A Light That Never Goes Out

Die (Wahl-)Wiener spicken ihr drittes Werk mit dunkel-dichter Atmosphäre aus Post-Rock-Spielereien, durch die nicht nur Drum-Soli wie Donnerschläge schneiden, sondern auch weise Worte der Zuversicht.

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Wenn sich die austro-amerikanische Rock-Formation Lehnen mit ihrem dritten, im Eigenverlag auf Cloud Contact erscheinenden Album »I See Your Shadow« zurückmeldet, wird sie eineinhalb Jahre lang auf keiner Bühne mehr gestanden sein. Sich als österreichische Band einfach mehrere Jahre lang komplett aus dem Musikzirkus herauszuhalten, gerade wenn zu Medien in Berlin, Wien und Köln wenig direkte Kontakte bestehen, ist heute … schwierig. Selbst wenn ein faszinierendes Album wie »I See Your Shadow« dabei herausschaut.

Die Zeit nutzte das Quartett für die Suche dem perfekten Song, der gerade nicht der perfekte Popsong nach Schema Strophe-Refrain-Strophe sein will, sondern eine eigenständige Klangwelt. Geführt hat diese Suche letztendlich doch zu einer großen, durchkonzipiert wirkenden Platte, vollgestopft mit dichter Atmosphäre. Geschichten über zerstörte Träume und Hoffnungen werden hier zwischen epochalen Soundwänden von verzerrten Frauenstimmen erzählt. Im besten Fall bewegt das, in weniger geglückten Fällen führt das zu Girl-meets-Linkin-Park-Assoziationen (»Acceptance«). Hinter der vordergründigen todessehnsüchtigen Düsternis, die sich bis in die vergilbt wirkenden Bleistiftporträts melancholischer Menschen im Booklet ausdehnt, verbirgt sich aber sehr viel Ja zum Leben, nicht ein naiv-deppertes, sondern ein hintergründiges Ja. Eine Botschaft, die sich reinwummert und umso persönlicher wird, wenn man bedenkt, dass während der Arbeiten am Album etliche Familienmitglieder der Band verstorben sind.

Reise ins Nirgendwo

Auf Lehnens drittem Album finden sich nur mehr Spuren der ursprünglich klar abgegrenzten musikalischen Wurzeln, der jedes der vier Bandmitglieder nun entwachsen ist: Frontmann Joel Boyd zog seine Inspiration aus dem Post-Hardcore, der Mann an den Drums, Boyds Ex-Schulkollege Matthew Prokop, ließ sich hauptsächlich von elektronischer Musik beeinflussen. Die beiden Bandkollegen aus Wien, Bassist Stefan Sieder und Tastendrücker Martin Konvicka, hörten sich dagegen querfeldein durch Indie-Rock oder Folk. Auf »I See Your Shadow« hat die Vierer-Combo ihre Mischung aus Post-Rock, Ambiente und Pop endgültig zu einem ganz eigenen Sound-Rausch aus unaufhörlich treibenden Songs verdichtet. Mit zum Teil stark verfremdeten Field Recordings wird eine Atmosphäre geschaffen, der man sich nur schwer entziehen kann und die auf eine mauloffene Reise ins Nirgendwo entführt, welche irgendwann wieder an eine genialen Phrase andockt. Dabei gehen die Texte im Sog der Musik beinahe unter, wenngleich sie großartig Zeitkritisches beinhalten: »We are machines running too fast« oder »We are a generation of panic attacks«, fabulieren Lehnen da.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich dieses Gefühl in vielen Ohren einnisten kann. Dass man nämlich durchaus auch global gesehen reüssieren kann, obwohl man sich aus den üblichen Netzwerken in Großstädten aus- bzw. gar nicht erst eingeklinkt hat, beweisen schließlich auch heimische Künstler wie Steaming Satellites, Klangkarussell oder Parov Stelar.

»I See Your Shadow« von Lehnen erscheint am 20. September auf Cloud Contact.

Bild(er) © Zuzana Sieder
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