_to animate“ umsetzen. Das Konzept ist bereits fertig. Wir sind aber noch auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten. Der nächste Schwerpunkt wird sich thematisch vielleicht mit der Bedeutung der Sprache auseinandersetzen.

Am Montag, den 30. Juni 2016 um 19:00 findet die virtuelle Eröffnung des neuen Beitrages “Vaginalogie“ des “Vaginamuseums – Österreichs erstes virtuelles Museum für das weibliche Geschlecht“ hier statt. Wie sich das bei einem virtuellen Museum eben besonders gut anbietet, kann man auch noch jederzeit in die tolle Ausstellung “Vagina 2.0“ reinklicken.

Bild(er) ©
© 2014 / Christina Strasser _ 2nd Sexual Revolution, © 2012 / AMAE Collective _ I Will Jump First, © 2011-2013 / Faith Holland _ VVVVVV, © 2014 / Angela Proyer _ Muschi2Go

 

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